McLaren 650s Spider, Porsche 911 Turbo S Cabrio
Exklusives Biturbo-Duell

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Als erstes Magazin weltweit waren wir im Mc Laren 650S Spider mit Messgerät unterwegs und haben den Neuen im Grenzbereich mit dem Porsche Turbo S Cabrio herausgefordert.

McLaren 650s Spider, Porsche 911 Turbo S Cabriolet, Frontansicht
Foto: Rossen Gargolov

Innentribüne A, Reihe 6, Sitz 274 – die blaue Sitzschale mit Patina hat sie alle überlebt: Vierzylinder-Turbos der Achtzigerjahre mit über 1.000 PS, V12-Helden der Neunziger oder bis 20.000/min kreischende V8-Drehzahlcracks der 2.000er-Generation. Bevor im Hockenheimer Motodrom die Klänge der neuen Formel-1-V6-Turbos Einzug halten, locken heute andere Laderfestspiele: Zweimal Biturbo, zweimal 3,8 Liter Hubraum, Heckantrieb mit 650 PS gegen Allrad mit 560 PS – der McLaren 650S Spider fordert das Porsche 911 Turbo S Cabriolet heraus.

Unsere Highlights

Porsche 911 Turbo S Cabrio stürmt bis 318 km/h

Sport-Plus-Taste aktiviert, PSM off, Bremse gegenhalten und Vollgas – das Porsche 911 Turbo S Cabrio spannt als Erster wie ein 100-Meter-Sprinter im Startblock seine Muskeln an. Die Launch Control regelt die Anfahrdrehzahl auf 5.000/min ein. Bremse lösen, explosiv wie der Coupé-Bruder zoomt sich die Cabrio-Version mit 560 PS starkem Biturbo-Boxer vom Fleck. Auch hier verteilt der variable Allradantrieb mit elektrohydraulisch gesteuerter Lamellenkupplung die Antriebsmomente blitzschnell zwischen Vorder- und Hinterachse. Schlupf? Nicht spürbar.

3,1 Sekunden, 10,6 Sekunden, 31,9 Sekunden – das Porsche 911 Turbo S Cabrio rauscht fast so lässig über die Tempo-Marken von 100, 200 und 300 km/h wie sein Verwandter mit dauerhaft festem Dach (Coupé: 3,0 s; 10,0 s; 31,0 s). Dank beeindruckend arbeitender Launch Control und schnellen Schaltvorgängen des serienmäßigen Siebengang-Doppelkupplungsgetriebes kann jeder, der ein Lenkrad halbwegs festhalten kann, im Porsche 911 Turbo S Cabriolet die Tempo-Orgie feiern. Mit ruhigem Geradeauslauf stürmt der doppelt aufgeladene Frischluft- Elfer bis auf 318 km/h Vmax und ist damit genauso schnell wie das Coupé.

Angesichts dieser perfektionistischen Züge und der einfachen Bedienbarkeit hätten die Porsche-Entwickler dem Turbo S ruhig eine martialischere Akustik anerziehen können. Mit offenem Verdeck brandet zwar ein Turbofauchen über den Heckdeckel ins Cockpit, aber der Biturbo-Sound verrät jederzeit, dass er einen Kompromiss zwischen Shoppingsüchtigen Unternehmergattinnen und technikaffinen Turbo-Fans finden muss.

McLaren 650S Spider mehr als nur ein Facelift

Zischeln, Pfeifen, Zwitschern – Abblasgeräusche hört man auch im Porsche 911 Turbo S Cabriolet nicht. Wir würden gerne mal in die unterschiedlichen Stände der aktuellen 991-Turbo- Entwicklung reinhorchen. Da wurde bestimmt der eine oder andere 917/30-Turbo- Gedächtnisklang erprobt, der es dann leider nicht in die Serie geschafft hat.

Wein-Degustation oder Pub-Besuch – es gibt verschiedene Arten, um auf Drehzahlen zu kommen. Akustisch gesehen wählt der McLaren eher die zweite. Startknopf auf der filigranen Mittelkonsole drücken, und der McLaren 650S Spider rotzt seine Verbrennungsmelodie schon beim Motorenstart hemdsärmliger ins Freie.

Böse Zungen werden den McLaren 650S bloß als Facelift bezeichnen, da er auf dem 12C basiert. Doch das ist nicht ganz zutreffend, da der 12C zum einen als Coupé- und Spider- Version neben dem 650S weiterhin im Angebot bleiben wird und zum anderen nicht nur optisch modifiziert wurde. Die 650S-Gesichtszüge mit neuer Frontschürze und LED-Scheinwerfern ähneln dem McLaren-Supersportler P1. Der neue dreiteilige Stoßfänger am Heck erinnert an die GT3-Rennversion.

