Kundensport-Rennwagen Audi TT RS
Die Leichtbautechnik des Frontantrieb-Renners

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Es hat sich ausgespottet auf der Nordschleife: Fronttriebler sind nicht mehr nur zweite Wahl, wie Audi mit dem TT RS unter Beweis gestellt hat. Kunden können das silberne TT-Projektil jetzt auch kaufen. Wir stellen die Technik des Audi TT RS Kundensport-Rennwagens vor.

Audi TT RS, Front
Foto: B. Misano

Am 27. August 2011 stellte der Audi TT RS die Regeln des Nürburgring-Rennsports auf den Kopf: Der Silber-Spatz zerschmetterte die Dominanz der heckgetriebenen GT-Kanonen in der Langstreckenmeisterschaft - mit Frontantrieb! In der modernen Rennsportwelt, die kaum noch Überraschungen kennt, glich dieser Gesamtsieg einer echten Sensation (Hier kommen Sie zum VLN-Rennergebnis).

Gewichtsmanagement verhilft Audi TT RS zu Sieg

Abgesehen von der alten Motorsport-Floskel, dass bei einem Sieg alles passen muss, kommt dem Thema Gewicht eine tragende Rolle zu, will man erklären, warum der Audi TT RS am Ring so stark aufgeigen konnte. Dabei geht es nicht nur um nackte Zahlen und versteckte Kilos, sondern um ein streng ausgeklügeltes Gewichtsmanagement sowie um den allgemeinen Zusammenhang zwischen Gewicht und Performance.

Unsere Highlights

Der TT RS wurde in Kooperation zwischen Teamchef und Nürburgring-Spezialist Nicolas Raeder sowie der Audi-Kundensportabteilung entwickelt. Der erste Schritt war der Blick ins Reglement - und schon stand das Thema Gewicht ganz oben: Die Special-Klasse SP4T für turbobefeuerte Rennwagen bis 2,5 Liter Hubraum fordert ein Leergewicht von 1.100 Kilogramm. Theoretisch hätte man auch den serienmäßigen Allradantrieb des Audi TT RS verwenden dürfen - doch laut Regelwerk hätte das Gewicht dann 1.200 Kilo betragen. Also stellten sich die Entwickler die Frage: Was bringt der Allradantrieb?

Allradantrieb oder Frontantrieb?

Ein Blick in die Datenaufzeichnungen vergleichbarer Rennwagen zeigte: erstaunlich wenig. Der Traktionsvorteil in engen Kurven wie am Adenauer Forst ist vernachlässigbar, wie Teamchef Nicolas Raeder erläutert: „Den Traktionsnachteil des Fronttrieblers kann man über die Faktoren Abtrieb, Reifen, Fahrwerk sowie durch eine gute Traktionskontrolle locker egalisieren. Und am Ende gewinnt man durch das niedrigere Gesamtgewicht sogar noch Rundenzeit-Performance.“ Und ganz ehrlich: Wie viele langsame Kurven bremsen die Fahrt auf der Nordschleife?

Die Entscheidung für den Frontantrieb war gefallen, jetzt ging es ans Eingemachte: Raeder und Audi profitierten beim Striptease des Straßenautos von den serienmäßigen Stärken des Audi TT: Die so genannte Hybridrohkarosse aus Stahl mit einem Frontrahmen aus Aluminium ist relativ leicht, dafür sehr stabil. Durch eine aufwendige Käfigkonstruktion, die direkt an den vorderen Aluminiumdomen anlenkt, wurde die Steifigkeit weiter erhöht. Natürlich wurde alles entfernt, was dem Streben nach geringem Gewicht entgegenstand: die Innen- und Komfortausstattung ebenso wie der Allradantrieb.

