VW Golf R, Audi S3 Sportback, BMW M135i xDrive
Voll auf Angriff in den Vergleichstest

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Selbst in der heißen R-Variante kultivierte der VW Golf bislang eher die markentypische Emotionslosigkeit. Ob der Neue nun mehr anmacht? Im BMW M135i xDrive findet er einen harten, im Audi S3 Sportback einen besiegbaren Gegner.

VW Golf R, Audi S3 Sportback, BMW M135i xDRIVE, Frontansicht
Foto: Hans-Dieter Seufert

Natürlich mimen wir bei sport auto gerne mal die harten Jungs (Mädels halten sich leider von unseren Redaktionsstuben fern), lassen uns jubelnd in den schnellsten und kompromisslosesten aller Sportwagen ablichten, toben damit furchtlos und beseelt von kindlicher Freude über abgesperrte Rennstrecken. Doch den 24/7-365-Tage-Fahrspaß garantiert ein anderes Fahrzeugsegment: das der sportlichen Kompakten. Vor allem wenn sich ein BMW M135i zum Redaktionsbesuch ankündigt, mault niemand, im Gegenteil. Da darf es auch gerne der traktionssichernde Allradantrieb sein, obwohl der nun in Kombination mit Automatikgetriebe geliefert wird.

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W Golf R nimmt den Mund voll

Doch das schaltet blitzschnell durch seine acht Stufen und lässt einen im morgendlichen Berufsverkehr in Ruhe. Ach ja, und wenn es sein muss, zirkelt so ein BMW 1er schneller über den Kleinen Kurs in Hockenheim als der großartige M3 E46. Jetzt ist gerade mal wieder einer da, denn VW schickt den neuen Golf R für einen Vergleichstest vorbei. Ein Audi S3 Sportback komplettiert das Trio jener heißen Kisten, die sich dank ihrer übersichtlichen Maße angstfrei über Landstraßen scheuchen lassen, sorgenfreie Urlaubsreisen und Bestzeiten auf der Rennstrecke ermöglichen – oder?

Der VW Golf R jedenfalls nimmt den Mund, besser gesagt: die Heckschürze, ganz schön voll, denn da sitzen nun gleich vier nicht eben schmächtige Endrohre. Und dann das: Beim Anlassen des Turbo-Triebwerks rauschen dort Fünfzylinderklänge hinaus, tief, brodelnd – und künstlich generiert. Na, das kann ja heiter werden!

Hinterm auch hier unnötig abgeflachten Sportlenkrad quillt im VW Golf R aus jeder Pore golfigste Alltagstauglichkeit. Die serienmäßigen Sportsitze sind straff-bequem gepolstert, wirken nicht ganz so maßgeschneidert wie die des BMW M135i xDrive, bieten jedoch weit mehr Seitenhalt als das etwas platte Mobiliar des Audi S3 Sportback. So richtig schön tief sitzt nur der 1er-Fahrer, in den anderen hockt er ein bisschen höher. Jeder der drei stülpt sich übrigens auf Wunsch andere Kennlinien für Gaspedal-, Lenkungs-, ESP- und (je nach Ausstattung) Getriebe- sowie Dämpferabstimmung über.

M135i spurtet schneller als S3 und Golf R

Stichwort Getriebe: Aufgrund der aktuellen Verfügbarkeit der Testwagen entstand ganz nebenbei ein Vergleich von drei Getriebetypen. BMW: Wandlerautomat; Audi: Doppelkupplungsgetriebe. Und VW? Manuelles Sechsganggetriebe, recht kurz übersetzt obendrein. Den Autor freut's, zumal sich der Schalthebel leichtgängig und präzise durch die Gassen dreschen lässt. Das macht den VW Golf R wahnsinnig sympathisch – aber auch langsam, zumindest bei der Beschleunigungsmessung. Er spurtet im Vergleichstest in 5,6 Sekunden von null auf 100 km/h, verfehlt damit deutlich die Werte von Audi S3 Sportback und BMW M135i xDrive (5,0 und 4,8 s) und die Werksangabe (5,1 s). Ein Jammer, denn bereits bei dieser Disziplin deutet sich an, wie viel besser der VW Golf R gegenüber seinem Vorgänger geriet.

Allein das Triebwerk des VW Golf R: Als Basis dient der Zweiliter-Motor aus dem GTI, nun angereichert um einen neuen Zylinderkopf (samt Auslassventilen, Ventilsitzringen und Ventilfedern), neue Kolben, Hochdruck-Einspritzventile sowie einen größeren Abgasturbolader. So leistet der TSI 300 PS, entwickelt ein maximales Drehmoment von 380 Newtonmetern. Das liegt zwar erst bei 1.800 Umdrehungen an, doch der Direkteinspritzer lässt den VW Golf R nicht in ein klaffendes Turboloch fallen, sondern baut kontinuierlich Druck auf.

