TMG-Lexus TS 650 im Fahrbericht
Japanisches Dickschiff mit 650 PS

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Wenn Lexus will, entstehen so faszinierende Kracher wie der LFA oder IS-F – oder eine völlig abgedrehte Nobel-Sportlimousine wie der TMG-Lexus TS 650. In dieser Version bleibt der V8-Biturbo-Dampfer wohl ein Einzelstück. Kein Grund, ihn nicht zu fahren, oder? Wir haben's für euch ausprobiert.

TMG-Lexus TS 650, Frontansicht, Kurvenfahrt
Foto: Hersteller

Ein bisschen bitten lässt er sich ja schon, der noble Japaner. Erst ein langer Druck auf den Startknopf, begleitet vom hellen Sirren des Anlassers, kann den Motor zur Arbeit überreden. Es dauert eben ein bisschen, bis sich die Elektronik des Prototyps sortiert hat.
Aber dann: Tief donnernd kehrt Leben unter der tief dekolletierten Haube ein, bald beginnt die Luft darüber zu flirren. Was dort arbeitet, war in einem früheren Leben der Antrieb eines Lexus LS 460 – bis die Spezialisten der Toyota Motorsport GmbH (TMG) ihn in die Finger bekamen.

Unsere Highlights

Hochkarätige Gegner: Mercedes S63 AMG, Audi S8, Alpina B7

Der Auftrag aus Japan an die Truppe von TMG lautete, eine schnelle, agile und dennoch luxuriöse Limousine auf die Räder zu stellen, einen Konkurrenten zum Mercedes S63 AMG, Audi S8 und Alpina B7. Und das taten die Formel-1-erfahrenen Spezialisten, traten dabei auch gleich die Zurückhaltung des Lexus-Topmodells in die Tonne. Massive Kotflügelverbreiterungen, um mächtige 20-Zoll-Räder aufzunehmen, plustern die Karosserie des TS 650 massiv auf.

TMG-Lexus mit 345er Schlappen und Karbon-Dach

Die Reifendimension: 275/35 vorn und 345/30 hinten – da muss jemand äußerst besorgt um das Einlenkverhalten sowie die Traktion der 5,10 Meter langen Limousine gewesen sein. Nicht ohne Grund: Trotz des Daches aus Kohlefaserverbundwerkstoff sowie der ebenfalls daraus gebackenen und aerodynamisch optimierten Schweller bringt der Über-Lexus noch immer über zwei Tonnen auf die Waage. Die Krater-artigen Abluftöffnungen in der Haube haben sicher auch nur einen unwesentlichen Einfluss auf das Gewicht des TS 650.

Irgendwie geriet der Auftritt dann wohl doch etwas zu wild. Jedenfalls befindet sich kein Lexus-Logo am Fahrzeug. Abgesehen vom Gangster-Timbre in der Stimme startet der TMG-Lexus jedoch so komfortabel, wie das von einem Wagen dieser Herkunft erwartet wird. Die Sachs-Stoßdämpfer arbeiten im Comfort-Modus, was sie nicht wegfiltern, verpufft in den üppigst gepolsterten Sitzen mit kräftigem Seitenhalt und schickem Alcantara-Lederbezug. Erst der Notaus-Schalter erinnert an den Prototypen-Status.

Das Aisin-Automatikgetriebe hingegen nicht, es schlupft sanft wandlernd durch seine acht Stufen. Doch wir sind ja eingestiegen, um die wilde Seite von Lexus kennenzulernen, oder?

800 PS waren geplant, jetzt wurden es "nur" 650 PS und 765 Nm

Also Dämpfer auf Sport – der ebene Belag erlaubt das –, Getriebe in den manuellen Modus gerückt, Vollgas. Der von 4,6 auf 5,0 Liter vergrößerte Motor des TMG-Lexus erhebt mahnend die Stimme – ja, wir wollen wirklich –, die Lader beginnen mit dem Druckaufbau. Das dauert vielleicht ein wenig zu lange, denn die beiden Garrets waren ursprünglich zu Höherem berufen. Über 800 PS sollten sie dem V8 abpressen (Serie: 388 PS), doch irgendein verantwortlicher Japaner bekam kalte Füße. Jetzt pusten sie mit maximal 0,6 bar.

