Bentley Continental GT Speed W12 Convertible
Was reißt der 2,5-Tonner im Test?

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Schiere Größe und geschliffene Eleganz sind dem Sportwagenpiloten schnuppe. Nur wenn im Rückspiegel ein Bentley Continental GT Speed W12 Convertible herandonnert, wirft das Fragen auf. Der Test liefert Antworten.

Bentley Continental GT Speed W12 Convertible, Frontansicht
Foto: Rossen Gargolov

Es gibt eine Berufsgruppe, die fährt voll auf Bentley ab: Basketballspieler. LeBron James hat einen, auch Kobe Bryant und Dwight Howard. Das macht Sinn, denn ein 2,15-Meter-Hüne käme ja auch nicht auf die Idee, in einem japanischen Kapselhotel zu nächtigen. Warum sollte er dann seine langen Gliedmaßen in einen knallengen Ferrari verknoten?

Bentley Continental GT Speed W12 Convertible für 256.040 Euro

Bentley scheint die Extreme anzuziehen. Am anderen Ende der Kundenskala finden sich viele gar nicht so große Menschen, ob in China oder Europa, doch das wäre eine gesonderte Betrachtung wert. Was Groß und Klein hier eint, ist, dass sie wichtig sind, Autos mögen, Platz benötigen – und bereit sind, dafür eine Stange Geld auszugeben. Ganz konkret sind das im Fall des Bentley Continental GT Speed W12 Convertible mindestens 227.290 Euro (Testwagenpreis: 256.040 Euro). Das offene Flaggschiff hat zudem den Vorzug, dass auch wirklich jeder sehen kann, wer für die edle und lederduftende Opulenz geblecht hat. Für Heuschnupfen-Allergiker ist das kein Argument.

Der geneigte Sportwagenfahrer mag ob der Zurschaustellung von Wichtigkeit und Luxus die Nase rümpfen, doch ein kurzer Fan-Check mit dem Bentley Continental GT Speed W12 Convertible beim Touristenverkehr auf der Nordschleife erbrachte drei Trends: Erstens fährt kein Bentley auf der Nordschleife. Zweitens sorgt nur der Bentley für einen so grotesken Selfie-Andrang, dass man für die Foto-Option sogar locker Eintritt verlangen könnte. Und drittens sprach ein Elfer-Treter einen wichtigen Satz: „Das ist fraglos das schönste Auto unter all diesen Ozeandampfern!“

Die erlesene Zahlenreihe

Die Menschheit ist sich einig: Der Continental ist ein schönes Auto, besonders als Cabriolet. Selbst wenn sein Auftritt Neid produziert, wirft ihm keiner Hässlichkeit vor. Die Briten aus Crewe haben es geschafft, den Platz eines Kreuzfahrtschiffs mit der Eleganz eines Speed-Boots zu vermählen. Dafür ein „well done“!

Aus sportlicher Sicht macht das überhaupt keinen Sinn, denn wer ein Speed-Boot will, verzichtet gerne auf Platz. Andererseits gibt es Kunden, die auf 625 PS – mehr als ein Porsche Turbo – unter keinen Umständen verzichten wollen, aber gleichzeitig ihre langen Haxen verstauen müssen. Zum Beispiel Basketballspieler.

Für 250 Riesen stellt man sich eine erlesene Zahlenreihe in den Fuhrpark: 12 Zylinder; 6 Liter Hubraum; 48 Ventile; 625 PS; 800 Nm; 325 km/h Topspeed; 21-Zoll-Räder; 420 mm große Bremsscheiben – damit gewinnt man jede Stammtischdiskussion im Handumdrehen, und sogar echte Sportwagenfahrer würden bis hierher die Ohren spitzen. Allerdings nur bis zu letzten Ziffer: 2.504 Kilogramm. Uff.

Continental GT Speed W12 wie eine Hornisse im Sturzflug

Das hat natürlich Folgen, subjektiv und objektiv. Generell ist es ja absolut verblüffend, wie es Ingenieure heute schaffen, dass sich viel Gewicht im Auto irritierend leicht anfühlt. Jedoch gibt es eine Grenze für solche Gaukeleien, die liegt bei knapp unter zwei Tonnen.
Im Alltag spielt das Gewicht objektiv keine Rolle. Wenn der riesige Motor assistiert von zwei Turboladern zur Attacke bläst und der Conti, wie ihn die Briten liebevoll rufen, wie eine Hornisse im Sturzflug davonbrummt, so tut er dies mit absurder Leichtigkeit, und es spielt auch überhaupt keine Rolle, bei welcher Drehzahl oder Geschwindigkeit der Beschleunigungsbefehl erteilt wurde.

