Kontroversen in der VLN
Zwischen Politik und Sport

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Mit Karl Mauer hat die VLN neuerdings einen alleinigen Geschäftsführer und einen starken Mann an der Spitze. Zuvor brachte das Chaos rund um den fünften VLN-Lauf die Langstreckenmeisterschaft ins Wanken. Beim sechsten Rennen schien sich die Stimmung zu beruhigen - wäre da nicht wieder ein Detail gewesen.

Impressionen - VLN Nürburgring - 6. Lauf - 2. August 2014
Foto: Stefan Baldauf

Manchmal braucht es einen heftigen Donnerschlag, um aufzuwachen. Beim fünften VLN-Lauf war das laute Donnern nach langem Grollen längst überfällig - sowohl für die Teilnehmer als auch für die Organisation.

Nach der zweistündigen Verspätung des Rennstarts aufgrund von 58 Gelb-Vergehen wurden jede Menge Diskussionen losgetreten. Einige Teilnehmer meckerten über das amateurhafte Vorgehen der VLN bei der Abarbeitung der Strafen, andere über den fehlenden Respekt der Fahrer untereinander. Beide Seiten waren im Recht.

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Wie brisant die Lage insgesamt ist, zeigt die Tatsache, dass es mittlerweile schwierig geworden ist, überhaupt noch eine Rennversicherung für ein Auto in der VLN abzuschließen. Den Versicherungsunternehmen war das Schlachtfeld in der Vergangenheit zu groß.

VLN saß auf einem Pulverfass

Im Grunde genommen saß die VLN nach den vergangenen Rennen auf einem Pulverfass, das beim fünften Rennen schließlich explodierte. Nach dem Rennen kam es zu einem regen Mail-Austausch zwischen Uwe Alzen, der VLN und verärgerten Teamchefs. Am Dienstag vor dem sechsten VLN-Lauf platzte mit dem Rücktritt von VLN-Vorstand Karl Mauer die nächste Bombe.

Das Motorsport-Urgestein begründete seine Entscheidung damit, weder persönlich noch moralisch eine Möglichkeit zu sehen, seinen Vorstandsposten weiterhin wahrzunehmen. Ein weiteres Zeichen, das der Organisation zu denken geben sollte. Mit Erfolg: Aus dem Rücktritt wurde für Mauer mehr als eine Woche später der Posten des alleinigen Geschäftsführers der VLN - dank einiger interner Umstrukturierungen. Damit wurde man dem Wunsch vieler Beteiligter gerecht, die eine starke Hand an der Spitze forderten.

Doch der Reihe nach: Am Donnerstagabend vor dem sechsten Lauf trafen sich VLN-Vertreter, Teamchefs aus dem Amateur- und Profisport sowie Fahrer aus beiden Lagern und steckten die Friedenspfeife an. Ein entscheidender Schritt. Dass es nur miteinander geht, hatten zuvor viele bei dem Gemetzel auf und neben der Strecke vergessen.

Unter anderem waren Olaf Manthey, Christian Menzel, Uwe Alzen, Karl Mauer, Wolfgang Schuhbauer von Aston Martin, Peter Schmidt von Car Collection und Alex Böhm von Black Falcon an der Diskussion beteiligt. Das Ergebnis? Die Mehrheit der Teilnehmer verließ den Saal mit dem Gefühl, dass bei der Aussprache jede Menge Verbesserungsvorschläge herausgekommen sind. Es gab zuvor zwar schon gemeinsame Runden von Teilnehmern und VLN, die aber selten so konstruktiv und sachlich abliefen.

Probleme lassen sich nicht allein auf Organisation schieben

Eines vorweg: Die Probleme, mit denen sich die VLN derzeit konfrontiert sieht, lassen sich nicht allein der Organisation oder den Teilnehmern zuschreiben. Vielmehr ist die Thematik äußerst komplex. Vielleicht, weil man sie nicht früher angegangen ist. Hinzu kommen Kommunikationshürden, wie sie jeder aus einer Partnerschaft kennt.

