Dauertestbilanz Audi TTS Coupé
Stärken und Schwächen des Sportwagens

Inhalt von

Im sport auto-Dauertest muss der Audi TTS mit seinen vier Zylinder, Allradantrieb und dem DSG-Getriebe zeigen, dass er ein vollwertiger Sportwagen ist. Bietet der Ingolstädter auch über einen längeren Zeitraum Fahrfreude und ist Zuverlässig? Was sind die Schwächen?

Audi TTS Coupé 2.0 TFSI
Foto: Rossen Gargolov

Der erste Eintrag zum Audi TTS 20. TFSI auf der Dauertestkarte von sport auto lautet: "Innen ein wenig düster, außen ziemlich grell." Es sollte die einzige abfällige Bemerkung über die Dauertestdistanz von 66.520 Kilometern bleiben. Der Audi TTS überbetont seinen zivilen Ungehorsam. Vielleicht als Wiedergutmachung für die uneingelösten Versprechen der ersten TT-Generation? Das Bürzel-Drama und die ESP-Schlappe vereitelten die Aufnahme in den Olymp der Straßen-Krieger. Der alte Audi TT kläffte zwar vernehmlich um Anerkennung - doch Ring-Füchse und Kurven-Peitscher waren verprellt.

Unsere Highlights

Eine explosive Mischung

Mit Signalfarbe und viel Emotion will der neue Audi TTS gutmachen, was der Alte verbockte. Alles grelle Schminke? Die Antwort nach 15 Monaten Dauertest fällt eindeutig aus: nein. Es sieht aus wie Tollheit, doch es hat Methode. Was dem Vorgänger einst verwehrt blieb, das hat der Audi TTS: eine Seele, ein Alleinstellungsmerkmal. Er vermischt Allradantrieb, kratzbürstigen Turbomotor und flitzflinkes Getriebe zu Nitro und Glyzerin.

Ununterbrochene Beschleunigung im Audi TTS

Die Kommentare zum Turbomotor und Getriebe fallen überschwänglich aus. Beide Baugruppen verschmelzen im Audi TTS funktional zu einer Einheit, die eine getrennte Beurteilung fast unmöglich macht. Die Kombination aus kleinvolumigem, aber dennoch druckvollem Motor mit einem atemberaubend schnellen Doppelkupplungsgetriebe gibt dem Audi TTS eine unverwechselbare Note.

Jeder Flugschüler weiß über den Start eines Düsenfliegers: Nur die ununterbrochene Beschleunigung ist eine gute Beschleunigung. Keine Pausen sollen den Katapulteffekt, das Gefühl der vorgespannten Beschleunigung zerhacken, das den Rücken so angenehm massiert und den Kopf so nachhaltig beglückt.

Die erdgebundene Kopie eines Düsenfliegers heißt Audi TTS: Ampeln sind ihm kein Graus, sondern Genuss und Gelegenheit zur Demonstration. Wer in der Ampelspur daneben steht, ist eigentlich ziemlich egal. Trotz Kriegsbemalung in Glutorange wird das Katapultpotenzial des Audi TTS fast immer unterschätzt.

Vierzylinder mit Raketenstart

Der kleine Vierzylinder federt schon bei niedrigen Drehzahlen durch wie ein Trampolin. Die vier Räder krallen sich jedes Gramm Grip. Während die eine Portion Beschleunigung fast raketengleich und mit schnaubendem Grummeln verpufft, hat das Getriebe im Audi TTS bereits den zweiten Gang vorgespannt. Ein Impuls mit dem Ringfinger - der Kraftschluss ist erledigt.

Der Sausespurt gelingt dabei ohne effektheischende Drehzahlorgien - das Drehmomentplateau stellt 350 Newtonmeter von 2.500 bis 5.500 Umdrehungen parat. Selten waren Schaltpunkte im Alltag so unbedeutend. Spätestens im dritten Gang haben alle Gegner resigniert aufgegeben und räsonnieren fortan kopfschüttelnd über komisch gepolte Audi TTS-Fahrer, die ein Heidengeld dafür ausgeben, um 500 PS in einen Zweiliter-Turbomotor zu zimmern ...

Bei 250 km/h geht dem Audi TTS die Puste aus

Wenn der Dragstrip bis zum Horizont reicht, geht dem kleinmotorigen Audi TTS natürlich irgendwann bei 250 km/h die Puste aus. Während im Alltag die Federkraft des Motors nur bis zur Mittelstellung genutzt werden muss, kann man sich an Nordschleifen-Tagen an der Sirenenkraft eines Renntriebwerks mit 6.800 Umdrehungen laben - Dr. Jekyll und Mr. Hyde sind Nachbarn im TTS-Motorraum. Das leidige Downsizing-Thema hat endlich eine perfekte Umsetzung im ultrakompakten Sportwagensegment gefunden.

