Cadillac ATS 2.0 Turbo gegen BMW 328i
Ami schlägt Bayer im Vergleichstest

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Als Gegner von der Konkurrenz ausgesucht zu werden, das kennt der BMW Dreier nur zu gut. Aber ausgerechnet von Cadillac? Bitte sehr: Der 276 PS starke ATS fordert den 328i mit 245 PS im Vergleichstest heraus.

Cadillac ATS 2.0 Turbo, BMW 328i, Frontansicht
Foto: Hans-Dieter Seufert

Zum Charakter von Bob Lutz gehört es, sich nie zu schwache Gegner für seine Babys auszusuchen. Der General Produkt-Guru auf Lebenszeit - ganz gleich, ob nun gerade mal wieder verrentet oder nicht - griff dabei gerne mal zu hoch, beispielsweise als er einst dem Cadillac CTS ein Qualitätsniveau zusprach, das es locker mit dem Audi A5 aufnehmen könnte. Nun gut.

Cadillac ATS so agil wie BMW Dreier?

Dem neuen Cadillac ATS diktierte er jedenfalls ins Lastenheft, so agil wie ein BMW Dreier um die Ecken wetzen zu müssen. Und dass vier Zylinder ausreichen. Jetzt landet die 4,64 Meter lange Limousine (BMW: 4,62 Meter) in Europa, tritt mit eckiger Front und grellem Tagfahrlicht nicht unbedingt zurückhaltend auf.

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Seinen Fahrer empfängt der Viertürer ebenso um Aufmerksamkeit heischend mit einer kleinen grafischen und akustischen Showeinlage des Infotainment-Systems. Warum auch nicht? Schließlich bleibt der Cadillac ATS dennoch in angenehmer Distanz zu Bling-Bling-Blendern. Dazu trägt auch das tatsächlich hohe Qualitätsniveau des Interieurs bei. Weiche Kunststoffe, geringe, präzise Spaltmaße, saubere Kontrastnähte - und nur wenige Bedienelemente.

Cadillac-Pilot sitzt sportlich tief

Denn zahlreiche Funktionen sind im Cue genannten Infotainmentsystem hinterlegt, dessen berührungsempfindlicher Monitor sich ähnlich wie ein Smartphone bedienen lässt. An der Logik dürfte niemand scheitern, an der Trägheit des Monitors schon eher. Doch hier geht es vorrangig um eine andere Art der Agilität: der beim Fahren natürlich - und dafür ist eine gute Sitzposition mit entscheidend. Kein Problem für den Cadillac ATS, denn so sportlich tief wie in ihm sitzt der Fahrer im BMW nicht. Zudem bieten die Sitze viel Seitenhalt und ebenso wie das Lenkrad einen weiten Verstellbereich.
 
Beim Antrieb spricht scheinbar auch alles für den Amerikaner. Sein neu entwickeltes Vierzylinder-Triebwerk leistet 276 PS und entwickelt ein maximales Drehmoment von 353 Newtonmeter, das der Direkteinspritzer bei 1.700 Umdrehungen an die Hinterräder schickt (Allradantrieb für beide Kontrahenten optional). Mit einem Druck auf den inzwischen offenbar unvermeidlichen Startknopf startet der ATS zur Aufholjagd auf den BMW Dreier - zunächst jedoch einigermaßen enttäuschend.

BMW gewinnt die Sprint-Duelle deutlich

Das liegt nicht unbedingt an der drögen Akustik des Turbomotors, sondern vielmehr an den mäßigen Beschleunigungswerten. Beim Standardsprint auf 100 km/h hechelt der Cadillac mit einer Zeit von 7.0 Sekunden nicht nur dem 328i hinterher, sondern verfehlt auch seine Werksangabe deutlich. Bei den Zwischenspurts sieht der ATS ebenfalls nur die Rückleuchten des BMW.
 
Zwischenspurts? Richtig gelesen. Sowohl das Automatikgetriebe des BMW als auch das des Cadillacs erlauben diese Disziplin, weil sie beide die Gänge halten. Im Fall des Amerikaners wären damit die positiven Eigenschaften des Getriebes aufgezählt - und zwar ausnahmslos alle. Das Sechsstufen-Zahnrad-Sammelsurium raubt ihm gefühlt mindestens 30 PS, reagiert träge auf Schaltbefehle und lässt sich viel Zeit beim Gangwechsel.
 
