Mini Cooper S Rallye in Monte Carlo
Mit dem Rallye-Mini in den Seealpen

Inhalt von

Vor über 50 Jahren rollte der erste Mini vom Band. Fünf Jahre später dominierte der kleine Brite erstmals die legendäre Rallye Monte Carlo. Spurensuche nach den Rallye-Helden von einst in den französischen Seealpen.

Rallye-Mini
Foto: Reinhard Schmid

V8 gegen Reihen-Vierzylinder, kraftstrotzende 4,7 Liter Hubraum mit 285 Pferden gegen schmächtige 1.071 Kubikzentimeter und 92 PS. Trotz klarer Vorzeichen lautete das Motto der Rallye Monte Carlo 1964: David schlägt Goliath. Während die Beatles mit ihrer ersten Welttournee an die Spitze der Musikwelt stürmen, wirbelt ein Mini die internationale Rallye-Szene durcheinander.

Mini siegte bei der Rallye Monte Carlo

1964 gewann der britische Renn-Winzling die Monte. Die Spurensuche des legendären Mini-Sieges beginnt am Steuer einer Replica des 68er-Rallye-Mini von Werksfahrer Rauno Aaltonen. In gemütlichem Stadttempo erforscht die Startnummer 18 mit brummelnder Rennabgasanlage zwischen exklusiven Mode-Boutiquen und bevölkerten Straßencafés die legendären Kurven der Formel 1-Strecke im Fürstentum. Rascasse, Loews, Schwimmbad-Kurve - anders als bei der heutigen Rallye Monte Carlo hetzten die Piloten von 1951 bis 1964 nicht nur über die verwinkelten Passrouten in den französischen Seealpen, sondern fuhren am Ende der Rallye eine Prüfung auf der Rennstrecke in Monaco.

Unsere Highlights

Neben schnellen Zeiten brachte die damalige Handikap-Regel, die hubraumstärkere Fahrzeuge benachteiligte, dem Werksteam der British Motor Corporation (BMC) aus dem britischen Abingdon hier den entscheidenden Vorteil. Nach fünf Runden war die Sensation von 1964 perfekt: Paddy Hopkirk und Beifahrer Henry Liddon landeten mit ihrem Mini 30,5 Punkte vor dem schwedischen Favoriten-Duo Bo Ljungfeldt und Fergus Sager im deutlich stärker motorisierten Ford Falcon. "Die Formel 1-Strecke war im Gegensatz zu den Passstraßen bei der Monte für uns Rallye-Fahrer ein Kinderspielchen, hier hatte man gute Sicht, und die Straße war viel breiter", erinnert sich Aaltonen etwas gelangweilt.

Simples Mini-Erfolgskonzept

Mit acht Gesamtsiegen bei verschiedenen internationalen Rallyes ist der 71-Jährige bis heute erfolgreichster Mini-Werksfahrer. 1967 durfte der Finne den knuffigen Kleinwagen in der werkstypischen Tracht mit flammroter Lackierung in Tartan-Red und weißem Dach ebenfalls vor die Fürsten-Loge am Schloss von Monte Carlo steuern, um die begehrte Monte-Siegertrophäe in Empfang zu nehmen. Das Erfolgsrezept des britischen Rallye-Zwergs war simpel.

Mini hatte große Vorteile bei der Traktion

"Die Stärke der Mini überraschte nicht. Die kleinen, wendigen Autos mit Frontantrieb waren bei den Schneemassen von der Traktion her einfach im Vorteil", erklärt Peter Falk, ehemaliger Porsche-Rennleiter und Co-Pilot bei der Rallye Monte Carlo 1965. Zusammen mit dem damaligen Porsche-Rennfahrer Herbert Linge belegte Falk beim ersten Sporteinsatz des Porsche 911 überhaupt einen überzeugenden fünften Platz im Gesamtklassement. Schon das Knistern der Spikereifen auf den winzigen Zehn-Zoll-Minilite-Rädern verrät, dass der Asphalt heute trocken ist. Extreme Straßenverhältnisse mit gefährlichen Eisplatten und festgefahrener Schneedecke wie 1965 - Fehlanzeige.

Die Strapazen der Fahrer lassen sich nur erahnen, während die Retro-Replica mit direktem Lenkverhalten leichtfüßig um die Turini-Spitzkehren wedelt. Bis heute gilt der Jahrgang 1965 als anspruchsvollster in der Monte-Renngeschichte. Insgesamt rund 4.600 Kilometer standen damals auf dem Programm. Von 237 gestarteten Teilnehmern kämpften sich nur 22 durch den orkanartigen Schneesturm über dem französischen Jura bis ins Ziel nach Monaco. "Die heutigen Rallyes sind ja dagegen nur Kinderrallyes, da sie so extrem kurz sind", sagt der ehemalige Rallye-Europameister Aaltonen. 1965 starteten die Teilnehmer von Warschau, Stockholm, Minsk und London nach Monaco. Im Ziel ganz vorne: der BMC Cooper S mit der Nummer 52 und dem schwarz-weißen Kennzeichen AJB 44B auf der kurzen Motorhaube, die nur mit groben Lederriemen gesichert war.

