Porsche 911 (991) GT3 im Test
Automatisch zum Erfolg?

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Die wohl motorsportverdächtigste Variante des Elfers – der Porsche 911 GT3 – bedient sich klassischer (hochdrehender Saugmotor, geringes Gewicht) und moderner Zutaten (Doppelkupplungsgetriebe, Allradlenkung), um die Rennstrecken dieser Welt zu verspeisen. Der Test klärt, ob es auch bei der 991-Generation funktioniert.

Porsche 911 GT3, Frontansicht, Driften
Foto: Hans-Dieter Seufert

Ein wenig despektierlich ließe sich der Porsche 911 GT3 als eine Art VW Golf der Rennstrecke verunglimpfen. Zumindest hinsichtlich seiner Präsenz beim freien Fahren und bei Trainings liegt die Vermutung nahe, dass es dafür offenbar nur ein einziges Auto gibt. Und offensichtlich auch eine beträchtliche Anzahl sicher sehr glücklicher Menschen, die sich das leisten können.

Einige von ihnen wälzen sich seit der Vorstellung des neuesten Porsche 911 GT3 zumindest gelegentlich schlaflos in den Laken: Fährt er wirklich nochmals agiler als seine Vorgänger? Wo soll das mit dem Doppelkupplungsgetriebe nur hinführen? Und zusätzlich erhöht eine Lenkung für die Hinterräder das Gewicht – na, das kann doch nichts werden.

Unsere Highlights

Porsche 911 GT3 (991) ist schwerer als GT3 RS 4.0 (997)

Tatsächlich wiegt der Neue 23 Kilogramm mehr als der Porsche GT3 RS 4.0 auf 997-Basis, den wir auch im Supertest hatten. Doch 1.433 kg alleine müssen noch nicht der Grund sein, um wutentbrannt zu Protestmärschen in Richtung Weissach aufzurufen. Na, und der Motor sowieso nicht, denn Porsche bedient sich bester Technik, um die Götter des Saugmotors milde zu stimmen.

Unter anderem sollen ein neuer Zylinderkopf mit größeren Ein- und Auslasskanälen sowie modifizierte Ventile mit Betätigung über Schlepphebel garantieren, dass das 3,8-Liter-Aggregat des Porsche 911 GT3 mit maximaler Begeisterung bis 9.000 Umdrehungen hochjubelt.

Porsche 911 GT3 mit nervösem, hellwachen Saugmotor

Nach dem Start beginnt es im Porsche GT3 zunächst mechanisch zu rasseln, ein bisschen basst es auch aus dem Heck, die Nadel des Drehzahlmessers zittert nervös. Jaja, los geht‘s.
Geradezu hellseherisch detektiert der Direkteinspritzer Gaspedalbefehle, beginnt sofort mit dem Sturm auf das andere Ende der Drehzahlmesser-Skala – das schaffen selbst die besten Turbo-Triebwerke unserer Zeit nicht, so brillant sie auch sein mögen.

Eben noch eher tief brüllend, driftet die Tonlage des Porsche 911 GT3-Motors ab 4.000/min ins metallisch-schreiende ab, beginnt ins Unterbewusstsein zu kriechen. 6.000/min? Noch lange kein Ende in Sicht. 7.000/min? Jetzt erst recht. 8.000/min? Ein bisschen was geht noch. 9.000/min?

Sportlichster Elfer nur mit Automatik erhältlich

Gangwechsel, jetzt. Ein Zug am verlängerten PDK-Wählhebel genügt, wahlweise auch am Lenkradpaddel, jeweils mit mehr Widerstand und kürzerem Weg beim Porsche 911 GT3 als beispielsweise bei einem Carrera S. Einzig der veränderte Geräuschpegel belegt, dass das Getriebe seinen Job in unerhörter Geschwindigkeit erledigt hat, die Drehzahlorgie beginnt erneut. (Anmerkung: Das funktioniert alles wirklich prima, doch wir wünschen dennoch zumindest die Option auf ein manuelles Getriebe).

Noch im zweiten Gang passiert der Porsche 911 GT3 die 100-km/h-Marke, mit Hilfe der Launch Control bestens schlupfdosiert nach nur 3,6 Sekunden aus dem Stand. Nach 12,1 Sekunden brüllt der Zuffenhausener auch die 200-km/h-Schallmauer nieder, erreicht erst bei Tempo 315 seine persönliche Grenze

Allradlenkung führt zu mehr Dynamik

Wenn der Fahrer da mithalten kann, erlebt er selbst bei diesem Tempo eine Stabilität, die kein Grund für Schweißflecken im Alcantara- Lenkrad sein kann. Hier kommt ein Vorteil der gelenkten Hinterräder zum Tragen, die bis zu 1,5 Grad mitlenken und so schneller Seitenführungskräfte aufbauen können. Weiterer Pluspunkt ist das gegenläufige Lenkmoment bei niedrigerem Tempo. Nur so gelingt es dem Porsche 911 GT3 trotz seines um 10,2 Zentimeter gewachsenen Radstandes, die versammelte Ahnenreihe im 18-Meter-Slalom mit einer Geschwindigkeit von 72,4 km/h alt aussehen zu lassen.

Und auf der Rennstrecke? Weil Dragster und Rockstars sowie deren Tross die sport auto-Hausstrecke in Hockenheim über Wochen blockierten, diente der rund drei Kilometer langen Kurs von Anneau du Rhin (www.rheinring.com) zur Ermittlung eines ersten Richtwertes. Das Ergebnis: Der Porsche 911 GT3 nahm bei den schnellen Runden einem als Referenz hinzugezogenen Carrera S 4,1 Sekunden pro Runde ab.

Ein GT3 beherrscht auch den Alltag

Mag sein, dass in der freien Wildbahn Tiere leben, die noch zackiger Haken schlagen als der Porsche 911 GT3, im Reich der straßenzugelassenen Automobile aber kaum. Einlenken, Leistung abrufen, Bremsen – der Porsche erledigt alles mit zielgerichteter Konsequenz, die anderen vermeintlichen Sportwagen die Farbpartikel aus dem Lack saugt. Eigentlich müsste sich sogar jeder Elfer so fahren wie der Porsche 911 GT3: unbedingt agil, direkt und hart – ein bisschen anstrengend vielleicht, jedoch ausreichend alltagstauglich obendrein.

Wer will da schon aus den frecherweise aufpreispflichtigen Schalensitzen aussteigen, wo doch alles wie maßgeschneidert passt? Eine große Überraschung wäre es also nicht, wenn sich auch die Porsche 991-Generation wieder zahlreich auf Rennstrecken balgt.

Fazit

Turbo und GT3 sollen die Nordschleife in identischer Zeit umrunden? Mag ja sein, dass Porsche damit recht hat. Doch mal abgesehn davon, dass es auf winkligeren, kürzeren Rennstrecken wohl anders ausgeht, belegen die Messwerte eine Agilität, die deutlich über der der Vorgänger liegt. Und die rohe Effizienz, mit der sich dies der GT3 erarbeitet, kann einfach niemanden kalt lassen.

Technische Daten
Porsche 911 GT3 GT3
Grundpreis137.303 €
Außenmaße4545 x 1852 x 1269 mm
Kofferraumvolumen125 l
Hubraum / Motor3799 cm³ / 6-Zylinder
Leistung350 kW / 475 PS bei 8250 U/min
Höchstgeschwindigkeit315 km/h
0-100 km/h3,6 s
Verbrauch12,4 l/100 km
Die aktuelle Ausgabe
Sport Auto 03 / 2022
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Erscheinungsdatum 04.02.2022

132 Seiten