Dauertest-Bilanz Honda Civic Type R
Japanischer Kompakt-Sportler im Langzeit-Test

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Mit wenigen außerplanmäßigen Boxenstopps bewies der Honda Civic Type R im Dauertest sein Talent als treuer Begleiter. Weniger glanzvoll: Performance und Verbrauch des japanischen Kompakt-Sportlers.

Honda Civic Type R
Foto: Rossen Gargolov

Insgesamt 58.805 Kilometer und 28 verschiedene Fahrer in genau 528 Tagen - das Fahrtenbuch verrät, welche Strapazen der Langzeit-Redaktionsgast aushalten musste. Lange Autobahnfahrten, gemütliches Zuckeln im Stadtverkehr oder heiße Runden auf der Nordschleife - das Testprogramm des Honda Civic Type R war höchst umfangreich.

Für den sport auto-Härtetest rollt das Topmodell in den Dauertest-Fuhrpark. Unter der Motorhaube des kompakten Japaners trommelt ein Vierzylinder-Reihenmotor mit variabler Ventilsteuerung und 201 Pferden zum Angriff auf die sportliche Konkurrenz à la Golf GTI. Die ersten Eindrücke sprechen eine andere Sprache: „Der Motor ist eine Luftpumpe“, lautet ein subjektiver Eintrag ins Fahrtenbuch des Neuzugangs. Fakt ist: Das Honda-Triebwerk giert nach Drehzahlen und erreicht erst bei 5.600/min sein maximales Drehmoment von 193 Newtonmeter. Ab 5.400/min blitzt im Kombi-Instrument ein gelbes Lämpchen auf und verrät, dass die Nockenwellen nun in scharfer Hab-Acht-Stellung und mit längeren Ventilöffnungszeiten toben. Fünf Schaltlampen später liegt die Höchstdrehzahl von 8.400 Umdrehungen an - der kreischende Zweiliter-Sauger verlangt nach der nächsten Schaltstufe.
 
Der Honda Civic ist nichts für Schaltfaule
 
Nur die Schaltvorgänge des Sechsganggetriebes mit kurzen Schaltwegen unterbrechen die Drehzahlorgie. Während das Getriebe in den ersten vier Gängen mit präziser Gassenführung überzeugt, ist die Treffsicherheit der fünften Stufe nicht perfekt. Der Verzicht auf Gangwechsel ist allerdings auch keine Lösung. Der Civic ist nichts für schaltfaule Freunde der gemütlichen Gangart. Bei welchem Tempo auch immer - die kernige Stimme des Zweiliter-Saugers ist jederzeit unüberhörbar. Für weniger Begeisterung als der sportliche Klang sorgt der starke Durst des Zweiliter-Motors. Wer alle sechs Gänge regelmäßig bis zur Höchstdrehzahl ausreizt, erlebt an der Tankstelle eine böse Überraschung. Der Maximalverbrauch von fast 30 Litern Super Plus auf 100 Kilometer ist auch bei äußerst ambitioniertem Fahrstil nicht mehr zeitgemäß.
 
„Tank zu klein“, vermerkte der Fahrer des Maximalverbrauchs, als er bereits nach 143 Kilometern wieder an die Zapfsäule rollen musste. Im Type R mutiert selbst ein normales Tankvolumen von 50 Litern schnell zur Pfütze. Im Durchschnitt schlürfte der Kompaktsportler 11,5 Liter auf 100 Kilometer. Auch wenn der Civic mit dem Kürzel „R“ und 18-Zoll-Leichtmetallrädern, kantigen Schürzen und zweiflutiger Abgasanlage am Diffusorheck ins Sportoutfit schlüpft, stehen die Fahrdynamikwerte in keinem Vergleich zum hohen Spritverbrauch.
 