Auch den intern M838T genannten V8- Biturbo überarbeiteten die McLaren-Ingenieure. Neue Kolben, Zylinderköpfe und Auslassventile sowie andere Ventilsteuerzeiten steigern die Leistung von 625 auf 650 PS. Im Vergleich zum 12C reagiert der McLaren 650S Spider nun etwas spontaner auf Gaspedalbefehle. Das 911 Turbo S Cabriolet hängt jedoch vergleichsweise direkter am Gas und tritt subjektiv mit größerem Turbo-Punch im Drehzahlkeller an.

Biturbo-Detonation im McLaren 650S Spider

Wer bei Überholvorgängen im McLaren auf der Drehmoment-Welle von 678 Nm surfen will, sollte entweder durch den Automatikmodus des Siebengang-Doppelkupplungsgetriebes zurückschalten lassen oder manuell per Lenkradwippe einen niedrigeren Gang anwählen, da sich der V8 mit seinem leichten Turboloch unterhalb von 3.000/min sonst eine kurze Denkpause genehmigt. Über 3.000/min, spätestens ab 4-000 Touren, folgt im McLaren 650S Spider, in welchem Gang auch immer, eine Biturbo-Detonation, die erst bei der Höchstdrehzahl von 8.500/min wieder endet.

Zeit für den sport auto-Dragstrip. Auch der hinterradangetriebene McLaren beherrscht Katapultstarts im Dragster-Stil aus dem Effeff. Spürbarer Schlupf? Auch hier ein Fremdwort. 100 km/h sind nach 3,1 Sekunden Geschichte. Die 200-km/h-Marke pulverisiert der McLaren 650S in 8,7 Sekunden. Nach nur 26 Sekunden vermeldet das GPS-Messgerät Tempo 300. Damit erreicht der britische Neuling die magische Speed-Schwelle nicht nur eine halbe Sekunde früher, als das Werk in Woking verspricht, sondern auch fast sechs Sekunden schneller als das Porsche 911 Turbo S Cabriolet.

Das neu kalibrierte Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe des McLaren 650S glänzt nicht nur mit noch schnelleren Schaltzeiten, sondern auch mit ruck- und verzögerungsfreien Gangwechseln. Zu spätes Hochschalten beantwortete das 12C-Aggregat noch mit Schluckauf. An den Alltagskomfort des Elfer-Cabriolets in puncto Getriebesteuerung, Sitzposition, Federungsverhalten und Spurrillenunempfindlichkeit kommt der Brite jedoch nicht heran.

Porsche meistert Spagat zwischen Stadtverkehr und Rennstrecke

Grandios, wie die Porsche-Entwickler die gegensätzlichen Anforderungen im Lastenheft zwischen Stadtverkehr und Rennstrecke gemeistert haben. Bei uns steht Letzteres im Vordergrund. Boxenampel grün, der Porsche rauscht als Erster auf den Kleinen Kurs.

Ladedruckdellen, Lenkung ohne Servounterstützung, ABS-freie Bremsen – nicht doch, die rauen 930-Turbozeiten sind auch im 991 Turbo S Cabriolet so weit entfernt wie Tokio von Zuffenhausen. Der serienmäßig mit allen fahrdynamischen Raffinessen wie Hinterachslenkung, elektronisch geregelter Hinterachsquersperre und PDCC-Wankausgleich ausgestattete Elfer stößt mit sicherem, agilem und weitgehend neutralem Fahrverhalten in den Grenzbereich vor. Doch wir bei sport auto filtern auch kleine fahrdynamische Unterschiede heraus.

Im Vergleich zum Turbo S Coupé lenkt die 77 Kilo schwerere Cabrio-Version zwar ähnlich direkt ein und verzögert ähnlich standfest, reagiert dafür aber etwas anfälliger auf Lastwechsel und drängt unter Last teilweise mit dem Heck gen Kurvenausgang. Ganz so neutral wie das Coupé meistert der Open-Air-Turbo-S den Ritt im Grenzbereich nicht. Mit 1.09,8 Minuten bleibt das Porsche 911 Turbo S Cabrio trotz Dunlop-Sport-Maxx-Race-Bereifung klar hinter der Bestzeit seines Festdach-Verwandten (1.08,7 min) zurück.

Szenenwechsel. Raus aus dem Porsche, rein in den McLaren 650S Spider. Die tiefere Sitzposition vermittelt hier sofort Rennsport-Feeling. Active-Taste drücken, dann die beiden Drehregler auf der Mittelkonsole für Powertrain und Handling aus dem Normal-Modus über die Sport-Stufe in den Track-Modus drehen. Wer sich anschließend noch erfolgreich durch die umständliche Tastenkombination zur Deaktivierung der elektronischen Stabilitätskontrolle gekämpft hat, kann endlich im McLaren 650S Spider auf Bestzeitenjagd gehen.

