Cabrio-Vergleichstest Golf GTI und Wendland-Golf
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Auch nach Markteinführung des ersten VW Golf GTI Cabriolets mit 210 PS müssen die Besitzer des bisherigen 1.4-TSI-Topmodells mit 160 PS ihren Frischluft-Golf nicht verkaufen. Wie der kleine TSI auf GTI-Niveau frisiert werden kann, zeigt Tuner Wendland.

 VW Golf GTI Cabrio, Wendland-VW Golf
Foto: Rossen Gargolov

Leistung im Erdbeerkörbchen war früher selten: Tuningfans entrissen dafür ihrem Stoffmützen-Golf den Vierzylinder und verpflanzten in langwierigen OP‘s VR6- oder 1.8-Turbo-Triebwerke. Huldigung für die Chirurgen gab‘s dann auf der jährlichen Pilgertour zum GTI-Mekka Wörthersee. Jungs, ihr müsst euch was Neues einfallen lassen – Motortransplantationen waren gestern, heute hat das Werk dem Golf Cabriolet offiziell den Leistungsorden GTI verliehen.

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Tuning gegen Serie, Klein gegen Groß

Doch müssen es ab Werk 210 PS sein? Wer das bisherige Topmodell mit 1,4-Liter-TSI und 160 PS besitzt, muss seinen Open-Air-Golf angesichts des Marktstarts des offenen GTI nicht verkaufen. Wir zeigen mit dem Wendland-Golf 1.4 TSI Cabrio, wie der vermeintlich Kleinere dem Größeren Paroli bieten kann. Startschuss für das Duell Serie gegen Tuning: Rote Streifen auf Wabengitter und Sportsitze mit klassischem Schottenkarostoff – optisch besteht das Cabriolet die Aufnahmeprüfung in die GTI-Familie mit einer glatten Eins. 9,0 Sekunden lautet der erste Messwert. Wir starten nicht mit der Beschleunigung, sondern mit dem Striptease zum Oben-ohne-GTI. Elektrisch öffnet und schließt das Stoffverdeck bis Tempo 30.

Rein in den tornadoroten Frischluft-Golf: Anders als früher schwillt der Lautstärkepegel bei geschlossenem Verdeck und höheren Geschwindigkeiten nicht mehr an, als ob man inmitten eines Hurrikans sitzt. Dank robuster Dichtungs- und Verdeckkonstruktion muss sich das Cabrio der sechsten Generation auf Autobahnetappen außerdem keine Häme mehr gefallen lassen. Hier blähte sich bislang das Verdeck des Erdbeerkörbchens wie ein Kugelfisch auf.

In 7,4 Sekunden von null auf hundert

Nicht nur die Verdecktechnik ist erwachsen geworden. Unter der Motorhaube arbeitet der bereits aus den Zwei- und Viertürermodellen bekannte Zweiliter-TSI der Baureihe EA 888 mit 210 PS. Ähnlich wie in den geschlossenen Varianten schiebt der Turbobenzin-Direkteinspritzer gut an. Mit 7,4 Sekunden für den Sprint von null auf Tempo 100 verpasst das GTI Cabrio die Werksangabe zwar um eine Zehntelsekunde, ist damit aber nur 0,2 Sekunden langsamer als der Festdach-GTI (sport auto 5/2009). Und das, obwohl das Cabriolet 135 Kilo mehr Gewicht schleppt.

Ein Sportfahrwerk, das die Vorderachse um 22 mm und hinten um 15 mm absenkt, soll die zusätzlichen Pfunde so gut wie möglich verheimlichen. Beim Cruisen agiert das GTI Cabrio mit langstreckentauglichem Federungskomfort ähnlich souverän wie die dauerhaft geschlossene Version. Bei zügigen Kurvenfahrten auf der Landstraße oder im Grenzbereich auf der Rennstrecke macht sich das Gewicht dann aber doch bemerkbar. Das Resultat: Seitenneigung und Schieben über die Vorderachse beim Anbremsen.
Wer nicht auf letzter Rille den Anker wirft und das GTI Cabrio fein dosiert ans Limit jagt, spürt bei Lastwechseln gar ein leicht mitlenkendes Heck. Eine sauberer, runder Fahrstil ist wichtig, ansonsten regelt das nicht abschaltbare ESP. Mit einer Rundenzeit von 1.21,8 Minuten in Hockenheim umrundet das Cabrio den kleinen Kurs zwei Sekunden langsamer als der geschlossene GTI. Schelte gibt‘s für die Verzögerung. Mit 40,4 Meter von 100 km/h auf null bremst das GTI Cabrio noch schlechter als sein Blechdachbruder (39,4 Meter).

Durch gezieltes Tuning auf 210 PS im Wendland-Golf

Auch wenn ein Großteil der Golf Cabrios wohl nur zwischen Grundschule, Tennisplatz und Einkaufszentrum flaniert, gehen wir noch weiter ins Extrem: Schwarze Rennstreifen auf weißem Grund – optisch will das getunte Wendland-Cabrio am GTI-Thron wackeln. „Wir wollten mindestens die GTI-Leistung erreichen“, sagt Dieter Wendland, der zusammen mit Bruder Karl-Heinz die Firma Wendland Motorentechnik im schwäbischen Rangendingen leitet.

