Tracktest Chevrolet Camaro GT3 vs. Serie
V8-Erdbeben rockt den Ring

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7,9 Liter Hubraum, über 630 PS und über 800 Newtonmeter: Wenn der Chevrolet Camaro GT3 seinen V8 anwirft, schlagen Flammen aus den Sidepipes – und der Asphalt zittert. Wir waren mit dem Serienbruder im Epizentrum mit dabei und haben das fahrende Erdbeben im Tracktest um den Salzburgring gehetzt.

Chevrolet Camaro GT3, Rennmodell, Frontansicht
Foto: Rossen Gargolov

Heute ist alles anders: Wer genau lauscht hört die Kuhglocken auf den benachbarten Weiden läuten, auf dem Teller liegen Weißwürste und Brezen, im Kühlschrank hinter uns spielen Fitnessdrinks eher die Nebenrolle, hier regiert das Weizenbier. Nein, wir kehren nicht gerade zur ersten Brotzeit beim Marsch auf die Zugspitze ein, wir lümmeln uns in Box 31 auf Plastikstühlen am Salzburgring und warten auf einen ganz besonderen Tracktest.

Unsere Highlights

9.05 Uhr, Gatter auf, Almauftrieb für den kernigsten Bullen der Herde: 7,9 Liter Hubraum, irgendwas über 630 PS und 800 Newtonmeter maximales Drehmoment. V8-Feuer frei! Bläuliche Flammen schlagen aus den Sidepipes, deren Beat selbst die Headbanger bei Rock am Ring neidisch machen würde. Rocken am Ring ist jetzt das Stichwort. Kein Dragster, sondern der Chevrolet Camaro GT3 von Sareni United jagt heute auf die 4,23 Kilometer lange Piste vor den Toren der Mozartstadt.

Der LS3-V8-Block im Serien-Camaro stammt aus der Corvette

Auch wenn es im rechten Fuß kribbelt, dreht das US-Biest erst einmal ohne uns seine Testrunden. Kein Problem, wir konnten auf der vierstündigen Anfahrt zum Salzburgring schon den V8-Aufguss des in Deutschland erhältlichen Chevrolet Camaro Coupé mit Straßenzulassung goutieren. Der LS3-V8-Block mit 6,2 Liter Hubraum stammt aus der jüngst eingestellten Corvette C6, leistet aber dank anderer Motorperipherie im Serien-Camaro 432 PS statt 437 zuletzt in der Corvette.

Neben dem stampfenden V8-Bass transferiert ein knochiges Sechsgang-Handschaltgetriebe und historisch anmutende Analoginstrumente das Flair der Pony-Car-Generation der sechziger Jahre zurück in die Jetztzeit. Coolness und eigenständiger Charakter, den man bei manch einem Volumenmodell heute vermisst.

Im Camaro GT3 liegt der Motor tiefer und weiter hinten

„Im Vergleich zum Straßenauto liegt der Motor beim Chevrolet Camaro GT3 120 Millimeter tiefer und ist 74 Millimeter weiter hinten im Chassis als original verbaut“, sagt Franz Russegger, der bei Sareni United für die Entwicklung des Chevrolet Camaro verantwortlich ist. Vor wenigen Sekunden fauchte der GT3-Bomber zurück in die Boxengasse, um nach einem abschließenden Gasstoß wieder rückwärts in die Box geschoben zu werden.

Dann entreißen Mechaniker dem Renn-Camaro die Karbon-Motorhaube und gewähren Blicke auf den Hubraumgiganten. Der nur 185 Kilo schwere V8-Smallblock wurde von der US-Motorenschmiede Katech mit Mahle-Schmiedekolben, gefrästen Stahl-Pleueln mit H-Profil und CNC gefräster Kurbelwelle aufgebaut. Vorgaben an den Motorbauer: Seriennähe, geringe Kosten, 10.000 Kilometer Laufleistung bei hoher Power.

GT3-Camaro wiegt 450 Kilogramm weniger als das Straßenauto

Kostendeckelung war ein wichtiger Punkt bei der Entwicklung. Mit 195.000 Euro zuzüglich Mehrwertsteuer ist der Chevrolet Camaro das Schnäppchenangebot der GT3-Szene. Andere GT3-Boliden kosten mittlerweile fast doppelt so viel. Günstig heißt aber nicht billig. Wer glaubt, der Chevrolet Camaro eiert samt mittelalterlicher Technik à la Mustang-Starrachse über die Curbs, der irrt. Das Rennfahrwerk mit über Pushrods angelenkten Öhlins-Dämpfern nutzt Achsbauteile eines anderen GT3-Stiers. „Die Doppelquerlenker vorn und hinten stammen vom GT3-Lamborghini Gallardo“, erklärt der Entwickler.

Ein kurzer Technik-Check zeigt, dass Renngerät und Straßenversion bis auf die Außenspiegel, das Dach, die Seitenbleche und den Vorbau zwei sehr unterschiedliche Paar Schuhe sind. Gegen das GT3-Gerät wirkt das 108 mm höher stehende Serienpendant wie ein fahrender Wolkenkratzer. Das Rohchassis erleichterte die Sareni-Truppe um 20 Prozent und schweißte einen Sicherheitskäfig ein. Außerdem kommen neue Achshilfsrahmen, eine Frontschürze und Kotflügel aus schlagzähem Kunststoff sowie ein Aeropaket mit Karbonsplitter, Diveplates und Heckdiffusor zum Einsatz. Die Fastenkur zeigt Wirkung. Der GT3-Rennwagen wiegt rund 450 Kilogramm weniger als das Straßenauto.