Bei seinen Sprintattacken bleibt der Audi TTS völlig frei von spätpubertärem Gebrüll. Der Abgaston faucht grantig, aber fein und wird nur von einem satten Plopp unterbrochen, wenn das Doppelkupplungsgetriebe S tronic seine beiden Kupplungen gegeneinander ausspielt. Das ploppende Ausatmen haben die Audi-Ingenieure künstlich ins Motormapping geflochten - als akustische Bestätigung für den Fahrer, dass der Audi TTS auch wirklich die Gänge gewechselt hat.

Allradantrieb steigert Agilität bei Regen oder Schnee

Wenn es eine kleine Einschränkung beim Getriebekapitel geben könnte, dann die etwas inkonsequente Abstimmung der Schaltstrategie: Wer im manuellen Modus fährt, darf und muss erwarten, dass er alleine Herr über die Gangwahl ist. Das ist beim Audi TTS leider nicht der Fall, weil das Doppelkupplungsgetriebe beim Erreichen der Schaltdrehzahl eigenmächtig hochschaltet.

Das zackige Sprintvermögen aus dem Stand spitzt sich dank permanentem Allradantrieb bei unwirtlichen Witterungsbedingungen noch zu: Regen oder Schnee verlangsamen die Agilität des Audi TTS objektiv, doch relativ zu den meist zweiradgetriebenenen Konkurrenten wird sie eher noch gesteigert.

12,8 Liter Verbrauch beim Audi TTS

Das einhellige Lob zur Motor-Getriebe-Einheit des Audi TTS wird von makelloser Zuverlässigkeit und knausrigem Umgang mit Inspektionen vervollständigt. Der Durchschnittskonsum von 12,8 Litern ist zwar für einen Direkteinspritzer kein Ruhmesblatt, aber die fortwährende Verführung zum Lasteinsatz muss ja irgendwo durchschlagen. Dafür knausert der Audi TTS beim Reifenverschleiß: Nur je einen Satz Sommer-und Winterreifen verschliss der Allradler in 15 Monaten Dauertest-Hatz - und das trotz der optionalen 19-Zoll-Bereifung auf Aluminium-Gussrädern in Titan-Look.

Die Abschlussmessungen zum Dauertestende ergaben, dass die Elastizitätswerte des Audi TTS marginal in die Knie gingen und der Katapultstart getriebetechnisch nicht mehr ganz so beeindruckend zoppte wie zu Dauertestbeginn. Der hochgezwirbelte Turbomotor mit der horrenden Literleistung von 137 PS erwies sich übrigens als absolut standfester Blasebalg. Nicht einmal als Ölfresser taugte er - nur 1,4 Öl mussten im Audi TTS nachgefüllt werden.

Fahrwerk kann im Alltagstest überzeugen

Natürlich lieferte der Testmarathon auch wertvolle Erkenntnisse zu anderen Baugruppen des Autos. Fahrwerk, Lenkung und ESP-Abstimmung des Audi TTS wurden in der Vergangenheit schon häufiger kritisch bewertet. Wobei zwischen dem Betrieb auf der Rennstrecke und dem Alltagsmodus zu unterscheiden wäre. Die überbetonte Leichtgängigkeit der elektromechanischen Lenkung stellt im Alltag nicht wirklich einen Kritikpunkt dar. Andererseits könnte die Lenkung mitteilungsfreudiger sein, wenn die Vorderachse ans Limit getrieben wird.

Das Stoßdämpfer-Regelsystem Magnetic Ride mit optionaler Sporteinstellung konnte im Alltag überzeugen - wenn man die Finger von der Sporteinstellung ließ. Im Sportprogramm wurde der Audi TTS zum Hoppelhasen. Auf Rennstrecken gefiel dagegen die zackigere Ansprache der Lenkung und die deutlich reduzierte Wankneigung. Gegen Dauertestende ließ allerdings die Dämpfkraft leicht nach, was zu rumpelnden Abrollgeräuschen führte.

ESP im Audi TTS geht etwas rüde zu Werke

Nicht auf einhellige Zustimmung traf die ESP-Abstimmung, die am Limit relativ rüde und kompromisslos eingreift. Dabei hätte der Audi TTS etwas mehr Leinenspiel durchaus verdient. Offenbar sitzt die Verunsicherung aus der TT-Ursprungszeit noch tief. Andererseits lässt sich nicht verleugnen, dass der Audi TTS über einen relativ kurzen Radstand verfügt. Beides zusammen führte wohl zu einer eher restriktiven und spaßfreien Auslegung der Fahrdynamikhilfen.

Weil das ESP-System im Audi TTS nicht komplett deaktivierbar ist, kämpfen erfahrene Piloten am Limit oftmals gegen die Elektronik. Das erscheint in Anbetracht der notorischen Gutmütigkeit sowie einer vergleichsweise ausgewogenen Balance - der Vorderwagen und die Vorderachse bestehen aus Aluminium, im Heckbereich kommt vorwiegend Stahl zum Einsatz - irgendwie etwas übertrieben.

Nordschleifenzeit des Audi TTS: 8.29 Minuten

Das Fahrwerk des Audi TTS vermochte besonders auf langen Strecken zu überzeugen. Die hohe Stabilität bei Highspeedkurven machten die Kassler Berge oder die A3 von Frankfurt nach Köln zu einem begehrten und höchst vergnüglichen Jagdrevier. Auf der Rennstrecke belegt die Rundenzeit im sport auto-Supertest von 8.29 Minuten das sportliche Talent - zum Markstein Porsche Cayman S fehlen gerade mal vier Sekunden.

