Caterham Roadsport 175
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Auffallen um jeden Preis? Kein Problem mit dem Caterham Seven Roadsport 175, der auf dem legendären Lotus Super Seven basiert. Das Spaßmobil mit 175 PS bei einem Gewicht von 550 Kilogramm ist schon ab 38 500 Euro zu haben. Im Preis inbegriffen: eine rasante Zeitreise.

Caterham Roadsport 175
Foto: Frank Herzog

Etwas in die Jahre gekommener, aber rüstiger und abenteuerlustiger Herr von schlanker Gestalt sucht abgehärtete und lebensfrohe Person, mit der sich bei jedem Wetter Pferde stehlen lässt. Würde der Caterham Roadsport 175 eine Kontaktanzeige aufgeben, um den passenden Partner zu finden - sie würde so oder so ähnlich lauten.

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Die Beziehung, die sich daraus ergeben könnte, wäre vermutlich von Dauer. Der Caterham ist kein Charakter, mit dem man einfach nur ein paar nette Jahre verbringt - ihm hält man ein Leben lang die Treue. Denn der Lotus Super Seven-Nachfolger, dessen Konstruktionsprinzip schon mehr als 50 Jahre überdauert hat, ist ein Auto, das man eigentlich nicht braucht. Und eben diesen überflüssigen Luxusgütern halten wir ja vergleichsweise gern ein ganzes Leben die Treue.
 
Wenngleich beim Wort Luxus so mancher Caterham-Besitzer laut lacht. Radio, Navigationssystem, Sitzheizung - alles Schnickschnack. Bei der Fahrt im Caterham Seven Roadsport 175 braucht es allenfalls ein Lederkäppi, eine Fliegerbrille und eine dicke Zigarre. Zwar erinnert die Position hinterm Steuer des knapp geschnittenen Roadsters ohnehin eher an eine Seifenkiste denn an ein Auto. Aber diese Extras machen das Rennfahrer-Feeling erst perfekt. Auf alles andere lässt sich passend zum derzeitigen Rezessions-Schick gut verzichten.
 
"Keep it simple" lautete das Motto der Ingenieure. Das macht sich auch im Preis bemerkbar. Ab 38.500 Euro ruft Caterham für seinen Roadsport 175 auf. Das Kürzel lässt ahnen, was den Kunden für diesen Betrag erwartet: 175 Pferdestärken. Für sich betrachtet im Sportwagensegment sicher keine spektakuläre Zahl. In Kombination mit dem Fliegengewicht von 550 Kilogramm aber schon. Bisher gab es den Roadsport nur mit einem 1,6-Liter-Motor, der 120 PS leistet. Mit dem neuen 2,0-Liter-Ford Duratec steht ihm also ab sofort ein großer Bruder zur Seite. Jener soll in weniger als fünf Sekunden von Null auf Hundert sprinten. Um dies zu testen, muss sich der Fahrer bei geschlossenem Verdeck aber erst einmal mit akrobatischen Verrenkungen in das Badewannen-große Cockpit zwängen. Kleiner Tipp: Das abnehmbare tellergroße Lenkrad ist eine lohnenswerte Investition - Ihre Knie werden es Ihnen danken.

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Und als wären ein paar blaue Flecken nicht genug, scheint der Engländer fürs erste Rendezvous auch noch Regen bestellt zu haben, um die potenzielle Partnerin gleich auf Herz und Nieren zu prüfen. Doch das lederne Verdeck über dem Kopf - manuell auf- und abzusetzen, was sonst - stört mehr, als es hilft. Nach dem mühsamen Befestigen der Druckknöpfe beschlagen die in das Verdeck eingearbeiteten Plastikfensterscheiben. Also lieber die Regentropfen ins Gesicht klatschen lassen.
 
Das Mini-Cockpit verwandelt sich binnen weniger Minuten tatsächlich in eine Badewanne. Die winzigen Scheibenwischer, die wie Spinnenbeine aussehen, sind im Dauereinsatz. Bei den spartanischen Gegebenheiten des Zweisitzers stört aber auch das nicht mehr. Ohnehin gilt der Roadsport unter den Caterham-Modellen schon als gehobene Variante, die zusätzlich nach Herzenslust beispielsweise durch verschiedene Chassisvarianten oder Stabilisatoren zu individualisieren ist.
 
Am Armaturenbrett in Carbon-Optik sind neun Knöpfe angebracht, die das Nötigste regeln: zum Beispiel Licht, Hupe oder Start. Wird der Startknopf lang genug gedrückt, blubbert der Vierzylinder los. Für den eigentlichen Radau sorgt dann ein wildes Klappern während der Fahrt. Das Geräusch stört allenfalls Weicheier. Für jemanden, der schon einmal in einem leer geräumten Rennwagen auf der Rennstrecke unterwegs war, ist es Musik in den Ohren und mindestens genauso schön wie das Gefühl beim Tritt aufs Gaspedal. Beschleunigung von Null auf 100 km/h in fünf Sekunden? Mögliche Zweifel sind spätestens jetzt ausgeräumt.
 
Mit dem kleinen Schaltknüppel lassen sich die Gänge präzise dirigieren. Dabei stellt der Engländer mit der langen Nase stets genügend Leistung und Druck zur Verfügung. Will man der Beschleunigung allerdings Einhalt gebieten, ist Vorsicht geboten. Die äußerst schmale und eng beieinander liegende Pedalerie erfordert ein gewisses Fußspitzengefühl. Erst recht für den, der es gewohnt ist, von elektronischen Helferlein unterstützt zu werden. Denn die sind im Caterham Roadsport 175 natürlich Fehlanzeige. Kein ABS, keine Servolenkung, kein ESP. In engen Kehren ist es daher empfehlenswert, die Muckis vorher mal im Fitnessstudio zu stählen und das Bremspedal mit Schmackes zu treten.
 
Zu viel Übermut nimmt der heckgetriebene Engländer mit dem E.T.-Blick nämlich krumm. Im Regen tänzelt die Hinterachse inklusive Differenzialsperre nach Lust und Laune übers Wasser. Wird aus der Kurve heraus einen Tick zu früh das Gaspedal gestreichelt, stellt sich der Engländer mit den Semi-Slicks sofort quer. Doch trotz Sauwetter und kleinen Zickereien: Eine Partnerin fürs Leben hätte er schon gefunden.
 

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Erscheinungsdatum 04.02.2022

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