Hockenheim-Rundenzeit von 1.21,2 Minuten
 
Mit einer Rundenzeit von 1.21,2 Minuten auf dem Kleinen Kurs in Hockenheim liegt der Honda trotz ähnlicher Leistungswerte sowohl hinter dem Golf GTI der fünften (1.20,8 Minuten) als auch der aktuellen, sechsten Generation (1.19,8 Minuten). Bei der Elastizitätsprüfung muss der Civic die kompakte Sportlegende aus Wolfsburg ebenfalls ziehen lassen. Civic Type R-Piloten sollten auf der Landstraße also gründlich überlegen, ob sie einen GTI-Fahrer beim Überholen provozieren wollen. Beim Spurt auf Tempo 100 bleibt der 1.340 Kilogramm schwere Type R-Dauertestwagen deutlich hinter der Werksangabe von 6,6 Sekunden zurück. 7,3 Sekunden benötigt der Civic bei Testende und ist damit immerhin 0,3 Sekunden schneller als 17 Monate zuvor bei Beginn des Dauertests.
 
Geht der optisch getrimmte Kompakte mit diesen Werten aber noch wie sein Vorgänger als das Spaßauto mit Rennambitionen durch? Nein - 94 Kilogramm mehr Gewicht kann der aktuelle Civic nicht verbergen und muss die Rennsemmel von einst ziehen lassen. Der schmächtige Vorgänger rannte beispielsweise drei Zehntelsekunden schneller auf Landstraßentempo und über die Ziellinie in Hockenheim (siehe sport auto-Supertest, 11/2001). Wer dennoch öfter einen Besuch auf der Rennstrecke plant, sollte über eine Aufrüstung der Serienbremsanlage mit innenbelüfteten Scheiben vorn (Durchmesser 300 Millimeter) und Scheiben hinten (260 Millimeter) nachdenken. Speziell auf der Nordschleife zeigen sich nach wenigen Runden erste Ermüdungserscheinungen. Trotz guten Ansprechverhaltens und guter Dosierbarkeit neigte die Bremsanlage bei der Bremsmessung zum Fading. Der sportliche Civic stoppte nach der zehnten Vollbremsung aus Tempo 100 erst nach 38,3 Meter. Auf Bodenwellen setzt der ABS-Regelbereich außerdem zu früh ein.
 
Deutlich mehr Sportsgeist bewies die elektrische Zahnstangenservolenkung, die Lenkbefehle spontan und direkt, aber nicht nervös umsetzt. Auch bei der Höchstgeschwindigkeit von 235 km/h überzeugt der Type R mit gutem Geradeauslauf. Die straffe Fahrwerksabstimmung unterbindet Wank- und Vertikalbewegungen fast vollständig. Poltern oder Stuckern? Nicht im Type R. Dank der mit Querstreben versteiften Karosseriestruktur rollt der sportliche Kompakte äußerst stabil daher. „Dämpfer schlagen bei hohem Tempo auf Querfugen durch“, blieb die einzige Mängelrüge des Fahrtenbuchs im Fahrwerkskapitel. Trotz des sportlichen Setups schluckt der Civic erstaunlich viele Bodenwellen und bietet auch einen ordentlichen Langstrecken-Komfort.
 
Tolle Sportsitze mit gutem Seitenhalt
 
Einstimmig fiel die Meinung der Testfahrer über die Bestuhlung im Civic aus - „tolle Sportsitze mit gutem Seitenhalt“. Große Personen stört jedoch die zu hohe Sitzposition. Außerdem rastet das Gestühl nach dem Vorklappen nicht in der Ausgangsposition ein und muss jedes Mal neu justiert werden. Und wie sieht es sonst im Civic-Interieur aus? Der futuristische Raumschiff-Auftritt des Karosseriekleids setzt sich im Innenraum konsequent fort. Dennoch haben auch Pragmatiker ihre Freude. Der asiatische Sportskerl punktet mit einem angenehmen Raumgefühl und gutem Platzangebot auch in der zweiten Reihe. Das Instrumentenbrett überzeugt hingegen weniger. Trotz vertikaler und horizontaler Lenkradverstellung klagen hoch gewachsene Fahrer über den ungünstig platzierten Digital-Tacho, der vom Lenkradkranz verdeckt wird. Die verstreut angeordneten Bedienelemente bedingen beim Erstkontakt eine Eingewöhnungsphase.
 
