Abt-Audi AS6-R im Test
600 PS in der Familien-Kutsche

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600 PS im Kombi – wo gibt’s denn so was? Leistungsfähigere Turbolader pumpen dem Vierliter des Abt-Audi AS6-R so viel Sauerstoff in die Brennräume, dass er damit sogar das 560 PS starke Werksmodell Audi RS6 hinter sich lassen könnte. Wir schauen im Test, ob das dem Allgäuer gelingt.

Abt-Audi AS6-R, Kühlergrill, Frontansicht
Foto: Rossen Gargolov

Glaubt man der Abt’schen Presselyrik, dann gilt das Understatement als die Waffe großer, starker Persönlichkeiten. Abgesehen davon, dass man nicht genau weiß, ob das auch schon bei all diesen Persönlichkeiten angekommen ist, fragen wir uns, warum Abt das ausgerechnet mit dem Abt-Audi AS6-R in Verbindung bringt.

Vierliter V8 des S6 als technische Basis

Sicher gibt es noch brachialer auftretende Typen, aber die Unscheinbarkeit in Kombi-Person gibt der gepimpte Abt-Audi AS6-R nicht gerade. Wobei ja schon die Autorität des serienmäßigen S6-Kühlergesichts ausreicht, das Fortkommen auf der linken Autobahnspur erheblich zu erleichtern.

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Sinnvoll, denn das Asphaltband kann hinterm Steuer des Abt AS6-R ganz schön schmal werden. 600 PS und 750 Newtonmeter lassen große Distanzen fixer schrumpfen, als mancher denkt. Basierend auf dem 420 PS starken S6 wringen die Äbte 180 PS und 200 Newtonmeter extra aus dessen Vierliter-V8 mit Biturboaufladung. Das Rezept: Abt-spezifische Turbolader plus angepasste Motorsteuerung zur intensiveren Beatmung des V8-Triebwerks.

Audi RS6 kostet etwa das gleiche wie der Abt

Allerdings nicht intensiv genug, denn zum einen verfehlt der 1.989 Kilogramm schwere Testwagen die Werksangabe für den Sprint auf 200 km/h um eine Sekunde, zum anderen liegt der Abt-Audi AS6-R damit sogar hinter dem nominell schwächeren Werksapparat von Audi, dem 560 PS starken RS6. Natürlich geht auch der Abt für sich genommen heftig und ruft bei unbedarften Beifahrern Schnappatmung hervor.

Ausgebuffte Piloten denken jedoch irgendwann: Wie, das war es nun schon? Dem knapp 107.000 Euro teuren Abt-Audi AS6-R fehlt der letzte Schliff für die automobile Champions League: So spricht der gedopte Vierliter weder besonders akkurat an noch drückt er konsequent durchs Leistungsband oder dreht ambitioniert aus.

Piloten des etwa gleich teuren Audi RS6 sind jedenfalls Besseres gewohnt. Immerhin sind beim Volllast-Start keine Gummiwolken oder sonstwie lähmender Schlupf zu befürchten, dafür sorgt der Allradantrieb mit einer Grundkraftverteilung von 40 zu 60 Prozent. Er gibt die vom Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe übermittelte Leistung im Test effizient an die 21-Zöller weiter. Statt Rauchvergiftung droht höchstens eine Überziehung des Flensburger Punktekontos, denn selbst wer den V8-Powerblock nur ganz lässig auf der Landstraße herumschnuffeln lässt, ist ratzfatz jenseits von Gut und Böse.

Abt AS6-R mit gespaltener Persönlichkeit

Ziehen Tempo und Schwierigkeitsgrad der Strecke an, offenbart der Abt-Audi AS6-R im Test eine ziemlich gespaltene Persönlichkeit. Offensichtlich konnten sich die Audi-Profis aus dem Allgäu nicht zu einer konsequent dynamischen Abstimmung durchringen. Das zeigt sich etwa an den deutlichen Karosseriebewegungen in Form von Nicken und Rollen, die das luftgefederte, adaptiv gedämpfte Fahrwerk zulässt. Bei sportlicher Fahrweise bleiben die Dämpfer konsequent komfortabel, selbst im Dynamik-Modus mutet der Abt seinen Passagieren keine Härten zu.

Zudem rollt der Abt-Audi AS6-R trotz 21-zölliger Maxibereifung in 265/30 überraschend sanft ab. Für einen Langstrecken-Kombi ist das okay – auf kurvigen Pisten jedoch ziemlich spaßbremsend. Gleiches gilt für die Abstimmung der elektromechanischen Servolenkung. Sie setzt Kommandos aus einer beruhigenden stabilen Mittellage gelassen um und bietet trotz synthetischem Gefühl grundsätzlich ausreichende Präzision – detailfreudig-intensive Rückmeldung bleibt sie ihrem Piloten aber schuldig.

Wen wundert es da, dass neben langen Gesichtern bei den subjektiven Testfahrten auf der Straße dann auf dem Kleinen Kurs in Hockenheim nur eine Rundenzeit von 1.17,0 Minuten herausspringt? Zu unpräzise und zu schwerfällig umrundet der Abt-Audi AS6-R in unserem Test den Kurs. Er kann Leistung, Traktion und seine bissfeste Bremsanlage nicht in überzeugende Performance gießen.

Weder charmanter Cruiser noch beinharter Sportler

Ein gelungener Komfort-Cruiser mit Hochgeschwindigkeits-Kompetenz also? Die Audi-üblich hochklassige Verarbeitung sowie die umfangreiche Serienausstattung mit Valcona-Ledersitzen, Vierzonenklima, Soundsystem, Navigation und Rückfahrkamera legen diesen Schluss nahe. Wenn da nicht die beim Abt-Audi AS6-R obligatorische Auspuffanlage mit ihren vier 89er-Endläufen wäre.

Aus dieser dröhnt und brummt es speziell bei ruhiger Fahrt, also geringer Drehzahl und mittlerer Last, so penetrant, dass man irgendwann mit dem Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe herunterschaltet, nur um in einen anderen Drehzahlbereich zu gelangen und damit den Dröhnfrequenzen zu entkommen.

Seine aktuelle Drehzahl zeigt der Testwagen übrigens nicht nur per Nadel auf den perfekt ablesbaren Analoginstrumenten, sondern mittels kleiner Leuchtdioden auch im alcantarabezogenen Lenkrad an. Apropos leuchten: Bei geöffneter Tür projiziert eine LED das Abt-Logo auf den Asphalt. Auch etwas, das man mögen kann oder auch nicht – so wie das ganze Auto.

Technische Daten
Abt AS6-R
Grundpreis116.520 €
Außenmaße4934 x 1874 x 1482 mm
Kofferraumvolumen565 bis 1680 l
Hubraum / Motor3993 cm³ / 8-Zylinder
Leistung441 kW / 600 PS bei 5500 U/min
Höchstgeschwindigkeit310 km/h
0-100 km/h4,0 s
Verbrauch18,2 l/100 km
Die aktuelle Ausgabe
Sport Auto 03 / 2022
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Erscheinungsdatum 04.02.2022

132 Seiten