Audi TT RS Coupé im Test
Im fünften Himmel auf Rädern

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Vier Arbeitstakte bei zwei Kurbelwellenumdrehungen – das beschert dem Fünfzylindermotor einen Zündwinkel von 144 Grad. Dies sei nur erwähnt, weil da beim Audi TT RS die Musik herkommt. Und die fetzt auch als Langspielplatte ganz ungemein, wie der Dauertest belegt.

Audi TT RS, Seitenansicht
Foto: Rossen Gargolov

Die Jungfernfahrt begann mit einem Missverständnis: Autoroute E25 zwischen Saarbrücken und Metz, Shell Tankstelle Longeville-lès-Saint-Avold: Zum allerersten Mal steckt die Zapfpistole im neuen sport-auto-Dauertester Audi TT RS. Eine Stimme aus dem Off begleitet den Service-Stopp mit folgender Frage: „Wer so ein Auto fährt, gehört doch sicher zum Audi-Werksteam?“

Hinter dem Redakteur steht ein britischer Schmalhans mit Rucksack, der zum Vortest nach Le Mans trampt. Warum er sich bei der Anreise so weit nach Westen verirrt hat, bleibt ebenso offen wie die Frage, warum jeder Audi-Fahrer gleich Mitglied des Werksteams sein muss. Doch der Brite erweist sich als kenntnisreicher Enthusiast: „Ingolstadt number plates!“

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70.000 km im Audi TT RS

Es entbehrt nicht einer gewisser Symbolik: In 17 Monaten wurde der Audi TT RS gleich vier Mal über die 854 Kilometer lange Strecke von Stuttgart nach Le Mans gescheucht, Le Mans war sozusagen der Bilderrahmen dieses Dauertests. Und dabei sah das schnittige Coupé – wie konnte es auch anders sein – zwei Le Mans Siege des Audi-Werksteams. Audi ist in Le Mans eine Bank – und der Audi TT RS präsentierte sich über die Marathondistanz von fast 70.000 Kilometer ebenfalls als schneller und begehrter Dauerläufer.

Die magnetische Strahlkraft des Audi TT RS speiste sich zuallererst und ganz simpel aus fünf Zylindern. Automobiltester sind Ohrenmenschen und Romantiker obendrein. In einem Satz: Wir lieben das Bass-Röhren der Fünfzylinder, nicht erst seit dem legendären Sport Quattro S1 oder dem nicht minder kultigen Bäckerauto Audi RS 2. Diese Liebe hat, dem TT RS sei es gedankt, auch im 21. Jahrhundert ihre volle Daseinsberechtigung.

Fünf statt vier Zylinder machen den Unterschied

Fünf statt vier Zylinder – man mag gar nicht glauben, wie groß der Unterschied ist. Die Audi TT-Baureihe bringt den Vergleich ganz konkret auf die Straße: Zwischen TTS und TT RS liegen nicht nur ein Buchstabe und ein Zylinder, sondern Welten. Wenn es für die Motorenkategorie „Lässigkeit“ Punkte geben würde, der Vierzylinder-Turbo des TTS, der für sich betrachtet ein Monstermotor mit vier scharfen Krallen ist, bekäme zwei Punkte – der RS aber zehn.

Nicht, dass sich die 272 PS des Vierzylinders wie Valium auf die Sportlerseele des TT legen würden. Doch die 340 Pferde der Fünfzylinder-Peitsche schnalzen einem Drehmoment von 450 Newtonmeter, das zwischen 1.600 und 5.300 Umdrehungen drückt, schiebt, wirbelt. Wie gut der Fünfender im Futter stand, brachte übrigens ein Test auf dem Leistungsprüfstand der Firma Wendland zu Tage: 366,7 Pferde und 485,8 Newtonmeter.

Derart gedopt ist der Standardsprint auf 100 km/h nach 4,1 Sekunden erledigt und den Topspeed von 280 Sachen schüttelt der Audi TT RS ganz locker aus dem Ärmel. Der Digitaltacho attestierte sogar 306 km/h – da hatten sich viele Porsche-Fahrer aber schon resigniert aus dem Rückspiegel verabschiedet.

