Artega GT im Test
Deutscher Aufsteiger mit Sex-Appeal

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Der Artega GT bläst im Test mit V6-Saugmotor zum Angriff gegen Porsche Cayman S und Co. Nach der geglückten Rettung der in Delbrück beheimateten, neuen Sportwagenmarke Artega ist ein neues Sportcoupé mit knackigkompakten Formen auf dem Markt. Wir testen den ostwestfälischen Mittelmotorsportler auf der Rennstrecke.

Artega GT
Foto: Rossen Gargolov

Manchmal ist der Weg zum Start der schwierigste. Davon wissen nicht nur die Teilnehmer des 24-Stunden-Rennens am Nürburgring ein Lied zu singen. Auch die Entwickler der Automobilindustrie kennen die Unbillen, die mit der Kreation eines komplett neuen Fahrzeugs verbunden sind. Umso optimistischer mutete anno 2007 die Automobilsalon getroffene Ansage von Klaus Dieter Frers, Vorstand des Automobilzulieferers Paragon, an, im automobiltechnisch betrachtet doch recht fernen ostwestfälischen Delbrück mit dem Artega GT einen eigenen Sportwagen bauen zu wollen.

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Die etablierten Sportwagenbauer sollen sich ärgern

Nicht in streng limitierter Einzelanfertigung wohlbemerkt, sondern als langfristig angelegtes Serienprojekt mit einem klaren Ziel: den etablierten Sportwagenbauern nachhaltig in die Suppe zu spucken. Dazu bedurfte es zugelieferter Technik – gewiss. Unterm Strich sollte der angedachte Mittelmotor-Zweisitzer jedoch trotz etlicher Bauteile aus dem VW-Regal (V6-Saugmotor, DSG-Getriebe) einen gänzlich eigenständigen Charakter besitzen. Mit seinen kompakten Abmessungen, dem Mittelmotorkonzept und konsequentem Leichtbau soll der Artega GT im Test zeigen, dass es nicht immer und unbedingt exorbitanter Motorleistungen braucht, um flott ums Eck zu wedeln. Eckdaten, die die neue Führung um Ex-BMW-, Continental- und Infineon-Vorstand Wolfgang Ziebart und den mexikanischen Privatinvestor Tresalia Capital grundsätzlich eins zu eins übernommen hat.

Der Artega GT wiegt gerade mal 1.283 Kilogramm

Ergo erfüllt der 300 PS starke Zweisitzer mit vier Meter von der Frontschürzenspitze bis zu dem ovalen Auspuffendrohren die ehedem für die Kompaktklasse bindende Längennorm. Zudem trägt der Artega GT sein 3,6 Liter großes, V-förmig angeordnetes Six-Pack nahezu unsichtbar vor der Hinterachse und baut auf einem gerade einmal 100 Kilogramm schweren, in Eigenregie konstruierten Aluminium-Spaceframe auf. Gepaart mit hochfesten Stählen und kohlefaserverstärkten Verbundwerkstoffen gelang es den Entwicklern auf diesem Weg, das Gesamtgewicht des hinterradgetriebenen Mittelmotorcoupés mit 1.283 Kilogramm wohltuend niedrig zu halten. Zum Vergleich: Ein Porsche Cayman S bringt, obwohl gleichfalls zu den leichteren Sportwagen zählend, bereits rund 120 Kilo mehr auf die Waage und muss in der Folge trotz seiner nominell höheren Leistung von 320 PS mit jeder Pferdestärke 4,6 statt wie der Artega GT knapp 4,3 Kilogramm in Bewegung setzen.

Dies und die dem Antriebskonzept geschuldete leicht hecklastige Gewichtsverteilung von 42,6 zu 57,4 Prozent lassen in Bezug auf die fahrdynamischen Anlagen einiges vom Artega GT im Test erwarten. Bevor dem Sportcoupé im Rahmen eines ersten Tests gründlich auf den Zahn gefühlt wird, sei allerdings erst einmal behutsam Kontakt mit dem Newcomer aufgenommen. Behutsam deshalb, weil an Bord des kompakten Hecktrieblers mit den wuchtigen, 305/30 R 19 messenden Michelin Pilot Sport 2-Pneus an der Hinterachse einiges anders ist als bei der etablierten Konkurrenz aus der Großserienproduktion.

Manches davon, so zum Beispiel die an alte Handkurbeln erinnernden Bedienhebel der elektrischen Fensterheber, geht als ebenso liebevolles wie funktionelles Detail durch, anderes erweist sich bei näherem Hinsehen als wenig alltagstauglich. In jene Kategorie fällt beispielsweise der Rückspiegel mit integriertem Navigationssystem. Große Piloten haben ihn einerseits gefährlich nah am Kopf, was das Ablesen im Falle einer etwaig vorhandenen, altersbedingten Weitsichtigkeit ausgesprochen mühsam macht; andererseits ist das Bauteil so gewichtig, dass es bei der flotten Kurvenhatz der Schwerkraft Tribut zollen muss und das Köpfchen hängen lässt. Rücksicht ist dann keine mehr. Dabei ist jene ansonsten tadellos, weil die C-Säule beim Artega GT angenehm filigran ausfällt. Für die Außenspiegel gilt dies nicht: Sie sind recht groß geraten und beeinträchtigen die Sicht beim Abbiegen.

