Ferrari 599 GTO im Fahrbericht
Schnellster Straßen-Ferrari aller Zeiten

Inhalt von

Der Ferrari 599 mit dem berühmten Kürzel GTO im Namen hat sich als Straßenversion des Ferrari 599XX spontan einen Freundeskreis erschlossen, der in zweierlei Hinsicht auf erhebliche Zuwächse hoffen darf – in der Wertsteigerung und in der Fahrdynamik. Wir fahren den schnellsten Straßen-Ferrari aller Zeiten.

Ferrari 599 GTO
Foto: Hans-Dieter Seufert

Der Plot zeigt geniale Züge: Man nehme den gesellschaftlich derzeit etwas aus dem Fokus gerückten Ferrari 599 GTB Fiorano, forme ihn aufwendig um zu einem sündhaft teuren, auf 30 Exemplare reduzierten Downforce-Rennwagen namens Ferrari 599XX, fahre zum Nürburgring und setze mit ihm auf der Nordschleife eine Duftmarke in Form einer Rundenzeit von 6.58 Minuten (Hier geht es zur Nordschleifen-Rekordrunde im Ferrari 599XX mit Video).

Alle Ferrari 599 GTO zum Preis von 317.500 Euro verkauft

Derart wird vor diesem fahrdynamisch elektrisierenden Hintergrund ein neues Kapitel in der Geschichte des GTO aufgeschlagen. Der Erfolg dieses Drehbuches drückt sich im Ergebnis folgendermaßen aus: 30 verkaufte 599XX – Stückpreis 1,3 Millionen Euro (hier kommen Sie zum exklusiven Fahrbericht Ferrari 599XX). Auch die avisierten 599 raren Exemplare des nunmehr zwischen dem Rennmodell 599XX und der Ausgangsbasis 599 GTB Fiorano positionierten Straßensportlers Ferrari 599 GTO sind schon jetzt allesamt verkauft – zum Preis von 317.500 Euro.

Unsere Highlights

Ferrari-Supersportler mit GTO im Namen

Das GTO im Namen des neuen Ferrari-Supersportlers, von dem das Werk sagt, er sei der schnellste je gebaute Straßen-Ferrari, hat freilich auch etwas Magisches: „Gran Turismo Omologata“ist das Synonym für eine Instanz, die in der Geschichte des Automobils eine überragende Hauptrolle gespielt hat. Mit einem Marktwert jenseits von zehn Millionen Euro während des Hypes zur Hochzeit gilt der Ferrari 250 GTO aus dem Jahr 1962 als eines der automobilen Kunstobjekte, deren weltweite Begehrtheit die Verfügbarkeit schon immer um ein Vieltausendfaches überstiegen hat. Schließlich wurden von ihm auch nur 15 Stück gebaut. Der bislang einzige namentlich genauso gekennzeichnete Nachfolger aus dem Jahr 1984, der Ferrari 288 GTO, hat es hinsichtlich des Wertsteigerungspotenzials zwar nicht ganz so weit gebracht, zählt aber gleichfalls zu den extrem gesuchten Preziosen, die das Inventar der automobilen Hautevolee in höchstem Maße schmücken können

Der 599 GTO hat „nur“670 PS im Vergleich zum 730 PS starken 599XX

Nun also der 599 GTO, Jahrgang 2010: Analog des berühmten Ahnen auch ein zweisitziges Front/Mittelmotor-Coupé im typischen Berlinetta-Style. Und mit einem Zwölfzylindermotor ausgestattet, der alles auf sich zu 100 Prozent vereint, was gemeinhin mit einem Ferrari-Aggregat der Superlative in Verbindung gebracht wird: Faszination, Ästhetik, Klanggewalt, um nur einige Aspekte zu nennen.

Das Sechsliter-Triebwerk basiert grundsätzlich auf dem 620-PS-Motor des GTB Fiorano, zeigt sich in seinem bewegten mechanischen Innern aber fast identisch mit der Motorvariante, die im 599XX gerade ihre absolute Hochkultur erlebt. Gegenüber der Ausgangsbasis weist dieser Motor beispielsweise eine um zwölf Prozent minimierte innere Reibung auf, was nicht nur der Leistung, sondern laut Ferrari auch dem Spritkonsum zugute kommen soll. Letztgenannter Aspekt dürfte in diesem Genre allerdings einen eher nachrangigen Charakter haben. Vom grandiosen Leistungsoutput des 599XX ist die neue GTO-Variante allerdings mit Rücksicht auf den alltäglichen Gebrauchswert ein kleines Stück weit entfernt: Statt 730 PS wie im 599XX sind im 599 GTO 680 Pferdestärken (500 kW) versammelt. Das Drehzahllimit liegt hier nicht erst bei 9.500/min an, sondern bei gemäßigteren 8.400 Umdrehungen.