Abspecken und Schwerpunkt tieferlegen

Insgesamt wiegt die Rennversion des Audi TT RS trotz des gut 50 Kilo schweren Sicherheitskäfigs satte 300 Kilogramm weniger als das Straßenauto. Für das aufwendige Wegfeilen des Gewichts wurde eine klare Reihenfolge festgelegt: Der Gewichtsschwerpunkt sollte so weit wie möglich nach unten wandern, und zweitens wollte man mehr Gewicht in Richtung Beifahrerseite verschieben, um die Radlastverteilung zu optimieren. Es wurden keine Mühen gescheut: Das Kühlerpaket für den 2,5 Liter großen Fünfzylindermotor mit 380 PS fällt extrem leicht aus, sogar der Scheibenwischermotor wanderte von seiner angestammten Position zwei Etagen in den Keller. Die Windschutzscheibe aus Polycarbonat trug zur Absenkung des Schwerpunktes bei, das Drexler-Getriebe sparte 30 Kilo ein und die Karosserieanbauteile aus piekfeiner Kohlefaser sind federleicht.

Trotzdem hat ein Fronttriebler mit vorne liegendem Motor und Getriebe den konstruktiven Nachteil, dass sich die Massen auf der Vorderachse konzentrieren: Beim Renn-Audi TT RS sind es noch 64 Prozent. Andererseits fördert das Gewicht vorne die Traktion, und den Malus der Kopflastigkeit kann man über diverse Stellschrauben abfedern. Zum Beispiel über ordentlich Abtrieb an der Vorderachse, der zudem effizienter generiert wird als der Abtrieb an der Hinterachse: Der Frontdiffusor sowie die markanten Flaps und Flics gehen nämlich nur geringfügig in den Luftwiderstand ein.

Audi TT RS auf Niveau von GT3-Rennwagen

Dazu gibt es einen direkten Zusammenhang zwischen Gewicht und Abtrieb: je leichter das Auto, umso stärker und effizienter wirkt der generierte Abtrieb. Beim TT RS liegen zirka 55 Prozent der Aerolast auf der Frontpartie des Fahrzeuges. Die Daten von der Nordschleife belegen: der frontgetriebene Audi TT RS segelt in den Highspeed-Kurven in enger Tuchfühlung zu den schnellen GT3-Rennwagen und schafft am Schwedenkreuz Kurvenspeeds von gut 230 km/h.

„Die GT3 können uns nur auf dem Bergaufstück im Kesselchen oder auf der Döttinger Höhe abhängen, weil sie mehr Leistung haben“, rapportierte Pilot Frank Biela beim 24h-Rennen am Nürburgring, wo der Audi TT RS mit Platz 14 im Klassement ebenfalls ein Ausrufezeichen setzte. Neben dem ausgeklügelten Gewichtsmanagement und der effizienten Aerodynamik sticht das Audi TT-RS-Paket auch beim Thema Fahrwerk: Das neu designte Layout an der Vorderachse mit Revo-Nuckles und Differenzialsperre bereitet der gefürchteten Zappeligkeit der Fronttriebler ein Ende. Die Revo-Nuckles reduzieren den Störhebelarm an den Vorderrädern und erhöhen Fahrbarkeit, Stabilität und Kontrolle.

Fronttriebler müssen Opfer bringen

Nur ein Nachteil bleibt: Weil beim Fronttriebler die Vorderräder Beschleunigungs-, Brems- und Lenkkräfte übertragen müssen, leiden die Reifen stärker, der Verschleiß ist höher, und die Haftung geht früher in den Keller. Doch es gibt Umstände, da spielt das keine Rolle. Wie am 27. August 2011: Die kühlen Temperaturen und die immer wieder feuchten Straßenverhältnisse spielten beim Sechs-Stunden-Rennen der VLN dem Audi TT RS in die Hand: Die Reifen arbeiteten konstant, dazu sind Fronttriebler bei Mischbedingungen weniger zickig zu fahren - ein Erfolgsmix, der am Nürburgring Rennsportgeschichte schrieb.


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Erscheinungsdatum 04.02.2022

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