Sofern die Nadel des Drehzahlmessers die 2.000er-Marke passiert, feuert der VW Golf R so richtig los, grollt dabei herrlich grantig (ach, wüssten wir bloß nicht, dass der Klang künstlich ist), hetzt weiter bis knapp vor 7.000/min. Dazwischen: immer wieder der Griff zum Schalthebel, ein kurzer Ruck, der nächste Gang ist drin. Beim Audi S3 Sportback genügt leichtes Zupfen am Schaltpaddel, untermalt von einem kurzen Schnauben aus dem Auspuff, weiter geht's. Ja, im S3 arbeitet der identische Motor, klingt sogar etwas authentischer, weil brummiger, eben vierzylindriger.

Alle Freiheiten im BMW M135i xDrive

Jedenfalls macht das Aggregat im Audi S3 Sportback ebenfalls einen prima Job, wird nur durch das Doppelkupplungsgetriebe seltsam vom Fahrer entkoppelt. Beim Hochschalten ist noch alles gut, doch warum nimmt die S-Tronic selbst im manuellen Modus Kick-down an und schaltet selbstständig in den niedrigeren Gang? Macht der BMW M135i xDrive im Vergleichstest doch auch nicht.

Wer möchte, ist hier der Boss, darf ungehemmt in den Begrenzer schreddeln – wenngleich das kaum einen Sinn ergibt. Obwohl der BMW M135i xDrive mit Abstand am meisten Gewicht auf die Waage wuchtet, verhilft ihm die herrlich eingespielte Antriebseinheit zu den besten Beschleunigungswerten. Der heiser und tief klingende Sechszylinder kommt noch schneller zur Sache als die beiden Vierzylinder, dreht mit noch größerer Begeisterung aus, trompetet die Gegner dabei erbarmungslos nieder – der perfekte Soundtrack für eine schnelle Runde.

Selbst wenn der 1er auf dem Kleinen Kurs tendenziell untersteuert, bleibt er am gelassensten von den dreien, folgt stoisch der vorgegebenen Linie und hält über die präzise Lenkung besten Kontakt zum Fahrer. Die Stabilisierungsfunktion des ESP bleibt aus, der BMW M135i xDrive verfügt also über alle Freiheiten.

BMW mit Wampe

Doch selbst mit schwerem rechten Fuß lässt er sich beim Herausbeschleunigen aus Kehren – beispielsweise Ausgang Querspange/Eingang Motodrom – nicht zum Übersteuern drängen. Und die Bremse? Stabil wie immer. Danke. Meine Güte, was könnte das für ein Feuerwerk sein, wäre der BMW nicht so schwer. Wo doch schon jetzt seine Ausgewogenheit, sein ständig leistungsbereiter Antrieb und die hohe Präzision ihn zum König der Kompakten adeln. Und ganz nebenbei ermöglichen die optionalen Adaptivdämpfer des M135i xDrive sogar noch alltagstauglichen Komfort selbst auf fies geflickten Landstraßen.

Das konventionelle Fahrwerk des Audi S3 Sportback gerät hier an seine Grenzen, doch die straffe Abstimmung passt schon in dieser Fahrzeugklasse. Was dagegen überhaupt nicht passt: der massive Drang zum Untersteuern. Vor allem auf der Rennstrecke lässt der Audi damit viel Zeit liegen, da er zwar durchaus auf Lastwechsel mit einem leichten Heckschwenk reagiert, beim Herausbeschleunigen unter Last aber viel stärker über die Vorderräder schiebt als die Konkurrenten. Hinzu kommt, dass seine Lenkung im Vergleichstest in etwa so viel Rückmeldung bietet wie ein Slalom-Ski im Tiefschnee.

Wie schon in diversen Vergleichstests zuvor erweist sich der Audi S3 also auf der Rennstrecke als eher fehl am Platze, und auch im Slalom kann er sich nicht profilieren – hier steht ihm die gefühlsarme Lenkung im Weg. Auf der Landstraße gelten andere Gesetze, hier sind die Tempolimits rigoros und die Fahrbahnen schmal.

