Audi S4 3.0 TFSI gegen Volvo S60 T6 Polestar
Ein deutsch-schwedisches Duell

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Volvo-Werkstuner Polestar wagt sich mit dem S60 T6 AWD erstmals an eine Kleinserie - und hat kein Problem damit, dass sport auto die Limousine gleich mal gegen den Audi S4 antreten lässt. Völlig zu Recht.

Audi S4 3.0 TFSI, Volvo S60 T6 Polestar, Kühlergrill
Foto: Hans-Dieter Seufert

Was als Ausflug nach Schweden inklusive Ausfahrt mit dem neuen Volvo S60 T6 Polestar geplant war, endet als knallhartes Test-Duell mit dem Audi S4 auf dem Hockenheimring. Eine Mischung aus Terminproblemen und gesundem Selbstbewusstsein des schwedischen Werks-Tuners hatte zur Folge, dass sport auto dem ersten Polestar-Kleinserienfahrzeug nun auf der Rennstrecke gründlich auf den Zahn - oder besser - die Reifen fühlen darf.

Aus wirtschaftlichen Gründen schied allerdings ein extremer Umbau wie beim 508 PS starken Konzeptfahrzeug aus, doch zumindest einige Erkenntnisse daraus flossen in die Serienfertigung ein - offenbar auch beim Klang.

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Bassgewitter im Volvo S60 T6 Polestar

Schon beim Start fluten tiefe Bässe den Untergrund hinter dem Volvo S60 T6 Polestar. Ihren quer eingebauten Reihensechszylinder plustert ein neuer Borg-Warner-Lader auf, im Verbund mit einer neu programmierten Software und einer ab Krümmer maßgeschneiderten Auspuffanlage hebt das die Leistung des Dreiliter-Triebwerks von 306 auf 350 PS, das Drehmoment steigt von 440 auf 500 Newtonmeter.

Das manuelle Schaltgetriebe wurde hingegen nicht übernommen. Stattdessen arbeitet im Volvo S60 T6 Polestar nun die serienmäßige Sechsstufen-Automatik, die gemäß der schwedischen Mentalität, eine eher entspannte Arbeitsweise pflegt. Bereits beim Beschleunigen quirlt sie unentschlossen im Wandler herum, bevor der Kraftschluss steht. Erst dann darf der Sechszylinder heiser röhrend seine Muskeln spielen lassen, sprintet dennoch tapfer in 5,4 Sekunden von null auf 100 km/h - was erste Rückschlüsse auf die Kondition des Motors zulässt.

Hervorragendes Getriebe im Audi S4

Beim Audi dagegen kickt das Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe mit einem dumpfen Schlag den ersten Gang rein, schon machen sich die 400 Nm der Kompressor-Maschine über alle vier Räder her. Rau brüllend erledigt die 333 PS starke Limousine diese Aufgabe in 5,2 Sekunden. Der Dreiliter-Motor dreht dabei völlig losgelöst bis 7.000/min, bevor ihm die S-Tronic den nächsten Gang, nein, nicht serviert, sondern geradezu über die Getriebewelle kippt.

Für Volvo wird es also höchste Zeit, mal ein paar Euro in die Getriebeentwicklung zu stecken. Dass der Volvo S60 T6 Polestar es mit hohen Drehzahlen nicht so hat, stört wiederum weniger - schließlich glänzt er mit einem wuchtigem Durchzug, wie ein Blick auf die Elastizitätswerte zeigt. Jenseits von 5.500 Touren wird‘s jedoch ein bisschen zäh.

Volvo-Getriebe verhindert sehr gute Zeiten

Auf der Rennstrecke ist das noch nicht einmal das Hauptproblem, denn auch hier ist es das Getriebe des Volvo S60 T6 Polestar, das mit beeindruckender Hartnäckigkeit eine bessere Zeit verhindert - und nicht das stets aktive ESP. Wie kommt‘s? Polestar gibt sich einfach bei der Fahrwerksabstimmung viel Mühe, schraubt unter die Limousine einen Satz zweifach verstellbarer Öhlins-Dämpfer und bringt sie mit den 19-Zoll-Michelin-Reifen in Einklang. Dazu kommt eine optimierte Haldex-Kupplung, die nun schneller das Antriebsmoment an die Hinterachse weiterleitet - und etwas mehr davon ebenfalls.

