Ford Focus ST Turnier vs. Skoda Octavia RS im Test
Familienkutschen im Adrenalin-Rausch

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Wenn aus dem Sportwagen aus anderen Umständen ein Kombi werden soll, warum dann nicht einfach einer, der sich wie ein Sportwagen fährt? Ford Focus ST Turnier und Skoda Octavia RS Combi kümmern sich um den Familienalltag - aber auf die Schnelle! Wir haben beide Familienkutschen im Vergleichstest.

Ford Focus ST Turnier, Skoda Octavia RS Combi, Seitenansicht
Foto: Rossen Gargolov

An dieser Stelle denken wir erst kurz in verklärter Erinnerung an den Opel Kadett E Caravan Club Special. Dem steckten die Techniker 1991 den Zweiliter-Benziner aus dem GSi unter die Haube, womit der Club Special der erste sportliche Kompaktkombi war. Oder das, was wir damals mit 115 PS für einen sportlichen Kombi hielten. Bis sich die Idee des leistungsstarken Kombinationskraftwagens in der Kompaktklasse aber so richtig durchsetzte, war der größte Anteil der E-Kadetts schon vom Rost zerzaust. So gibt es den Skoda Octavia erst seit 2000 als RS, den Ford Focus ST Turnier erst seit 2012.

Unsere Highlights

Alltagstaugliche Kombis für sportliche Väter

Und weil das hier im Test Kombis sind, müssen wir noch ein paar Worte zu den sperrigen Begriffen von Alltagstauglichkeit und Funktionalität unterbringen. Nennen wir also üppige Ladevolumina beim Ford Focus ST Turnier 490 bis 1.516 Liter, beim Skoda Octavia RS Combi 610 bis 1.740 Liter - ungedrängte Platzverhältnisse und leicht nutzbare Isofix-Kindersitzverankerungen für alle, die alltags- und vernunftentscheidungstaugliche Kaufargumente brauchen.

Wobei es dem Ford Focus ST Turnier leichter gelingt, sich davon frei zu machen. Die Ford-Burschen möblieren ihn vorn mit klammerengen Recaros, die mit ihrem dicken Gestell den Fondraum bedrängen - nur als Info für all diejenigen, die da mal sperrige Kindersitze reinzimmern müssen. Drinnen gibt es dann noch Sportlenkrad und -pedale, draußen die komplette ST-Fassade mit Schwellern und dem Mittel-Doppelendrohr in der Heckschürze. Alles eher diskorelevant als diskret.

Der Skoda Octavia RS Combi dagegen ginge auch als leicht aufgerüschter Greenline durch. Ja, die ganze Dynamikeinrichtung ändert nichts an seiner pragmatischen Art. Er mag die Vernunft nicht lassen, und wenn man ihm überhaupt etwas vorwerfen kann, dann eben das.

Beim Skoda Octavia RS Combi regiert die Vernunft

So ein Skoda Combi treibt dich nicht an, schon weil er alle Eile verharmlost. Sein Zweiliter-Turbobenziner legt im Test kultiviert los, zieht und dreht dann nachdrücklich statt wild. Aber selbst dann hoch in Richtung sechsfünf informiert die Schaltempfehlung darüber, dass es sich im höheren Gang sparsamer führe. Das Gaspedal hat eine Zwischenstufe, damit du es nicht zu oft oder zu leichtfertig in den Teppich drückst. Dazu gibt es noch den Eco-Modus, der Motorleistung und Klimatisierung dimmt. Ja, der Skoda Octavia RS Combi scheint sich selbst zu fragen, ob das denn alles nötig ist, 220 PS und 350 Nm. Eigentlich täte es doch auch der 184 PS starke, sparsamere Turbodiesel, nein, eigentlich besser noch der mit 105 PS.

Damit wir uns recht verstehen, der Octavia RS ist ein hervorragendes Auto. Aber du musst dich mehr anstrengen, dass du etwas von seiner Brillanz spürst. Da hilft es schon mal sehr, wenn es wie in unserem Test der RS mit manuellem Sechsganggetriebe ist und nicht einer mit dem Sechsgang-Doppelkuppler. Der nämlich wechselt die Gänge entweder zu träge oder zu nervös. Im Handschalter fährt sich der Skoda Octavia RS Combi gleich viel engagierter.

Servolenkung des Skoda fühlt sich grob an

Dazu soll auch die Progressivlenkung mit ihren kleineren Lenkwinkeln beitragen. Auch die stammt aus dem VW Golf GTI, wirkt hier aber gefühlskälter und rückmeldungsärmer. Zudem reagiert ihre elektrische Servounterstützung aus der Nulllage heraus mit einem zu hohen Losbrechmoment - kleine Lenkkorrekturen werden so eckig.