Mit dem neuen, von der Rennversion entlehnten Ansaugsystem und der pro Zylinderbank mit einer speziellen 6-in-1-Formation aufwartenden Abgasanlage zeigt die Peripherie des schon optisch zum Niederknien reizenden 65-Grad-V12 das typische Umfeld eines Multi-Tasking-Künstlers: Das 680-PS-Kraftwerk ist beileibe nicht bloß darauf ausgelegt, extrem leistungshungrigen Ferraristi Respekt abzuringen, sondern liefert zugleich auch eine Soundqualität, die als betörende Botschaft weltweites Gehör finden wird – frei nach dem Motto: „Hört her, wes guten Geistes Kind ich bin.“

Ein Intermezzi von Gewicht, Reifen und Motor bescheren einen unvergleichlichen Proberitt

Das sich anlässlich des ersten Proberitts zwischen den Hügeln von Mugello ausbreitende Schreien des Zwölfzylinders hat in seiner Dominanz nachhaltige Wirkung. Daher wird auch die Beziehungskiste zum Profi-Renner 599XX spontan als deutlich enger empfunden als jene zur technischen Basis Ferrari 599 GTB Fiorano. Kein Wunder: Neben dem spürbaren Leistungszuwachs ist es auch das um 100 Kilogramm geringere Gewicht, das dem querdynamischen Tatendrang des GTO Flügel zu verleihen scheint. Die wie mit Druckluft im Augenzwinker-Tempo eingeschossenen Gänge und das dazwischen im Sekundentakt grandios anschwellende Klanggewitter des Zwölfzylinders formieren sich auf den Geraden zu begeisternden Intermezzi inmitten eines von beachtlichen Querkräften dominierten Kurvenprogramms.

Die in der Breite deutlich gewachsenen Reifenformate – 285/30 vorn und 315/35 hinten; beide im 20-Zoll-Durchmesser – tragen einen Großteil dazu bei, dass es um die sportlichen Talente des 599 GTO nunmehr deutlich besser bestellt ist als beim 599 GTB Fiorano. Und der war auf der Nordschleife gleichfalls schon mit einer Rundenzeit von 7.47 Minuten vorstellig geworden (hier kommen Sie zum Supertest Ferrari 599 GTB). Die von Michelin speziell für den GTO entwickelten Sportreifen mit dem Namen Pilot Super Sport werden ihrer anspruchsvollen Aufgabe in diesem qualifizierten Umfeld insofern gerecht, als sie das Querbeschleunigungs-Potenzial des zweisitzigen Sportcoupés messbar verbessern ohne – wie Ferrari betont – wie die Cup-Reifen von Michelin eine offene Flanke in puncto Nassgripverhalten aufzuweisen.

Dank Elektronik hat der Ferrari 599 GTO schon fast Kultformat

Das durch die extrem breiten Vorderräder und das sportliche, aber wundersamerweise kaum den Komfort schmälernde Fahrwerk-Setup generierte, zackige Einlenkverhalten hat im Ernstfall der Grenzbereich-Überschreitung allerdings auch Konsequenzen – zumindest dann, wenn der Manettino-Schalter auf „CST off“zeigt. Die schon mit einer sanften Fußbewegung loszueisende Drehmoment- Fülle des Sechsliter-Saugers zeigt in Kurven eine solch unmittelbare Wirkung auf die Antriebsräder, dass selbst deren hohes Seitengrip-Potenzial schneller erschöpft ist, als einem lieb ist.

Der serienmäßig latent wirksame, bei gekonnter Handhabung aber durchaus auch zähmbare Modus des Power-Oversteering lässt sich jedoch elegant umgegen, wenn die „Race“-Funktion eingestellt ist und daher mit kompetenter Unterstützung diverser elektronischer Fahrhilfen – Stichwort Traktionskontrolle – gerechnet werden kann. Unter Vollgas dann aus dem Kurvenscheitelpunkt heraus auf die nächste Gerade hinzuzirkeln, diese im Zeitraffer aufzusaugen um am Ende nach brachialer Verzögerungsleistung die nächste Biegung in Angriff zu nehmen, hat im großen 599 GTO schon fast Kultformat.

Kein Zucken des Hecks, kein Quersteher und auch kein Sägen am Lenkrad: Nur die durch die Regeltechnik gedämpften Schreie des Zwölfzylinders weisen im Kurvenausgang akustisch darauf hin, dass es nicht der Fahrer allein ist, der die Biegung hier so bravourös meistert. Von einer elektronischen Zauberhand geführt zu werden, muss in Zeiten zunehmender Elektrifizierung letztlich auch nichts Verwerfliches mehr sein – solange es schnell macht ...

Technische Daten
Ferrari 599 GTO
Außenmaße4710 x 1962 x 1326 mm
Kofferraumvolumen320 l
Hubraum / Motor5999 cm³ / 12-Zylinder
Leistung493 kW / 670 PS bei 8250 U/min
Höchstgeschwindigkeit335 km/h
Verbrauch17,5 l/100 km
Die aktuelle Ausgabe
Sport Auto 03 / 2022
Sport Auto 03 / 2022

Erscheinungsdatum 04.02.2022

132 Seiten