McLaren 650S Spider straffer als der 12C

Mit Tempo 221 überflügelt der McLaren den Porsche auf der Start-Ziel-Geraden in Hockenheim um 8 km/h. Beim Anbremsen stabilisiert zwar der in einem Winkel von bis zu 69 Grad aufstellende Heckflügel (Airbrake) den McLaren 650S Spider, doch das Heck des Porsche Turbo S bleibt in der Anbremsphase speziell auf Bodenwellen ruhiger als das des McLaren.
Im Vergleich zum 12C wurden beim 650S die Federraten an der Vorderachse um 22 Prozent und an der Hinterachse um 37 Prozent härter ausgelegt.

Auch die Dämpfung des elektronisch geregelten Fahrwerks PCC (Proactive Chassis Control) ist straffer abgestimmt worden. Im Grenzbereich sind weniger Roll- und Nickbewegungen um Längs- und Querachse als im 12C sowie im Turbo S Cabriolet spürbar. Auf Querstabilisatoren oder eine mechanische Differenzialsperre verzichtet McLaren weiterhin. Mit aktivierter Traktionskontrolle wird letztere Funktion auch im 650S über selektive Bremseingriffe am kurveninneren Hinterrad (Brake-Steer-System) vorgenommen. Den größtenteils von engen Ecken geprägten kleinen Kurs umkurvt der McLaren 650S Spider mit deaktivierter Traktionskonstrolle (Bestandteil des ESC) allerdings einige Zehntel schneller.

Während das Porsche-PDK im manuellen Modus bei Kick-down eigenmächtig hoch- und runterschaltet, ist der manuelle Getriebemodus in der Track-Konfiguration des McLaren 650S Spider wirklich ein echter manueller Modus. Das Getriebe hält die Gänge. Im Vergleich zum 12C Spider lenkt der McLaren 650S Spider noch direkter ein, und die Tendenz zum Untersteuern wurde minimiert.

McLaren 650S Spider nimmt dem Porsche 1,1 s ab

Enge Radien, wie in der Sachskurve oder der Senke auf dem Hockenheimring, meistert der McLaren 650S Spider nun mit höheren Kurventempi, ohne sofort über die Vorderachse zu schieben. Außerdem tritt der Mittelmotor-Zweisitzer mit Carbon-Chassis nun mit agilerem Eigenlenkverhalten am Limit auf. Während der 12C bei Lastwechseln fast stoisch ruhig seiner Linie folgte, reagiert der 650S auf das Spiel am Gaspedal mit leicht nachdrückendem Heck.

Die Traktion auf der Hinterachse nahm zugunsten der Traktion auf der Vorderachse etwas ab. Während der 12C nur mutwillig im Grenzbereich zu einem auskeilenden Heck gezwungen werden konnte, tritt im 650S mit deaktiviertem ESP teilweise nun ein gut beherrschbares Leistungsübersteuern auf. Verbesserungspotenzial offenbart die ABS-Abstimmung der beim McLaren 650S Spider nun serienmäßigen Carbon-Keramik-Bremsanlage. Auf Bodenwellen regelt das System in Kombination mit den optionalen Pirelli-P-Zero-Corsa-Sportreifen nicht so fein wie beim Turbo S mit Dunlop-Sport-Maxx-Race-Bereifung.

Schwamm drüber, auch wenn wir immer Kritikpunkte finden, geht heute ein großes Lob nach Woking. Mit dem McLaren 650S Spider sind die fahrdynamischen Gene des 12C konsequent weiterentwickelt worden, wie die Rundenzeit auf dem Kleinen Kurs in Hockenheim eindrucksvoll beweist. Mit 1.08,7 min carvt der 650S Spider eine halbe Sekunde schneller über den Kleinen Kurs als der 12C Spider und übernimmt von seinem Klappdach-Verwandten damit den inoffiziellen Titel des schnellsten Roadsters in Hockenheim.

Technische Daten
McLaren 650S Spider Porsche 911 Turbo S Cabriolet Turbo S
Grundpreis255.000 €209.774 €
Außenmaße4512 x 1908 x 1203 mm4506 x 1880 x 1292 mm
Kofferraumvolumen144 l115 l
Hubraum / Motor3799 cm³ / 8-Zylinder3800 cm³ / 6-Zylinder
Leistung478 kW / 650 PS bei 7250 U/min412 kW / 560 PS bei 6500 U/min
Höchstgeschwindigkeit329 km/h318 km/h
Verbrauch11,7 l/100 km9,9 l/100 km
Die aktuelle Ausgabe
Sport Auto 03 / 2022
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Erscheinungsdatum 04.02.2022

132 Seiten