Theoretisch würde der Bentley Continental GT Speed W12 mit geöffnetem Verdeck und über 300 km/h noch die Porsche piesacken, auf dass einem nicht nur die Haare zu Berge stünden, sondern vom Wind einzeln aus der Kopfhaut gerissen würden. Mit dem riesigen Verdeck von der Größe einer Zeltplane und der Solidität einer Stahlkonstruktion knackt der Conti natürlich locker die 325-km/h-Vorgabe.

Der Bentley Continental GT Speed W12 Convertible ist ein Meister sturer Längsdynamik, und das dürfte den meisten Kunden völlig reichen. Wer nun aus dem jüngst getauften GT3-Rennprogramm der Marke mit dem geflügelten B übermütig ableitet, er könne die wieselflinken Supersportwagen nicht nur auf der Autobahn zu Tode hetzen, sondern vielleicht auch auf der Rennstrecke, dem sei klar beschieden: no way!

Stürmertalent des W12 verpufft in Untersteuern

Die kunstvolle Leichtigkeit der schweren Cabriolet-Wumme hat physikalische Grenzen. Bei harten Anbremsmanöver im Test taucht der Vorderwagen, der schon statisch mit 1.409 Kilogramm belastet ist, wie ein stolpernder Dinosaurier ein, da hilft auch die 10.405 Euro teure Zugabe von Keramikbremsscheiben nicht wirklich weiter.

Vielleicht reißt es ja der Motor im Test raus, mit seiner schieren Power? No, Sir! Sein phänomenales Stürmertalent verpufft auf der Rennstrecke in quietschendem Untersteuern, das mit jedem Grad Lenkwinkel lauter wird. Der serienmäßige Allradantrieb kann daran auch nichts ändern.

Während die Längsagilität zu spielerischen Duellen mit Ferrari und Co. beflügelt, lauten die Gegner auf dem kleinen Kurs in Hockenheim Citroën DS3 Racing oder Peugeot RCZ. Der Koloss aus Crewe schrumpft auf der Rennstrecke plötzlich auf Normalgröße, subjektiv und objektiv. Die Physik lässt sich halt nur auf der Autobahn austricksen. So wird kein Besitzer eines Bentley Continental GT Speed Convertible jemals freiwillig dieses Refugium betreten.

Warum die Marke mit einem um über 1.000 Kilo erleichterten Continental Rennen in der GT3-Klasse fährt, das wissen nur die Götter. Vermutlich liegt es daran, dass die Rennerfolge in den 20er-Jahren des letzten Jahrhunderts die Matrix der Marke prägten – und die Legende der Bentley Boys soll und muss um jeden Preis fortleben.

007 der berühmteste Bentley-Fahrer

Ob Kunden vom Kaliber eines LeBron James oder Kobe Bryant aus Traditionsgründen Bentley fahren, wissen wir nicht. Das schillernde Kundenprofil der Marke Bentley ist aber auf hippe Korbspieler gar nicht angewiesen: Der berühmteste Bentley-Fahrer aller Zeiten hat nie gelebt – und hieß 007, der Geheimagent seiner Majestät. In der Romanvorlage von Ian Fleming besaß James Bond mehrere Bentley, in den Filmen fuhr er meist Sportwagen – von Aston Martin.

Technische Daten
Bentley Continental GT Speed Cabrio 6.0 W12 4WD Speed
Grundpreis232.764 €
Außenmaße4806 x 1944 x 1393 mm
Kofferraumvolumen260 l
Hubraum / Motor5998 cm³ / 12-Zylinder
Leistung467 kW / 635 PS bei 6000 U/min
Höchstgeschwindigkeit327 km/h
Verbrauch14,9 l/100 km
Die aktuelle Ausgabe
Sport Auto 03 / 2022
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Erscheinungsdatum 04.02.2022

132 Seiten