Kleinserien-Hersteller Portrait BMW Alpina
Besuch bei Alpina im bayerischen Buchloe

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Automobile von Alpina unterscheiden sich von BMW nur durch wenige Auffälligkeiten, wie die typische blaue Lackierung und die Zierstreifen – wenn der Kunde diese Optionen bestellt hat. Ansonsten sind die Modelle aus dem Allgäu vor allem zweierlei: deutlich schneller und edler als die BMW-Basis. 

Alpina Kleinserien-Hersteller Alpina B3 S Biturbo
Foto: Achim Hartmann

James Bond treibt sich in seinen Filmen in den schönsten Gegenden der Welt herum – nur im Allgäu war er noch nicht. Warum eigentlich? Schließlich gäbe es rund um den Firmensitz von Alpina im bayerischen Buchloe alles, was es für einen guten Action-Streifen bräuchte. Zum Beispiel ein weites Netz kurviger Landstraßen für wilde Verfolgungsjagden. Das entprechende Auto käme natürlich von Alpina, die Zeitepoche wäre frei wählbar. Schon ein Modell aus den Anfangstagen, als Firmengründer Burkard Bovensiepen klassisches Motortuning betrieb, reicht für spektakuläre Fahrszenen. Bis zu 200 PS holte er aus einem BMW 2002 tii, 218 PS brachten vor allem das Heck des Alpina B6 auf Basis des ersten BMW 3er (E21) in Schwung – ganz zu schweigen von den Turbo- und Biturbo-Limousinen im E12- und E34-Gewand.

Unsere Highlights

Alpina schließt die Lücke zwischen BMW-Serie und M-Derivat

Seit Ende der neunziger Jahre suchte sich das Unternehmen, dessen Name auf die Nähmaschinen-Fabrik von Bovensiepens Vater zurückgeht, gezielt die Nischen im Modellprogramm von BMW aus. Die Lücke zwischen dem stärksten Serienfahrzeug und dessen sportlichem M-Derivat wird seither von einem Alpina gefüllt. Damit bekäme der Film eine weitere, wichtige Facette: ein mächtiges Industrieunternehmen, also BMW, das die Weltherrschaft anstrebt – zumindest in seiner Branche. Mit dem Erreichen des Hersteller-Status durch die Allgäuer 1983 stiegen die Ansprüche an die Fahrzeuge, so dass deren entsprechende Qualität nur durch eine enge Verbindung nach München gewährleistet werden konnte. „Wir bekommen die Basis-Fahrzeuge vom Werk so, wie wir sie benötigen, und können die meisten unserer Wünsche bereits in den Produktionsprozess einfließen lassen“, erklärt Andreas Bovensiepen, der mit seinem Bruder Florian inzwischen weitgehend für die Geschäftsführung verantwortlich zeichnet. Dazu zählt unter anderem die Lackierung in den Hausfarben Alpina-Blau und -Grün.

Alpina B7 wird von BMW of North America offiziell in den USA vertrieben

Die Motoren entstehen allerdings nach wie vor in Buchloe – in Handarbeit aus bis zu 1.200 Einzelteilen. Selbst in der Entwicklungsphase hilft der Große dem Kleinen. „Abgelegte Versuchsträger neuer Baureihen können wir für unsere Zwecke nutzen“, kommentiert Bovensiepen einen BMW 5er-Erlkönig, der hinter der Werkstatt parkt. Umgekehrt lieferte Alpina den passenden Motor, als BMW ein sportliches Topmodell für den ersten X5 benötigte. Und der aktuelle Alpina B7 wird von BMW of North America offiziell in den USA – mangels entsprechender M-Variante – als Konkurrent zum Mercedes S 63 AMG vertrieben. „Damit erreicht unsere Produktion die Kapazitätsgrenze – mehr als 1.500 Autos pro Jahr können wir derzeit nicht stemmen“, sagt Bovensiepen, der selbst einige Jahre bei BMW in der Entwicklung tätig war.

Zwei Drittel der Kunden lassen sich ihren Alpina zusätzlich individualisieren

Zudem erfordern immer komplexere Abgasnormen hohe Investitionen. Für rund zwölf Millionen Euro entstand ein neues Entwicklungszentrum mit fünf Prüfkammern. Dort werden die Probanden bei konstanten 25 Grad Celsius konditioniert, für die entsprechenden Fahrzyklen müssen dann Temperaturbereiche von minus sieben bis plus 24 Grad abgedeckt werden. Damit will sich Bovensiepen von BMW, wo bislang die Abstimmung stattfand emanzipieren – und kann zusätzlich flexibler agieren. „Ohne den Neubau hätten wir den B3 nicht so schnell auf Euro 5 trimmen können“, berichtet der Geschäftsführer. Ähnlich viel High Tech setzt der Kleinserienhersteller bei den Innenausstattungen ein. Bei den Kunden erlangte das besonders weiche, atmungsaktive Lavalina-Leder große Beliebtheit, zumal Alpina nahezu jeden Farbwunsch erfüllt. Auf einer lasergesteuerten Schneidemaschine saust ein oszillierendes Messer auf und ab. Es schneidet mit 18.000 Hüben pro Minute die entsprechenden Einzelteile aus der Kuhhaut. Im Film könnte hier der Bösewicht Herrn Bond nach dem Leben trachten. Vernäht werden die Einzelteile dann im Obergeschoss, althergebracht von Hand, mit Nadel, Faden und Nähmaschine. Laut Bovensiepen lassen sich zwei Drittel der Kunden ihr Auto zusätzlich individualisieren – was entscheidend zum Jahresumsatz von rund 50 Millionen Euro beiträgt, den die 180 Mitarbeiter erwirtschaften.

Weinhandel als weiterer lukrativer Geschäftszweig

15 davon beschäftigen sich allerdings mit einer anderen Branche. 1978 begann der Seniorchef, von den Testfahrten mit Rennwagen auf italienischen Rundkursen Weine mitzubringen. Während das Motorsport-Engagement zwar erfolgreich verlief, aus wirtschaftlichen Gründen aber immer wieder pausierte, entwickelte sich der Weinhandel bei Alpina zu einem lukrativen Geschäftszweig. Rund 1.000 Top-Restaurants beziehen aus Buchloe ihre edlen Tropfen, die vorwiegend aus Italien, aber auch aus Frankreich stammen. „Bei einem Jahresumsatz von neun Millionen Euro lässt sich das nicht mehr als Hobby bezeichnen“, erklärt Bovensiepen, der Kunden gerne durch den Weinkeller in der Firmenzentrale führt, mit Stolz. Eine Million Flaschen lagern dort in Regalen aus Stein und Holz, in nahezu allen Größen und Preisklassen. Hier dürfte James stilvoll den Feierabend einläuten – natürlich mit dem entsprechenden Bond-Girl an seiner Seite. 


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Erscheinungsdatum 04.02.2022

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