Dabei kann man den Audi TTS mit grenzenlosem Optimismus in die Kurven werfen, am Ausgang unter Last bügelt der Allradantrieb jede Liniendiskussion platt. Das bei Allradlern mit kurzem Radstand gefürchtete Tänzeln um die Hochachse und die Empfindlichkeit auf Lastwechsel sind beim Audi TTS kein Thema. Untersteuern dagegen schon, speziell bei niedrigen Reibwerten wie bei Nässe. Die positive Dynamik-Bilanz des TTS wird von der 17 Zoll großen Bremse abgerundet: zuverlässig, standfest und fadingfrei - auch bei ein paar ruppigen Ründchen auf dem Nürburgring.

Dauertest hinterlässt kaum Spuren am Audi TTS

Innenraum und Außenhülle des Audi TTS nahmen die Dauertest-Attacke völlig gelassen, wie man das von einem Audi gewohnt ist. Die Dekra-Gutachter mussten schon die Lupe bemühen, um einen zerkratzten Türöffner, Macken an den Felgen sowie leichte Gebrauchsspuren an den Sitzwangen der stark konturierten Schalensitze aufzuspüren. Das aufpreispflichtige Gestühl glänzte mit phänomenalem Seitenhalt und kokonhafter Langstreckentauglichkeit.

Beim Ein- und Ausstieg bemängelten Menschen von größerer Statur jedoch Mühe mit dem Einfädeln. Wer einmal im Audi TTS drin saß, konnte dafür das ergonomische Dreieck aus Lenkrad, Pedalerie und Sitzfläche absolut perfekt einjustieren. Der gesamte Innenraum fiel nur einmal negativ auf: Gegen Dauertestende nervten Knarzgeräusche aus der Verkleidung des ellenlangen Kofferraumdeckels.

Audi TTS als praktisches Reisemobil

Dessen Spannweite hatte immerhin zur Folge, dass das kleine Sport-Coupé erstaunliche Ladeeigenschaften bot. Skiurlaube mit zwei Personen und der doppelten Anzahl an Skiern sind für das Raumwunder Audi TTS kein Problem. Mit den umklappbaren Notsitzen wuchs der Laderaum zur Ladezone, freilich blieb die Beladungshöhe durch die flache Dachhöhe etwas eingeschränkt. Fazit: Der Audi TTS hat die sportlichen Fehltritte der Vergangenheit ausradiert und gab sich weder beim Sport noch der Alltagstauglichkeit eine Blöße.

▶ Design oder Nichtsein: Audi ist berühmt für Qualität, Funktionalität und Verarbeitung. Der Dauertest des Audi TTS konnte dies abermals bestätigen. Trotzdem hätten wir einen Verbesserungsvorschlag: Die Rückspiegel glänzen toll in Silber, und bei Sonnenschein sieht man auch alles ganz klar. Bei Regen wurden die Spiegelschalen jedoch zu zentralen Wassersammelstellen - Rücksicht gleich null.
 
▶ Immer auf dem rechten Pfad: Das Navigationssystem des Audi TTS fand sich auch in den fernsten Winkeln Europas blendend zurecht, was für uns umso bemerkenswerter ist, weil das bei anderen Dauertestwagen nicht unbedingt zum Standard gehört. Wer ohne Mücken in der Suppe nicht leben kann: Bei starker Sonnenstrahlung von achtern versagte das Display.
 
▶ Ein Plädoyer für Titan: Die 19-Zoll-Gussräder verbesserten die Lenkpräzision, ohne den Fahrkomfort zu killen. Ihr herausstechendes Merkmal war jedoch die graubräunliche Titanfarbe: Die Felgen sahen immer sauber aus, auch wenn sie dreckig waren - einfach toll! Das Gleiche galt übrigens für die tiefschwarzen Bremssättel.
 
▶ In Abrahams Schoß: Die optionalen Sportsitze des Audi TTS erwiesen sich als perfekte Alleskönner: Auf der Nordschleife boten sie den Seitenhalt eines Rennschalensitzes, im Alltag punkteten sie mit vorbildlicher Bequemlichkeit und perfekter Rückenstützung. Der einzige Nachteil: Große Menschen über 1,85 Meter müssen wegen der tiefen Dachlinie erst mal in die Sitze reinkriechen.

Technische Daten
Audi TTS Coupé
Grundpreis47.850 €
Außenmaße4198 x 1842 x 1345 mm
Kofferraumvolumen290 bis 700 l
Hubraum / Motor1984 cm³ / 4-Zylinder
Leistung200 kW / 272 PS bei 6000 U/min
Höchstgeschwindigkeit250 km/h
0-100 km/h5,3 s
Verbrauch7,7 l/100 km
Die aktuelle Ausgabe
Sport Auto 03 / 2022
Sport Auto 03 / 2022

Erscheinungsdatum 04.02.2022

132 Seiten