Der 2,5-Liter-Motor brachte Sechs- und Achtzylinder-Piloten reihenweise zur Weißglut. Die Gedemütigten verblümen ihre Niederlagen gern mit dem Argument, ihre Motoren hätten eine bessere Laufkultur. Natürlich produzieren die ungewöhnliche Zündfolge des Fünfzylinders und der Zündabstand von 144 Grad bei hohen Drehzahlen Massenkräfte zweiter Ordnung. Doch da, das sei den Nörglern versichert, stecken wir mitten im Überholvorgang ...

Der Audi TT RS ist ein Motor mit vier Rädern

Dieses Feststellung galt unumstößlich auch nach 69.656 Kilometern: Als der TT die Redaktion verließ, beklagten wir den Verlust. Unvergessen die automatisierten Starts mit der Launch-Control – das kann nur ein Kampf-Jet der Bundesluftwaffe besser. Unglaublich, wie sich der Audi TT RS auf der Rennstrecke ab Kurvenscheitelpunkt in die Rückspiegel viel leistungsstärkerer Sportwagen zoomte.

Unfassbar der Klang beim Tunnel-Test, wo die Akustik zwischen Donnerschlag, E-Bass und Weltuntergang wirbelte, wenn der Turbo seine Nüstern aufblähte und bis zu 335 Liter Luft pro Sekunde verdichtete. Den Klang konnte man mit einem elektronischen Pfefferstreuer nachwürzen, der Sporttaste auf der Mittelkonsole. Was für ein Kläffer von Motor!

Wer die Qualitäten eines Fahrzeuges über eine längere Distanz bewerten darf, kommt übrigens nicht umhin, dem Spaßmotor des Audi TT RS Vernunftpotenzial zu bescheinigen. Ölverbrauch außerhalb der Inspektionen: ein Liter. Durchschnittsverbrauch über die Testdistanz: 13,1 Liter. Und ein ganz wichtiger Vergleich: Der vierzylindrige Audi TTS konsumierte im Dauertest von sport auto im Mittel 12,8 Liter! Noch irgendwelche Fragen?

Es geht aber auch ganz easy unter zehn Liter, wenn man den langen siebten Gang des Doppelkupplungsgetriebes einspannt und die Fuhre bei unter 4.000 Umdrehungen einfach nur rollen lässt. Das entspricht einem Cruising Speed von 210 km/h und einer Reichweite von knapp 400 Kilometern – nicht schlecht.

Der Audi TT RS beweist also, wie vernünftig Unvernunft sein kann, gerade auf der wirtschaftlichen Seite der grauen Alltagsmühsal. Der RS bietet Sportwagen-Performance für knapp unter 60.000 Euro, und nach Dauertestende lag der Schätzpreis noch bei über 40.000 Euro. Auch beim Kapitel Werterhalt präsentiert sich der TT RS als sehr sympathischer Begleiter.

Auch Schaltfetischisten wählen DSG

Bei der Frage, wie denn all die barocke Opulenz des Motors an die Räder übertragen werden soll, hat der Kunde bei Audi die Wahl zwischen Sechsgangschaltgetriebe und S tronic. Nein, nach einhelliger Meinung der sport-auto-Tester hat er keine Wahl, und wir alle sind ganz nebenbei bemerkt Schaltfetischisten. Wer das Doppelkupplungsgetriebe verschmäht, der hat verzockt.

Warum? Weil das DSG-Getriebe fast alles besser kann. Im Automatikmodus schaltet es alltagsgerecht, auf Wunsch auch sportlich, wenn die gleichnamige Taste auf dem Mitteltunnel aktiviert wurde. Im manuellen Modus hat der Fahrer die Herrschaft, das Getriebe hält die Gänge und wringt den Motor bis in den roten Bereich aus.