Kein Einheitsbrei im Cockpit des Artega GT

Auch die teils analoge, teils digitale Instrumentierung des Newcomers Artega GT weiß nicht wirklich zu überzeugen. Die Ablesbarkeit des kombinierten Drehzahlmesser-Tachos ist ebenso mäßig wie die Bedienfreundlichkeit der Multifunktionseinheit in der Mittelkonsole, die digitale, in den Ampelfarben grün, gelb und rot zum nächsten Boxenstopp gemahnende Tankanzeige zumindest gewöhnungsbedürftig. Ohne einem wie auch immer gearteten Einheitsbrei im Cockpit das Wort reden zu wollen, täte dem Artega GT eine gewisse Glättung im Innenraum-Styling also durchaus gut.

Fahrdynamisch in Schlagdistanz zur etablierten Sportwagenkonkurrenz

Wer lange Beine und nicht allzu lange Arme hat, würde sich zudem einen weiteren Verstellbereich von Lenksäule und Fahrersitz wünschen. So lange jener nicht gegeben ist, nehmen große Menschen in den gut konturierten, mit Leder bezogenen Sportsitzen im Artega GT eine froschähnliche Haltung ein – ähnlich wie im alten Alfa Romeo. Darüber hinaus missfallen bei Alltagsfahrten vor allem die gefühllose Lenkung, die so gut wie keine Rückmeldung liefert und das Bremspedal, dem ein klar definierter Druckpunkt abgeht. Erstgenannter Makel ist natürlich auch in den fahrdynamischen Disziplinen, in denen der Artega GT im Test einen insgesamt guten Eindruck hinterlässt, ein Thema. Die überaus leichtgängige und wenig definierte Lenkung des Zweisitzers stört bei der Zeitenhatz auf dem Kleinen Kurs in Hockenheim ebenso wie im Slalomparcours. Hier wie da entpuppt sich das 1,18 Meter niedrige Coupé nämlich als Mittelmotorsportler vom alten Schlag – vorbildlich neutral unter Last und empfindsam gegenüber Lastwechseln.

In der mit beachtlichen 70,4 km/h Durchschnittsgeschwindigkeit durcheilten Wedelgasse kam es bei deaktiviertem ESP daher auch schon mal zum Dreher. Seine ganze Klasse spielt der auf dem Kleinen Kurs mit 1.15,3 Minuten zwar flotte, aber nicht überragend schnelle Sportwagenfloh dann auf der Messgeraden aus: Für die nach dem zehnten Haltemanöver aus Landstraßentempo mit 11,7 m/s² zupackende Bremsanlage erhält der Delbrücker hier wie schon im Slalom die maximale Punktzahl in der sport auto-Test-Wertung. Im Sprintvermögen bietet der Artega GT der Konkurrenz von Porsche und Co. mit 4,9 Sekunden von null auf 100 km/h locker die Stirn, und frei aufspielen darf er ebenfalls: Das Werk verspricht 271 km/h Höchstgeschwindigkeit.

Unterm Strich ist dem neuen Führungsduo also zu attestieren, dass es gute Arbeit geleistet hat. Fahrdynamisch ist der V6-Sportler schon jetzt in Schlagdistanz zur etablierten Konkurrenz. In Bezug auf Ergonomie, Bedienbarkeit, Qualität und Komfort gibt es indes noch Spielraum nach oben. So würde man dem mit einem stoischen Geradeauslauf gesegneten Artega GT beispielsweise moderatere Abrollgeräusche sowie eine wie auch immer geartete Arretierung der auch in ungeeigneten Momenten selbst schließenden Türen wünschen. Zudem darf der starke Kleine akustisch gut und gerne noch ein wenig zulegen. Der insbesondere oben heraus etwas angestrengt klingende Sound beschreibt das Temperament des Artega GT im Test nur ungenügend.

Technische Daten
Artega GT
Grundpreis79.950 €
Außenmaße4015 x 1882 x 1180 mm
Kofferraumvolumen300 l
Hubraum / Motor3597 cm³ / 6-Zylinder
Leistung220 kW / 300 PS bei 6600 U/min
Höchstgeschwindigkeit273 km/h
0-100 km/h4,9 s
Verbrauch8,9 l/100 km
Die aktuelle Ausgabe
Sport Auto 03 / 2022
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Erscheinungsdatum 04.02.2022

132 Seiten