Die Fachsimpeleien im Fahrerlager und Ratschläge an die VLN-Organisation sind zwar oft gut gemeint, jedoch beschäftigt sich selten jemand mit der Realisierbarkeit. Wer zum Beispiel grüne Flaggen direkt nach der Unfallstellewie beim 24h-Rennen fordert, vergisst oft, dass dazu das nötige Streckenpersonal vorhanden sein muss. Die Rekrutierung von genügend Leuten, die sich freiwillig hinter die Planke stellen, ist für zehn Rennen im Jahr schwieriger als für eine einzelne Veranstaltung.

Die entscheidende Frage bleibt: Wie kam es zu den vielen Unfällen, und wie lassen sich diese in Zukunft vermeiden? "Es liegt nicht nur an den Geschwindigkeitsunterschieden", sagt Olaf Manthey. "Die hatten wir früher rauch schon. Allerdings haben sich damals die schnellen Autos durch unterschiedliche Strategien auch anders im Feld verteilt."

Racing ist Zeitdruck

Heute rauschen die GT3-Brummerwie an einer Perlenkette durchs Feld und kämpfen durch die Ausgeglichenheit um jede Zehntelsekunde. Da bleibt keine Zeit, zwei Kurven bis zum Überholmanöver zu warten. Dafür ist der Wettbewerbsdruck einfach zu hoch. "Das gilt genauso für die kleineren Klassen", sagt Uwe Ebertz, der gemeinsam mit Daniel Zilsund Norbert Fischer die Fahrerwertung im BMW M235i Racing Cup anführt: "Wegen des hohen Niveaus geht es auch bei uns um jede Zehntelsekunde."

Im Mittelpunkt der Debatten steht der Code 60 und dessen Umsetzung. Es herrscht Einigkeit darüber, dass etwas geändert werden muss. Dirk Adorf traf für viele den Nagel auf den Kopf: "Ein großes Problem ist die Eindeutigkeit und Sichtbarkeit der Signale." Bei den gelb blinkenden Flashlight-Tafeln an der Strecke darf zum Beispiel noch überholt werden - das irritiert so manchen. Zudem werden gelbe Flaggen übersehen, oder die Fahrer sind sich nicht sicher, ob danach wirklich eine Doppel-Gelb-Phase kommt. Manche bremsen aus Unsicherheit bei Einfach-Gelb geschwenkt auf 60 km/h herunter und verursachen Auffahrunfälle.

Für das kommende 6h-Rennenist eine Code-60-Tafel in Planung, die bei der vorausgehenden gelben Flagge gezeigt wird, um die Fahrer vorzuwarnen, dass ein Doppel-Gelb-Abschnitt folgt. Auch eine Anzeige wie das sogenannte Delphi-Licht am Armaturenbrett aus den USA wird diskutiert. Daneben ist nicht nur beiden Piloten große Unsicherheit im Umgang mit der Gelb-Thematik zu beobachten. Beim sechsten VLN-Lauf wurde bei einem liegen gebliebenen Auto am Streckenrand in mehreren Fällen Doppel-Gelb geschwenkt, was in diesem Fall nicht nötig ist. Eine noch intensivere Schulung der Marshalls steht deshalb ebenfalls auf der Agenda.

Neuer Strafenkatalog in der VLN

Ein wichtiges Zeichen setzte die VLN mit der Einführung des Bulletins 16 pünktlich vor dem sechsten Lauf. Es regelt fortan die Bestrafung bei Doppel-Gelb-Verstößen. Wer im Qualifying zu schnell unterwegs ist, wird bei 60 bis 80 km/h mit einer Durchfahrtsstrafe im Rennen gezügelt, bei 80 bis 100 km/h setzt es eine Stop-and-go-Strafe. Wer 100km/h überschreitet, muss sich der individuellen Entscheidung des Rennleiters beugen.

So lassen sich Verzögerungen der Startaufstellung wie beim fünften Lauf vermeiden. Nach dem Training werden die Temposünder öffentlich ausgehängt. Danach haben die Beschuldigten eine halbe Stunde Zeit, Einspruch zu erheben. Sobald der Fall abgearbeitet ist, wird dem Fahrzeug im Rennen die Strafe angezeigt - im Idealfall bereits zu Beginn, um Verzerrungen des Rennverlaufs zu vermeiden. Wer im Rennen gegen die Regeln verstößt, wird je nach Geschwindigkeit mit einer Rückversetzung nach Zieleinlauf bestraft.