Zu deutsch: Das Doppelkupplungsgetriebe ist eine Eier legende Wollmilchsau, hat auf jede noch so banale Alltagssituation die passende Antwort. Als Zugabe gibt es die Launch Control, den automatisierten Rennstart, mit dem wirklich jeder erfahren kann, wie sich 4,1 Sekunden auf 100 Stundenkilometer anfühlen. Schalte und walte – aber bitte automatisch!

Während man dem Motor nicht genug Kränze flechten kann, trübt das Getriebekapitel ein klitzekleiner Malus. Denn simpel gesagt „missbraucht“ Audi die Vielzahl der sieben Gänge zum Sprit sparen, speziell die siebte Fahrstufe hat Overdrive-Funktion.

Bei Nenndrehzahl würde der Audi TT RS im siebten Gang weit über 300 km/h rennen, kann er aber (leider) nicht. Weil die Gangspreizung auf Verbrauchseffizienz getrimmt wurde, was absurderweise den genialen Bumms des Fünfzylinders herunterwürgt. Wer also im siebten Gang im manuellen Schaltmodus bei 160 km/h Vollgas gibt, wähnt sich im falschen Film, denn wegen des flauen Drehzahlniveaus verharrt die Beschleunigung im Allmählichen.

Reagiert man nicht schnell genug, ist jeder schnöde Diesel-Dreier schon lange durchgeflutscht. Der Automatikmodus kennt das eingebaute Manko – und schaltet daher blitzschnell zwei volle Gänge herunter.

Letztlich bietet der Mix aus Fünfzylinder-Turbomotor, Doppelkupplungsgetriebe und dem obligatorischen Allradantrieb aber eine kugelsichere und souveräne Kombination, die im Alltag keine Feinde hatte. Ohne Allrad wäre der TT RS im Regen heillos übermotorisiert, und bei Schnee erstürmt er tief verschneite Pässe stets ohne Ketten-Hilfe. Zu hoch sollte sich die weiße Pracht allerdings nicht türmen – sonst wird der RS mit seiner unbescheidenen Frontschürze zum Schneeschieber.

Allradantrieb mit variabler Kraftverteilung

Oft hinken die querdynamischen Fähigkeiten des Allradantriebs seinen längsdynamischen Vorzügen deutlich hinterher. Doch der Allradantrieb des TT RS mit variabler Kraftverteilung macht auch abseits öffentlicher Straßen eine gute Figur. In Hockenheim haut der TT RS Rundenzeiten unter 1.15 Minuten am Fließband heraus, mit stoischer Ruhe, ohne Lastwechselzuckungen und mit bestechender Traktion.

Der Allradantrieb und das Fahrwerks-Setup stellen den Piloten vor keine Rätsel. Der Grenzbereich kündigt sich durch deutliches Untersteuern an – ein Tribut an die relativ frontlastige Achslastverteilung. Im Dauertestbetrieb tauchte allerdings ein Phänomen auf, das sport-auto-Leser schon vom Audi TTS kennen: Nach einer gewissen Laufzeit führt nachlassende Stoßdämpferkraft des Magnetic Ride Fahrwerks zu einer Rumpeligkeit, die primär den Fahrkomfort verschlechterte, nicht aber Fahrsicherheit und Fahrdynamik.

Dieser Umstand wirkt im sonst so wohlgeschnürten und austarierten TT-Paket durchaus irritierend, denn wer einen Audi kauft, erwartet überlegene Qualität. Auch die großzügig dimensionierte Bremse war nicht über jeden Zweifel erhaben: Hoher Verschleiß und leichte Unwucht nach Hochgeschwindigkeits-Verzögerungen sorgten auch bei den Lesern von sport auto häufiger für kritische Kommentare.

Abgesehen von diesen beiden Problemkreisen lieferte die Quattro GmbH mit dem Audi TT RS eine blitzsaubere Vorstellung ab. Über die Wegstrecke von knapp 70.000 Kilometern leistete sich der TT nur einen Liegenbleiber, nämlich als ein mächtiges Federtier eine Punktlandung im Wasserkühler des RS versuchte.