Beheizbare Frontscheibe für den Rallye-Einsatz

Timo Mäkinen und Co-Pilot Paul Easter dominierten die sechs Spezialprüfungen in der Nacht und rauschten mit dem nur 610 Kilogramm schweren Rallye-Leichtgewicht fünf Mal mit Bestzeit durchs Zwischenziel. Kleine, aber feine Details halfen, auch bei Eis und Schnee den Durchblick zu behalten. Für den Monte-Carlo-Einsatz konstruierte die Rennabteilung von BMC extra eine beheizbare Frontscheibe. Drei Mal führte die Nachtjagd anno 65 über das Herzstück der Monte - den Col de Turini. Bei der härtesten Spezialprüfung kraxelten die Monte-Fahrer auf 22,4 Kilometern vom verschlafenen Bergdorf Moulinet über das 1.607 Meter hohe Plateau des Passes zum Prüfungsziel, der Ortschaft La Bollène-Vésubie. Unzählige Spitzkehren, rasante Tunneldurchfahrten, auf der einen Seite zerklüftete Felswände und auf der anderen Seite gähnende Leere mit tiefen Schluchten gehören bei der Monte schon immer zum Alltag.

"Es ist eigentlich egal, ob da eine zehn, 20 oder 50 Meter tiefe Schlucht ist oder ob man gegen einen Baum fährt. Wenn man daran denkt, soll man keine Rallyes fahren und schon gar nicht die Monte", erklärt Rauno Aaltonen, worauf es beim riskanten Ritt durch die Seealpen ankam. Die kniehohen Begrenzungsmauern vor den tiefen Abhängen flößen Respekt ein und lassen den rechten Fuß des heutigen Spurensuchers unweigerlich vom Gas zucken. Dann endlich erstreckt sich der höchste Punkt des Col vor der Mini-Schnauze. Dieser verlassene Parkplatz, nicht größer als ein Handballfeld, soll der bekannteste Streckenabschnitt der Rallye Monte Carlo sein?

Außergewöhnliche Stimmung am Turini-Plateau

Abseits des Renngeschehens fristet das Hochplateau auf 1.607 Metern ein beschauliches Dasein. Einsame Wanderer gehen an dem Renn-Mini vorbei und verschwinden in einem der vier Turini-Restaurants, vereinzelte Radfahrer hecheln über den Col, sonst herrscht trügerische Stille. Vor allem während der Monte in den sechziger Jahren drängelten sich hier zehntausende Zuschauer hinter Absperrgittern. Gleißendes Flutlicht und aufflammende Blitze der Fotografen rückten den Parkplatz zu nächtlicher Stunde ins Rallye-Spotlight. "Zuerst war auf der Prüfung alles schwarz, und dann schießt man da quer über die Kuppe aufs Turini-Plateau ins taghelle Licht. Damit wir nicht geblendet wur den, haben wir immer die Sonnenblende im Mini runtergeklappt", schwärmt Monte-Sieger Aaltonen noch heute von der außergewöhnlichen Stimmung.

Für gute Laune im Mini-Werksteam sorgte aber meistens Timo Mäkinen. "Der Mäkinen war ein Spaßvogel, einmal ist er mit seinem Mini hier hinterm Haus die Skipiste hochgefahren", erzählt Madeleine Maniccia, während die 65-jährige Köchin des Restaurants Le Yéti oberhalb des Col-Plateaus den Retro-Mini bestaunt. "Wenn Timo hier war, hat er immer Entrecôte mit Pommes frites gegessen und dazu viel Whisky-Cola getrunken. Dann war hier gute Stimmung garantiert", verrät Ehemann Jacques, selbst ehemaliger Besitzer eines dunkelgrünen Mini Cooper S, mit einem breiten Grinsen. Und so endet die Spurensuche nach den Monte-Helden von einst mit Entrecôte und Pommes frites. Ohne Whisky-Cola, denn der Stimmungsmacher von heute mit der Nummer 18 wartet voller Vorfreude leise tickend auf eine weitere rasante Turini-Abfahrt.

Die aktuelle Ausgabe
Sport Auto 03 / 2022
Sport Auto 03 / 2022

Erscheinungsdatum 04.02.2022

132 Seiten