Ziel: Aus 160 Serien-PS sollen standfeste 210 PS werden. Keine leichte Aufgabe, schließlich fällt das 1.4-TSI-Serienaggregat immer wieder durch ausgeleierte Steuerketten, defekte Kettenspanner und Nockenwellenversteller auf. Teils auftretende Motorschäden sind die bittere Folge. Zur Verbesserung der Standfestigkeit und Lebensdauer des 1.4 TSI montiert Wendland, wo man sich auf VW, Audi und Porsche spezialisiert hat, nun geschmiedete Kolben und ausgesuchte Steuerketten. Zudem optimieren die Motorenspezialisten Öl- und Kolbenkühlung sowie die Ölversorgung. Anschließend modifiziert Wendland das Motormanagement des originalen Motorsteuergeräts. 6.000 Euro für das Motorentuning sind zwar kein Schnäppchen, doch hinsichtlich der versprochenen Standfestigkeit gegenüber des anfälligen Serienaggregats gut angelegt.

Je mehr Drehzahl, desto giftiger

Und wie geht der kleine Motor mit der großen Leistung? Kurz: Im Drehzahlkeller leicht schlechter als der GTI, aber oben raus dafür deutlich besser. Bei der Beschleunigung nimmt der getunte Einsvierer dem GTI bis Tempo 100 eine Zehntelsekunde ab, bis 180 km/h sogar 1,4 s. Doch zum GTI-Bezwinger gehört mehr. Fahrwerksspezialist H&R verbaute ein rennsportähnliches Gewindefahrwerk, das von den Erfahrungen des giftgrünen H&R-Scirocco R des Teams Fleper Motorsport aus der VLN-Langstreckenmeisterschaft auf der Nordschleife profitierte. In ähnlicher Form kommt das Gewindefahrwerk auch mit Straßenzulassung auf den Markt. Rundum senkt das Fahrwerk den Schwerpunkt des Wendland-Cabrios um 40 mm ab. „Außerdem fahren wir vorn 2,5 Grad Negativ-Sturz und die Spur hinten leicht offen“, erklärt Walter Wirtz, Leiter der Fahrwerksentwicklung bei H&R.

Na dann auf nach Hockenheim. Das Thema Alltagskomfort vertiefen wir angesichts der straffen Federung lieber nicht. „Wer es komfortabler mag und Tieferlegung Wert legt, für den bieten wir moderate Fahrwerksvarianten für das Golf Cabriolet an“, sagt Fahrwerksentwickler Wirtz. Auf der Rennstrecke entschädigt das getunte Cabrio mit seinem Fahrspaß für so manchen Wirbelsäulentritt auf Autobahn-Querfugen. Für die Querdynamik-Darbietung wurden noch schnell Michelin Pilot Sport Cup-Schlappen aufgezogen. Dank des besseren Gripniveaus der Semislicks und der modifizierten Fahrwerksabstimmung (unter anderem Nachspur statt Vorspur an der Vorderachse) lenkt der Wendland-Golf direkter ein als der Serien-GTI.

Flotter als der Serien-GTI

Lastwechsel begrüßt der Wendland-TSI mit lustvoll eindrehendem Heck. Zumindest bis ihn die elektronischen Zügel wieder einfangen. Für eine schnelle Runde ist auch hier mit nicht abschaltbarem ESP ein sauberer Fahrstil Grundvoraussetzung. Gröbere Quersteher des Hecks bremsen die Regelimpulse sofort ein. Auch wenn das 1.4 TSI-Cabrio mit der kleineren Bremse die besseren Verzögerungswerte erreicht, gefallen Druckpunkt und ABS-Regelung beim GTI besser. Genug gemeckert: Senke, Südkurve, Start-Ziel-Gerade – die schwarz-weiß karierte Flagge fällt für das Wendland-Golf Cabrio bei 1.19,4 Minuten. Damit ist das getunte 1.4 TSI Cabrio 2,4 Sekunden flotter als der Serien-GTI. Déjà-vu für langjährige sport auto-Leser: In Heft 12/1979 trat das Golf I Cabriolet von Riechert-Tuning mit aufgebohrtem 100-PS-Vierzylinder samt 2B2-Zenith-Registervergaser an, um das damals GLI genannte Serientopmodell mit 110 PS zu jagen. Womit wir doch wieder beim Erdbeerkörbchen wären.

Technische Daten
Wendland Golf 1.4 TSI Cabriolet VW Golf Cabrio GTI GTI
Grundpreis26.075 €33.150 €
Außenmaße4246 x 1782 x 1423 mm4258 x 1782 x 1414 mm
Kofferraumvolumen250 l250 l
Hubraum / Motor1390 cm³ / 4-Zylinder1984 cm³ / 4-Zylinder
Leistung154 kW / 210 PS bei 6000 U/min155 kW / 210 PS bei 5300 U/min
Höchstgeschwindigkeit240 km/h237 km/h
0-100 km/h7,3 s7,4 s
Verbrauch7,6 l/100 km
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Sport Auto 03 / 2022
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Erscheinungsdatum 04.02.2022

132 Seiten