Und siehe da: Der transparente Strafenkatalog zeigte Wirkung. Im Qualifying wurden nur zwei Fälle gemeldet, im Rennen ging es deutlich gesitteter zu. "Die Fahrweise war wirklich moderater", so Rowe-Teambesitzer Michael Zehe. Offensichtlich hat es bei vielen nach eindrücklichen Worten in der Fahrerbesprechung klick gemacht - dass man beim Herunterklappen des Visiers kein Ritter mit Rüstung und Schwert ist, sondern einen Rennoverall trägt und ein Lenkrad in der Hand hält.

Nordschleifen-Lizenz ab 2015

Dirk Groneck, amtierender Meister im Renault Clio, sagt: "Ich fand es völlig richtig, dass die Rennleitung beim letzten Mal ein Zeichen gesetzt hat, sonst wäre man unglaubwürdig geworden. Da nehme ich es auch in Kauf, weniger fahren zu können. Es geht auch um das Miteinander. Wir fahren zum Beispiel oft im direkten Kampf mit einem Ford Focus. Statt uns gegenseitig aufzuhalten, schlüpft der eine mal durch, an der anderen Stelle dann der andere."

Diese Hand-in-Hand-Philosophie auf der Strecke ist aber nur möglich, wenn man die VLN, seine Pappenheimer und die eigenen Fähigkeiten genau einschätzen kann. Das ist bei Neulingen auf dicken Autos oft nicht der Fall. Aus diesem Grund führt der DMSB gemeinsam mit den VLN-Verantwortlichen ab 2015 eine Nordschleifen-Lizenz ein. Neulinge müssen einen Zusatzlehrgang oder eine Mindestzahl an Leistungsprüfungen, sprich RCN absolvieren und auf "kleineren" Fahrzeugen Erfahrung sammeln, bevor sie auf leistungsstärkere Autos umsatteln dürfen.

Die meisten im Fahrerlager befürworten diese Regelung. "Das ist die richtige Reihenfolge", sagt Rolf Derscheid, der mit einem BMW 325i auf der Nordschleife unterwegs ist. Marc Basseng bläst ins gleiche Horn: "Wenn man durch so einen Lehrgang weiß, dass es im Regen im Hatzenbach rutschig ist, und dadurch nur ein einziger Unfall vermieden wird, hat es schon etwas gebracht."

Ein einheitlicher Race-Direktor soll kommen

Es kommt also Bewegung in die Sache. Man hat das Gefühl, es geht in die richtige Richtung. Der nächste Schritt, der von der Mehrheit dringend gefordert wird, ist ein einheitlicher Race-Direktor. Dieser wäre bei allen Rennen dem Rennleiter und dem Leiter Streckensicherung übergeordnet. "Das muss jemand mit Durchsetzungskraft sein", meint Olaf Manthey.

Das beste Beispiel war der sechste VLN-Lauf. Insgeheim klatschten schon viele in die Hände, weil es ausnahmsweise diszipliniert auf der Strecke zuging und mit wenigen Ausnahmen zu keinen größeren Unfällen kam.

Doch dann winkte der Rennleiter aufgrund einer Fehlinformation rund zweieinhalb Minuten vor Ablauf der regulären Renndauer von vier Stunden ab. Zu der kuriosen Situation kam es, weil dem auf Platz zwei liegen den Schubert-BMW Z4 während des Rennens eine Drei-Minuten-Strafe angerechnet wurde - eigentlich sollte dies im Nachhinein erfolgen. Weil der BMW je nach Zeitpunkt der Zieldurchfahrt beim Abwinken aber eine Runde mehr als der führende Frikadelli-Porsche gedreht hätte, wäre er trotz Strafe als Erster gewertet worden.

In der Torschlusspanik winkte man sofort ab. Und wieder hörte man rund um den Nürburgring ein dumpfes Grollen.

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