Der riesige Grill erwies sich als groß genug, um den Vogel vollständig aufzunehmen, doch die Kollisionsgeschwindigkeit lag leider über dem vertretbaren biomechanischen Maß, was zu einer großflächigen Verschmutzung des Motorraumes führte. Und zu einem Wasserleck, dass den TT stranden ließ. Dies war allerdings der einzige Punkt auf der Liste außerplanmäßiger Vorkommnisse.

Verschleiß an Bremsen und Reifen

Das Test-Protokoll vermerkt nichts weiter als die monotone Abfolge aus Fahren und Tanken. Bei den Werkstattaufenthalten wurden zwei Mal die vorderen Bremsscheiben und Beläge ersetzt. Letztlich kam der Audi TT RS übrigens mit nur zwei Sätzen Sommer- und einer Montur Winterreifen über die Dauertest-Distanz – ganz so wie ein genügsames Brauereipferd.

Dass der Audi TT RS nach 70.000 Kilometern den Look und das Feeling eines Fast-Neuwagens verströmte, unterstreicht den von Audi selbst gesetzten Anspruch der Premium-Qualität. Die suzukagraue Metallic-Farbe war völlig unbeeindruckt von den Attacken des harten Alltags und warf höchstens die Frage auf, wer sich bloß solche Namen ausdenkt, und ob der Betreffende schon jemals in Suzuka war?

Bei der Innenraumqualität genießt Audi seit vielen Jahren den Ruf, der Konkurrenz einen Schritt voraus zu sein. Gegenteiliges ist nach dem Dauertest-Marathon nicht zu berichten. Die aufpreispflichtigen Schalensitze (2.855 Euro) sind jeden einzelnen Cent wert: Die schraubstockartige Fixierung des Körperrumpfes wird ohne Nachteile bei der Langstreckentauglichkeit erworben – ein cooler Kompromiss und ein empfehlenswerter Deal. Und die Ergonomie ist schlicht top.

Das gilt rundum auch für die teuren Sport-Features aus der Aufpreisliste. Die Titanoptik-Räder in 19 Zoll sind ein schickes Muss, die Sportabgasanlage ein akustischer Genussverstärker, und das Magnetic Ride Fahrwerk garantiert die individuelle Anpassung – da sind dann allerdings schon mal 3.600 Euro einfach so beim Teufel.

Fünf Testkarten waren nötig, um das Dauertestdasein des Audi TT RS bei sport auto zu dokumentieren. Für die Einträge in den Fahrkarten gilt eine simple Grundregel: Je weniger Kommentare, desto höher die Zufriedenheit der Piloten. Auf knapp 70.000 Kilometern provozierte der Audi TT RS nur elf relevante Kommentare.

Tolles Auto mit einem geilen Motor

Die Einträge „geiler Motor“ und „tolles Auto“ bilanzierten die Grundstimmung in wenigen Wörtern. Und die mehrfachen Hinweise auf quietschende oder rubbelnde Bremsen beschreiben das einzige wirkliche Ärgernis. Selten hat ein Dauertestauto bei sport auto weniger Kontroversen heraufbeschworen.

Der Audi TT RS verlässt den Schauplatz also als klarer Sieger. Ganz so wie seine Brüder auf der Rennstrecke, deren Siege unser Dauertest-TT vom Parkplatz aus mitverfolgte – bei den 24h-Rennen in Spa und am Nürburgring sowie natürlich in Le Mans. Offenbar war der erste Tankstopp doch kein Missverständnis.

Technische Daten
Audi TT RS Coupé
Grundpreis59.100 €
Außenmaße4198 x 1842 x 1342 mm
Kofferraumvolumen292 bis 700 l
Hubraum / Motor2480 cm³ / 5-Zylinder
Leistung250 kW / 340 PS bei 5400 U/min
Höchstgeschwindigkeit250 km/h
0-100 km/h4,1 s
Verbrauch8,5 l/100 km
Die aktuelle Ausgabe
Sport Auto 03 / 2022
Sport Auto 03 / 2022

Erscheinungsdatum 04.02.2022

132 Seiten