Besser ist den Honda-Entwicklern die Verarbeitung im Innenraum gelungen. Sämtliche Materialien wirken wertig und gut verarbeitet. Selbst nach fast 60.000 Kilometern sind Gebrauchsspuren Mangelware. Sportliches Flair versprühen neben den Rennschalen auch ein Startknopf, Alu-Pedale sowie der Alu-Schaltknauf in Golfball-Größe. Letzterer sorgte allerdings bei extremen Außentemperaturen für Kritik, weil er im Sommer stark aufheizt und im Winter für Frostbeulen an der Schalthand sorgt.
 
Keine Überraschungen beim Honda Civic Type R
 
Und die Moral von der Geschicht? Als Dauertestkandidat erwies sich der Honda Civic Type R stets als zuverlässiger Begleiter. Nach 3.661 Kilometern tauschten die Mechaniker das Kombiinstrument wegen eines Elektronikdefekts auf Garantie. Bei Kilometer 39.930 ging‘s noch einmal abseits der Serviceintervalle auf die Hebebühne. Wegen verstärktem Verschleiß mussten die hinteren Bremsscheiben und -beläge gewechselt werden. Weitere unplanmäßige Boxenstopps gab es nicht. Der Type R meidet außerplanmäßige Werkstattbesuche so konsequent wie die Japaner Messer und Gabel.

Unsere Highlights

Was uns beim Honda Civic Type R aufgefallen ist:

Gutes Preis-Leistungs-Verhältnis: Xenonlicht, Einparkhilfe und Tempomat – im Grundpreis von 28.290 Euro bietet der Type R zahlreiche Extras, die bei vergleichbaren Kompaktmodellen Aufpreis kosten. Nur die Metallic-Lackierung (480 Euro) und das DVD-Navigationssystem mit 7-Zoll-Monitor (2.700 Euro) müssen extra gezahlt werden.
 
Überzeugende Verarbeitung: Der aktuelle Civic ist gegenüber seinem Vorgänger deutlich gereift. Vor allem im Innenraum überzeugt er mit gut verarbeiteten und wertig wirkenden Materialien. Auch nach rund 60 000 Kilometern zeigten die Sitze und sämtliche Kunststoffteile fast keine Gebrauchsspuren.
 
Tankinhalt und Verbrauch passen nicht zusammen: 50 Liter passen in den Tank des Type R. Bei forscher Fahrweise und einem Durchschnittsverbrauch von 11,5 Liter Super Plus auf 100 Kilometer muss bereits nach rund 400 Kilometern nach einer Zapfsäule gesucht werden. Besonders auf langen Strecken verliert man so viel Zeit.
 
Gutes Platzangebot und angenehme Variabilität: Mit einem Fassungsvermögen von 456 Liter bietet der Civic einen größeren Kofferraum als sein Konkurrent Golf GTI (350 Liter). Wer noch mehr Platz im Fond benötigt, kann die Rücksitzbank mühelos mit einem Handgriff nach vorn klappen.

Technische Daten
Honda Civic Type R 2.0
Grundpreis28.290 €
Außenmaße4270 x 1785 x 1445 mm
Kofferraumvolumen456 bis 1352 l
Hubraum / Motor1998 cm³ / 4-Zylinder
Leistung148 kW / 201 PS bei 7800 U/min
Höchstgeschwindigkeit235 km/h
0-100 km/h7,0 s
Verbrauch9,1 l/100 km
Die aktuelle Ausgabe
Sport Auto 03 / 2022
Sport Auto 03 / 2022

Erscheinungsdatum 04.02.2022

132 Seiten