Es bleibt ein kleiner Makel an einem Auto, das mit großer Ausgewogenheit überzeugt und schnell über die Runden kommt. Trotz des Defizits von 30 PS gegenüber dem Focus verliert der Skoda im Vergleichstest nur 0,7 Sekunden auf dem Kleinen Kurs in Hockenheim. Da lässt er das Heckzappeln beim Lastwechsel sein. Um hohe Fahrsicherheit kümmert sich das nicht komplett abschaltbare ESP, um bessere Traktion als beim Ford die elektronisch per Bremseingriff simulierte Differenzialsperre XDS. So schiebt sich der Skoda Octavia RS Combi fast so eilig durch den Slalom wie der Ford Focus ST Turnier, viel undramatischer zudem.

Und weil der Vierzylinder der neu entwickelten Generation EA888 mit so viel Wumms und so wenig Krach über die Autobahn zieht, der Skoda Octavia RS Combi dazu mit dem straff, aber komfortabler abgestimmten Fahrwerk die Langstrecke beherrscht, hat er uns fast eingewickelt. Wie schön unaufgeregt, ja fast nebensächlich schnell, so ein RS. Und so vernünftig.

Ford Focus ST Turnier ist ein unvernünftiger Spaßmacher

Doch dann krawallt uns der Ford Focus ST Turnier im Test zurück zur Kritik an der reinen Vernunft. So, Freunde, und wer noch immer dahergreint, dass Ford den Fünfzylinder aus dem alten ST durch den aufgepumpten Vierer ersetzt hat: Hört mal auf das soundgenerierte Bollern der Downsize-Maschine, die vor Drehmoment nur so strotzt. Und damit fast schon beim Ausparken die Lenkung schikaniert. Die hat, so informiert die Presseabteilung stolz, neben einer neuen variablen Übersetzung und spezieller Elektrokalibrierung die sogenannte Torque Steer Compensation, die Antriebseinflüsse ausgleichen soll. Ja nun: soll.

Der Wumms des Motors hackt beim Test dennoch in die Lenkung, ständig sogar, dafür sorgt sie mit geringerer Servounterstützung für gefühlsechtere Rückmeldung und mehr Präzision - aber auch für einen geradezu beeindruckend sperrigen Wendekreis.

Der Turbo scharrt gewaltig mit den Gummis

Aber wir wollen ja nicht einparken, sondern fahren. Und daraus macht der Ford Focus ST Turnier ein echtes Ereignis. So beschleunigt er im Test mit hoher Motivation, unhomogenisiertem Turboschub und wenig Traktion gleichsam in Wellen: Gas - Räder drehen durch - Traktionskontrolle regelt - regelt nicht mehr - Räder drehen durch - TC regelt - und so weiter den Berg hoch oder zumindest in den dritten der sechs leicht und präzise schaltbaren Gänge. So richtig legt er nämlich erst da los. Davor scharrt er sich trotz der Mehrleistung ein Zehntel langsamer aus dem Stand auf Tempo 100 als der Octavia RS.

Aber wer Vollgas gibt, muss eben auch Vollgas geben können, findet der ST. Und wer in Kurven vom Gas geht, muss eben auch Lastwechselkicks einfangen können. Denn selbst in seiner strengsten Kennlinie reagiert das ESP da eher antiautoritär, erlaubt zudem eine Sportstellung mit noch größeren Heckschwüngen oder das komplette Abschalten. Du musst wissen, was du kannst, im Ford Focus ST Turnier.

Der Ford Focus ST Turnier ist ein Kombi für Könner

Und genau darin liegt der besondere Reiz - ach was Reiz, die Großartigkeit - des Focus. Er federt bolziger, röhrt lauter und ist mit kalten Reifen auf der Strecke giftiger, aber insgesamt in unserem Test eben auch schneller als der 40 Kilogramm leichtere Skoda Octavia RS.

Ja, am Ende von ein paar schnellen Runden qualmen die Bremsen ganz ordentlich, aber dafür war da auch richtig was los: Turbopfeifen bei vehementer Beschleunigung, Lenkungsgezerre bei brillantem Handling und ein Lastwechselschwenken, mit dem Könner den Kombi perfekt auf der Ideallinie platzieren können.

Es ist übrigens die einzige Linie, auf die sich der Focus ST Turnier bringen lässt.

Technische Daten
Skoda Octavia Combi RS 2.0 TSI RSFord Focus Turnier ST ST
Grundpreis31.350 €29.200 €
Außenmaße4685 x 1814 x 1452 mm4556 x 1823 x 1505 mm
Kofferraumvolumen610 bis 1740 l490 bis 1516 l
Hubraum / Motor1984 cm³ / 4-Zylinder1999 cm³ / 4-Zylinder
Leistung162 kW / 220 PS bei 4500 U/min184 kW / 250 PS bei 5500 U/min
Höchstgeschwindigkeit244 km/h248 km/h
0-100 km/h6,6 s6,7 s
Verbrauch6,3 l/100 km7,2 l/100 km
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Sport Auto 03 / 2022
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Erscheinungsdatum 04.02.2022

132 Seiten