Und sollten sie einmal nass sein, hilft dem S3-Fahrer eine wirklich hervorragende ESP-Abstimmung, selbst unter diesen Bedingungen geradezu verboten schnell unterwegs zu sein. Mit permanenten, extrem feinfühligen Eingriffen weicht der Audi nur minimal von der vorgegebenen Linie ab, während der BMW doch ziemlich rigoros von seiner Elektronik zusammengestaucht wird. Tatsächlich verhält er sich trotz xDrive eher wie ein Hecktriebler, übersteuert gerne, bleibt dabei aber gut beherrschbar. Hey, wir wären nicht bei sport auto, wenn wir da nicht applaudieren würden. Nur schnell ist er dabei nicht, der BMW M135i.

VW Golf R erteilt Grundlektion im Fach Übersteuern

Dennoch fügt sich das alles in das Bild des als Kompaktkutsche getarnten Sportwagens, abgesehen von der erwähnten Fettleibigkeit vielleicht. Und der VW Golf R? Er wäre kein VW, entließe er seinen Fahrer unter solchen Bedingungen mit angstfeuchten Händen in die Freiheit. Im VW Golf R regelt die Elektronik ebenfalls sensibler als im BMW, doch im Gegensatz zum Audi erteilt der VW schon mal eine Grundlektion im Fach Übersteuern – kein Witz.

Darf im Race-Modus das ESP die Zügel etwas lockerer lassen, kündigt sich das auf der Bremse lose Heck früh an, bei komplett deaktivierter Stabilisierungsfunktion geht's auch schon mal komplett quer dahin. Nein, nein, wir haben weder geraucht noch getrunken oder gar beides. Der neue Golf R rockt wie noch nie ein Golf zuvor. Noch mehr Beweise? Ab nach Hockenheim, wo der Asphalt trocken und die 19-Zoll-Räder auf Temperatur sind.

In beinahe jede Kehre lässt sich der VW Golf R gefahrlos hineinbremsen, drückt dann leicht mit dem Heck und schiebt kaum über die Vorderräder. Unter Last bleibt die Spurtreue erhalten, der VW baut an der Vorderachse viel mehr Grip auf als sein Konzernbruder.

Zudem vermittelt die Lenkung viel mehr Gefühl, bleibt selbst im Race-Modus frei von künstlicher Schwergängigkeit. Von der harten Sorte dagegen: das Fahrwerk. Auf der Rennstrecke geht das in Ordnung, die Seitenneigung bleibt gering, die Restfederwege ausreichend für gute Traktion. Abseits der Piste empfiehlt sich speziell in Verbindung mit den optionalen 19-Zoll-Rädern der Komfort-Modus. Und selbst dann kämpft der VW Golf R doch arg mit groben Fahrbahnunebenheiten.

Vorfreude auf den nächsten Besuch

BMW-Fans müssen jetzt tapfer sein: Der 1er kann das zwar besser. Abgesehen von der schieren Beschleunigung hängt der Bayer den so gar nicht spröden Niedersachsen jedoch nicht ab, weder im Slalom noch auf der Rennstrecke. Dessen gegenüber dem GTI nochmals modifiziertes Fahrwerk (der VW Golf R liegt weitere fünf Millimeter tiefer und verfügt über härtere Federraten) und die geschickte Allradabstimmung pulverisieren die Erinnerung an alle bisherigen R-Gölfe.

Nur die mächtigen Sechszylinder-Fanfaren des ersten R32 vermissen wir schon ein bisschen, suchen Trost beim BMW M135i, der diesen Vergleich eindeutig für sich entscheidet. Die Redaktion freut sich jetzt schon auf dessen nächsten Besuch – aber auch auf den des neuen VW Golf R!

Technische Daten
Audi S3 Sportback 2.0 TFSI Quattro BMW M135i xDrive VW Golf R R
Grundpreis42.850 €44.750 €40.400 €
Außenmaße4324 x 1785 x 1404 mm4340 x 1765 x 1430 mm4276 x 1799 x 1436 mm
Kofferraumvolumen340 bis 1180 l360 bis 1200 l343 bis 1233 l
Hubraum / Motor1984 cm³ / 4-Zylinder2979 cm³ / 6-Zylinder1984 cm³ / 4-Zylinder
Leistung221 kW / 300 PS bei 5500 U/min235 kW / 320 PS bei 5800 U/min221 kW / 300 PS bei 5500 U/min
Höchstgeschwindigkeit250 km/h250 km/h250 km/h
0-100 km/h5,0 s4,8 s5,6 s
Verbrauch6,9 l/100 km7,8 l/100 km7,3 l/100 km
Die aktuelle Ausgabe
Sport Auto 03 / 2022
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Erscheinungsdatum 04.02.2022

132 Seiten