Na, Bob, vielleicht ist der Dreier doch eine Nummer zu groß für den Cadillac ATS? Der wittert jedoch bereits Kurven - und führt den BMW lässig vor. Überschaubare und nahezu perfekt ausbalancierte 1,6 Tonnen schwer - gilt übrigens gleichermaßen für den 328i - stürzt er sich in Kurven wie ein Leistungsschwimmer ins Wasser nach dem Startschuss. Die von ZF zugekaufte Lenkung setzt die Wünsche des Fahrers nahezu ohne Reaktionszeit um und ermöglicht ihm einen direkten Draht zu den Vorderrädern. Schnelle und präzise Reaktionen? Kein Problem, der ATS informiert rechtzeitig - umso erstaunlicher, weil es sich um eine elektromechanische Konstruktion handelt.
 
Um sich aus brenzligen Situationen zu retten, benötigen ATS-Piloten die Lenkung jedoch selten. Das mit adaptiven Dämpfern, Vierlenker-Vorderachse und Fünflenker-Hinterachse - inklusive Differenzial mit 40 Prozent Sperrwirkung - ausgerüstete Fahrwerk lässt kaum Seitenneigung zu und bietet im Verbund mit der 18-Zoll-Bereifung ein derart hohes Gripniveau, dass ihm selbst der Asphalt von Hockenheim Respekt zollt. Lange folgt der Viertürer neutral der Ideallinie, bettelt geradezu um höhere Kurventempi, bevor das nach außen drängende Heck um etwas weniger Gaseinsatz im Sinne der Bestzeit bittet.

Was will der 328i dem noch entgegensetzen? Fahrwerkstechnisch nicht viel, obwohl ein Blick in die technischen Daten verrät, dass sich die Amerikaner den Bayern wirklich ganz genau angesehen haben. Doch der BMW verschenkt viel Dynamik-Potenzial durch eher auf hohen Komfort und geringen Rollwiderstand ausgelegte Bereifung.

Reifen rauben dem BMW Dynamik-Potenzial

So lenkt er weniger präzise ein, untersteuert dabei leicht und zeigt sich Lastwechselreaktionen durchaus aufgeschlossen. Weshalb es schwer fällt, den an sich handlich wirkenden Dreier wirklich flüssig zu fahren. Natürlich bleibt der BMW weit davon entfernt, einen bräsigen Eindruck zu hinterlassen, sonst würde der Zeitabstand zu Cadillac größer ausfallen. Das verdankt er allerdings vorwiegend dem (bis auf den Küchengeräte-Klang) großartigen Turbo-Benziner. Kaum ein aufgeladener Motor in dieser Klasse spricht derart spontan an, tobt sich ähnlich engagiert durch sein weites Drehzahlband bis 7.000/min.
 
7.000? Bitte, gern. Zudem versüßt er gleichermaßen den Alltag mit seinem Vollkorn-Drehmoment knapp über dem Leerlauf. Und auch wenn die Übersetzung der Automatik auf dem Kleinen Kurs speziell zwischen der zweiten und dritten Stufe nicht ganz passt, so klatscht sie die des ATS mit ihren um Galaxien schnelleren und harmonischeren Gangwechsel einfach an die Wand.
 
Was zählt noch zu den Stärken des dereinst strahlenden Fahrdynamik-Helden der Mittelklasse? Die deutlich besser ablesbaren Rundinstrumente beispielsweise - okay. Aber mit seinem vor allem im Fond geräumigeren und variableren Interieur und dem beachtlichen Federungskomfort (den hat Cadillac übrigens vergessen) kann der BMW diesen Vergleich nicht gewinnen. Diesmal hat Bob Lutz bei der Wahl des Gegners nicht zu hoch gegriffen.

Technische Daten
BMW 328i Cadillac ATS 2.0 Turbo Elegance
Grundpreis40.700 €39.580 €
Außenmaße4624 x 1811 x 1429 mm4644 x 1805 x 1427 mm
Kofferraumvolumen480 l381 l
Hubraum / Motor1997 cm³ / 4-Zylinder1998 cm³ / 4-Zylinder
Leistung180 kW / 245 PS bei 5000 U/min203 kW / 276 PS bei 5500 U/min
Höchstgeschwindigkeit250 km/h240 km/h
0-100 km/h5,7 s7,0 s
Verbrauch6,3 l/100 km8,2 l/100 km
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Sport Auto 03 / 2022
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Erscheinungsdatum 04.02.2022

132 Seiten