Bemerkenswerte Bremsleistung des Volvo S60 T6 Polestar

Zugegeben, zum Drift-König adelt das den Volvo S60 T6 Polestar nicht gerade - doch vom untersteuernden Handling eines Bücherregals entfernt sich der S60 deutlich. Selbst auf nasser Fahrbahn, wenn sich die Reifen spürbar mühen, vernünftigen Grip aufzubauen, kommt der Volvo rund eine Sekunde schneller um den Kleinen Kurs als der Audi. Mit seiner Brembo-Anlage lässt sich der Schwede präziser anbremsen, und die Abstimmung der Antriebselektronik ermöglicht ein kontrollierteres Herausbeschleunigen.

Obwohl sich der S4 mit abgeschaltetem ESP zunächst handlicher anfühlt, schiebt er bei tapferem Gaspedal-Einsatz zu stark über alle vier Räder zum Kurvenaußenrand, bevor das Sportdifferenzial genügend Antriebsmoment nach hinten schafft.

Ausgezeichnete Lenkung im Volvo S60

Auf trockener Strecke legt der Schwede nochmals nach, lenkt so präzise und direkt ein, dass es den Elchen das Geweih verdreht. Und wenn der Reihensechszylinder des Volvo S60 T6 Polestar wieder laut röhrend toben darf, drängt das Heck sanft in Richtung Curb und presst die über 1,6 Tonnen schwere Limousine aus der Kehre. Dabei stört im Vergleich noch nicht einmal die in jedem der drei Modi eher unbeteiligt wirkende Lenkung, weil dies bekanntermaßen auch nicht die Paradedisziplin von Audi ist.

Audi S4 besticht durch Ergonomie

Der S4 lässt selbst im Dynamic-Modus seines Fahrwerks mehr Bewegung zu, was sich zum Teil auch auf die etwas kleinere Reifendimension zurückführen lässt. Zudem fällt das Eingangsuntersteuern ausgeprägter aus - das torpediert die Linie zusätzlich. Die sonstigen Arbeitsbedingungen für den Fahrer könnten dagegen besser kaum sein, denn Ergonomie und Sitzposition sind top. Einzig die Form der Sportsitze passt nicht jeder Fahrerstatur. Mit einer Zeit von 1.17,1 Minuten liefert der S4 also eine ordentliche Vorstellung ab.

Volvo S60 T6 Polestar ist der Schnellere in Hockenheim

Jedoch fühlt sich der Polestar-Volvo in Hockenheim derart wohl, dass er nur 1.16,8 Minuten für die schnelle Runde benötigt - obwohl das Cockpit nicht ganz so übersichtlich eingerichtet ist, die Sitzposition höher, der Seitenhalt jedoch deutlich kräftiger ausfällt. Übrigens: Auch im 18-Meter-Slalom knöpft der Volvo S60 T6 Polestar dem S4 einige Zehntel ab, zudem bremst er etwas besser. So ganz nebenbei stellt Polestar also den dynamischsten je bei sport auto gemessenen Volvo auf die Räder.

Da lässt sich der geplatzte Ausflug nach Schweden leicht verschmerzen. Andererseits: Es hätte auch Australien werden können, denn dort bringt Volvo den Polestar-S60 in einer Kleinserie zuerst auf den Markt.

Technische Daten
Audi S4 3.0 TFSI Volvo S60 Polestar Momentum
Grundpreis55.550 €49.899 €
Außenmaße4716 x 1826 x 1406 mm4628 x 1825 x 1484 mm
Kofferraumvolumen480 bis 962 l380 l
Hubraum / Motor2995 cm³ / 6-Zylinder2953 cm³ / 6-Zylinder
Leistung245 kW / 333 PS bei 5500 U/min257 kW / 350 PS bei 5700 U/min
Höchstgeschwindigkeit250 km/h250 km/h
0-100 km/h5,2 s5,4 s
Verbrauch8,1 l/100 km14,9 l/100 km
Die aktuelle Ausgabe
Sport Auto 03 / 2022
Sport Auto 03 / 2022

Erscheinungsdatum 04.02.2022

132 Seiten