Erst bei rund 3.000/min lässt der TMG-Lexus durchblicken, dass es bald knallt – der Schub setzt ein. Bei 4.500/min beschleunigt der LS trotzig und brachial, jenseits von 5.000/min lässt der Druck das Gewicht vergessen machen. Erst bei 5.460 Umdrehungen mobilisiert der mit einer kombinierten Saugrohr/Direkteinspritzung ausgerüstete V8 sein oligarchisches Drehmoment von eben mal 765 Newtonmeter.

TMG-Lexus TS 650 rennt 320 km/h

In weniger als fünf Sekunden soll der Sprint von null auf 100 km/h erledigt sein, die Höchstgeschwindigkeit liegt angeblich jenseits von 320 km/h. Klar, wir glauben es ihm, zu unnachgiebig, zu ernst, zu gewaltig stürmt der Japaner voran. Die Übersetzung des Getriebes wirkt stimmig, die Gangwechsel dürften gerne noch ein bisschen schneller abgearbeitet werden. Und es wäre auch völlig okay, wenn das Getriebe des Lexus im manuellen Modus nicht selbstständig hochschalten würde.

Soweit, so gerade aus. Beim Einlenken ist sie dann wieder präsent, die schiere Masse des TMG-Produkts, denn die nun wirklich nicht unterdimensionierten Vorderreifen wimmern ziemlich beeindruckt. Ob ein ordentlicher Tapser Gas hilft?

Kontrolliertes Übersteuern dank Torsen-Sperrdiff

Nur mäßig, denn spontan herbeigeführtem Übersteuern steht die unharmonische Leistungsentfaltung des TMG-Lexus im Weg. Im zweiten Gang knickt die Drehmomentkurve bereits ab, im Dritten ist der Peak noch viel zu weit weg. Doch was soll das Gejammer? Schließlich ermöglicht die ausufernde Kraft immer mal wieder gepflegtes Leistungsübersteuern, gut kontrollierbar ist der TMG-Lexus durch das Torsen-Sperrdifferenzial an der Hinterachse auch, und selbst der mögliche Lenkeinschlag genügt vollauf.

Für eine ordentliche Linie auf der Rennstrecke muss allerdings wirklich eine andere Motorcharakteristik her – oder eben doch eine modifizierte Getriebeabstimmung.

Lexus auf Abwegen - der TS 650 schafft das im positiven Sinne

Noch besser wäre allerdings die Freigabe, mit dem ursprünglich vorgesehenen Ladedruck von einem bar fahren zu dürfen. Doch bereits jetzt herrscht beste Stimmung im edlen Luxus-Dampfer. Es ist die Freude über die markenfremde Unangepasstheit des TMG-Lexus, die Bereitschaft zu zeigen, dass es auch jenseits von effizienzgetriebener Ernsthaftigkeit ein Leben im Automobilbau gibt. Der V8 bejaht das Furcht einflößend donnernd, das Heck sucht bereits wieder die Nähe zu den Curbs, die Vorderräder jammern.

Ein paar deftige Gasstöße modellieren die Linie, die Lenkung hilft mit ausreichender Präzision, die Sitze packen kräftig zu, auch die Brembo-Keramik-Bremse des TMG-Lexus beißt ordentlich. Natürlich wäre in dieser Evolutionsstufe eine Serienproduktion keine besonders gute Entscheidung, doch es wäre schon schön, wenn eine optimierte Variante das Segment aufmischen würde – mit der Aggressivität des Prototyps.

Vielleicht klappt es ja bei der nächsten Lexus LS-Generation, mit der allerdings nicht vor Ende 2015 gerechnet werden darf. Aber so ist er eben, der Japaner: Er lässt sich gerne etwas bitten. Seine Weltpremiere hatte der TMG-Lexus TS 650 auf der Essen Motor Show 2012.

Technische Daten
Lexus TMG-Lexus TS 650
Außenmaße5105 x 1970 x 1456 mm
Kofferraumvolumen560 l
Hubraum / Motor4969 cm³ / 8-Zylinder
Leistung478 kW / 650 PS bei 6500 U/min
Höchstgeschwindigkeit320 km/h
Die aktuelle Ausgabe
Sport Auto 03 / 2022
Sport Auto 03 / 2022

Erscheinungsdatum 04.02.2022

132 Seiten