Du sitzt so hoch wie in einem Renault Magnum

Genug der Technik-Analyse, der Platz auf dem V8-Feuerstuhl wird gerade wieder frei, Testpilot und Rennprofi Peter Kox schält sich aus dem Sparco-Vollschalensitz und raunt uns dabei noch seinen ersten Eindruck zu: „Du sitzt so hoch, als ob du in einem Renault Magnum unterwegs bist.“

Recht hat er. Im Vergleich zu anderen GT3-Rennwagen ist die Sitzposition fast komfortabel und ermöglicht eine gute Übersicht. Komfortabel? Wie bitte, etwa GT3-Fahren für die Rollator-Kundschaft des Fahrerfeldes? Von wegen, bis auf die etwas höhere Sitzposition ist der Sareni Chevrolet Camaro das Holzfällerhemd unter den GT3-Fahrzeugen.

Startknopf drücken, Sidepipes in Lauerstellung: Woooooooaaaaaamm, der V8-Urschrei erwärmt das Gemüt, wie der erste Weizenbier-Schluck heute früh um Neun. Kleiner Joke, für uns gab’s natürlich kein Hochprozentiges vor dem Tracktest. Statt Hochprozentiges läuft jetzt Hochoktaniges. Ob im unrunden Leerlauf oder bei Volllast – das V8-Hämmern des Chevrolet Camaro GT3 klingt nach einer Mischung aus Monster-Harley und Weltkriegs-Sternmotor. Schon bei Standgas hat das Hubraummonster scheinbar mehr Drehmoment als andere GT3-Flundern bei voller Leistung.

Drehmoment-Orgie gipfelt in über 800 Newtonmeter

Bei 2.000 Touren liegen bereits über 600 Nm an. Die Drehmoment-Welle schiebt den Camaro so gewaltig an, wie einen hawaiianischen Surfer, der gerade die 30-Meter-Welle seines Lebens erwischt hat. Die Drehmoment-Orgie gipfelt zwischen 4.000 und 6.000 Touren in über 800 Newtonmeter.

Klick, klick, klick, das sequenzielle Holinger-Renngetriebe mit elektropneumatischer Betätigung über Schaltwippen hinter dem Lenkrad pfercht die Gänge schnell und schmerzlos rein. Spiegel, Karosse, einfach alles zittert bei steigender Drehzahl und Geschwindigkeit wie bei einem Erdbeben. Epizentrum: Start-Ziel Salzburgring. Der als tragendes Element mit dem Rahmen starr verschraubte V8-Block gibt sämtliche Vibrationen an Mensch und Maschine weiter. Bei Volllast gewinnt das Getriebe-Sirren akustisch die Übermacht über das V8-Hämmern.

Rau, unbändig, gewaltig – nur Akustik, Vortrieb und Vibrationen treffen diese Charaktermerkmale. Das Fahrverhalten des Chevrolet Camaro schafft Vertrauen – nach wenigen Sekunden weißt du, was dich erwartet. Rein in die Nocksteinkehre des Salzburgrings. Im Vergleich zum etwas schwerfälligen Straßenmodell mit gemütlicher Seitenneigung läuft im Leichtbau-Camaro zwar gefühlt alles in zweifacher Schallgeschwindigkeit ab, doch der Dampfhammer mit zehnfach einstellbarer Traktionskontrolle bleibt gutmütig beherrschbar. Unter Last untersteuert der Chevrolet Camaro GT3 zumindest in der Fahrwerkskonfiguration während des Tests leicht.

Topspeed maximal 278 km/h

Im Vergleich zu anderen GT3-Autos setzt der Camaro weniger auf Abtrieb als auf Endgeschwindigkeit (Abtrieb vorn/hinten bei 200 km/h: 40 kg/250 kg). „Wir haben den höchsten Topspeed von allen“, hatte Sareni-Ingenieur Franz Russegger vorab gesagt. Glaubhaft, denn bei 271,2 km/h galoppiert der Dampfexpress auf der Gegengeraden des Salzburgrings im sechsten Gang in den Drehzahlbegrenzer. „Da gehen noch ein paar Umdrehungen“, weiß der Renningenieur später. Macht maximal 278 km/h.

Nicht schlecht für den GT3-Rennlaster mit der Stirnfläche eines Garagentors. Doch „nicht schlecht“ ist den Sareni- Jungs nicht gut genug. „Wir arbeiten an einem umfangreichen Update für die 2013er Saison“, erzählt Franz Russegger, als der Chevrolet Camaro GT3 wieder knisternd in der Box steht. Neben der Fahrwerkskinematik und den Bremsen überarbeitete das Entwicklungsteam auch das Aerodynamikpaket.

Chevrolet Camaro GT3 ist der Pornostar unter den Supermodels

Doch egal, ob der Chevrolet Camaro GT3 wie 2012 eher im Hinterfeld rumtobt oder sich dieses Jahr vielleicht weiter vorn unter das GT3-Feld mischt, das Fazit steht längst fest. Und das fällt einer, der mit breitem Lächeln im Gesicht später lieber doch nicht genannt werden will: „Die anderen GT3-Autos sind alle Supermodels. Der Camaro ist dagegen der Pornostar unter den Supermodels.“

Technische Daten
Chevrolet Camaro Coupé Chevrolet Sareni Camaro GT3
Grundpreis39.990 €232.050 €
Außenmaße4837 x 1917 x 1360 mm4985 x 1988 x 1272 mm
Hubraum / Motor6162 cm³ / 8-Zylinder7883 cm³ / 8-Zylinder
Leistung318 kW / 432 PS bei 5900 U/min
Höchstgeschwindigkeit250 km/h278 km/h
0-100 km/h5,7 s
Verbrauch14,1 l/100 km
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Sport Auto 03 / 2022
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Erscheinungsdatum 04.02.2022

132 Seiten