Opel Insignia Sports Tourer OPC im Dauertest
Durstiger Renner

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Business-Class zu Economy-Kosten? Der Opel Insignia Sports Tourer OPC 4 x 4 lockt mit günstigem Preis, auf den es auch noch satten Rabatt gibt. Doch die 85.000 Kilometer mit dem 325 PS-Kombi zeigen: In puncto Unterhaltskosten gab es beim großen Opel ein böses Erwachen.

Opel Insignia Sports Tourer OPC, Frontansicht
Foto: Rossen Gargolov

Seit zwei, drei Jahren ist Opel-Bashing in Deutschland anscheinend eine Art Volkssport: Die Wirtschaftspresse watscht das Rüsselsheimer Management sowie die Führungsebene der Konzernmutter General Motors beharrlich und voller Hingabe ab. Und auch an den Stammtischen zwischen Flensburg und Berchtesgaden wird das Thema Opel immer wieder gerne genommen. Nur selten stehen bei diesen Debatten angeblich die Vorzüge der Opel-Autos im Vordergrund.

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Genauso wichtig wie die Qualität ist aber für viele Interessenten der Preis. Hier punktet Opel kräftig: Dank großzügigem Rabatt – bis zu knapp 30 Prozent gibt es aktuell etwa beim Internet-Vermittler www.meinauto.de – bekommt man den komplett ausgestatteten, allradgetriebenen, satte 325 PS leistenden Insignia OPC schon für deutlich weniger als 40 000 Euro. Verlockend, wenn man feststellt, dass beispielsweise ein ähnlich starker Audi A6 Avant quattro oder BMW 535i xDrive Touring zwischen 15 000 und 20 000 Euro mehr kosten – rabatt- und ausstattungsbereinigt natürlich.

Im Opel Insignia OPC klappert nichts

Erster Qualitätseindruck vom Opel Insignia OPC: Viel gibt es nicht zu meckern, von ein paar nachlässig entgrateten Plastikverkleidungen im Innenraum abgesehen. Um es mit Martin Winterkorn, dem Youtube-erprobten Hyundai-Probesitzer aus dem Volkswagen-Konzern, zu sagen: Hier klappert nichts, und es scheppert auch nichts. Wie die ersten Kilometer zeigen, gilt dies auch auf derbstem Kopfsteinpflaster. Die Türen schließen mit sattem Geräusch, und die Heckklappe wird per Elektromotor sanft zugezogen – ganz diskret.

Die Prospekt-Prosa adelt den 325 PS starken OPC mit dem Prädikat: „Stärkster Serien-Opel aller Zeiten“. Mancher Opel-Kenner mag da aufjaulen. Schließlich gab es Anfang der neunziger Jahre den Lotus Omega mit 377 PS. Doch diese Sportlimousine, die sich durch geringe Stückzahl – weniger als 1000 Exemplare wurden gebaut – sowie durch stark verbesserungswürdige Zuverlässigkeit auszeichnete, war kein echter Opel, sondern eben ein entfernter Verwandter aus der damals mit Opel verschwägerten Lotus-Dynastie.

Einige sport auto-Tester erinnern sich noch an den britischen Renner – mit einer Mischung aus Amüsement und Grausen. Den erfreulichen Fahrleistungen stand nämlich zum Beispiel eine Kupplung gegenüber, die den gewaltigen Belastungen durch den bärenstarken Reihensechszylinder ebenso wenig gewachsen war wie das Sechsganggetriebe.

Viel Drehmoment, aber zurückhaltender Antritt

Zwei Jahrzehnte später sind diese Bauteile beim Insignia OPC kein Thema, obwohl der 2,8-Liter-V6 mit seinem Drehmomentbestwert von 435 Nm gute Chancen hätte, die Kraftübertragung in die Knie zu zwingen.

„Von den 325 PS des V6 ist auf den ersten Metern wenig zu spüren“, lautet einer der ersten Einträge im Dauertest-Fahrtenbuch. Erst jenseits von 100 km/h legt der Opel standesgemäß zu. Wenn es sein muss, bis zur 265 km/h-Marke. Denn im Gegensatz zu den Power-Kombis von Audi, BMW oder Mercedes ist der Insignia nicht auf 250 km/h begrenzt. Eine Option, die es allerdings für den Neuwagenkäufer nur dann gibt, wenn er bei Opel ein Fahrertraining absolviert.

Das mäßige Temperament des OPC auf den ersten Metern wird durch die Messwerte untermauert: 7,1 Sekunden für den Spurt auf 100 km/h, das bringt kein Prestige. Die Werksangabe flunkert 6,3 Sekunden. Sehen lassen können sich jedoch die Null-auf-180-km/h-Messwerte. Mit 20,8 Sekunden war der OPC am Ende des Dauertests sogar rund eine Sekunde schneller als in jungfräulichem Zustand. „Gut eingefahren“, pflegt man in solchen Fällen oft zu schreiben.

Teure Inkontinenz

Beim Insignia OPC trifft dies jedoch nur auf das Untergeschoss des V6 zu – Kurbelwelle, Zylinder und Kolben. Die beiden Zylinderköpfe wurden hingegen getauscht. Grund war andauernder Kühlwasserverlust. Bereits nach 25.000 Kilometern wurde dies erstmals moniert. Die Werkstatt suchte ausdauernd, aber ergebnislos nach dem Leck. Man tauschte Kühlwasserschläuche und den Ausgleichsbehälter, schließlich reduzierte sich der Kreis der Verdächtigen so sehr, dass eigentlich nur die Zylinderkopfdichtungen als Übeltäter übrig blieben.

Und weil man schon mal am Schrauben war, transplantierten die Opel-Werker auch noch gleich zwei neue Zylinderköpfe. Hätte nicht noch die Garantie gegriffen, wäre der Kunde für diese Reparatur nach lediglich 50.000 Kilometern nicht weniger als 8.100 Euro losgeworden. Besonders ärgerlich: Offenbar löste die Nachbesserung das Problem nur vorübergehend. Denn kurz vor dem Ende des Dauertests, nach 76.000 Kilometern, flammte die Warnleuchte für den Kühlwasserstand erneut auf. Nachdem ein halber Liter Wasser nachgeschenkt wurde, zeigte der V6 bis zur Rückgabe mit 88.000 Kilometern auf dem Tacho keine weitere Tendenz mehr zur Inkontinenz.

Die Opel S-Klasse hat Durst

Zur Ehrenrettung des Insignia muss man aber auch feststellen: Liegengeblieben ist das feuerrote Dauertest-Mobil kein einziges Mal. Das flotte Reisen war durchaus eine vergnügliche Angelegenheit. „S-Klasse von Opel“, vermerkte ein Kollege. Ein anderer notierte: „Überragende Langstreckenqualitäten. Leise und kraftvoll mit unerschütterlichem Geradeauslauf, exakter Lenkung, präzise zu schaltendem Getriebe, bekömmlicher Klimatisierung und ausgezeichneten Sitzen.“ Lediglich der rumpelige Abrollkomfort der 20-Zoll-Reifen gab Anlass zu milden Beschwerden.

Auch Nachtfahrten wurden im Insignia zum Vergnügen. In puncto Licht ist Opel absolut State of the art. Und wenn man sich erst mal mit der komplizierten Bedienung des Audiosystems vertraut gemacht hatte, konnte man aus sieben Lautsprechern Wohlklang goutieren.

Viel Freude haben auch die Mineralöl-Konzerne am OPC. Denn der V6 gehört zu den besonders Trinkfesten im Lande. Einen Durchschnittsverbrauch von elf Litern realisierten nur Gaspedal-Streichler, die im OPC absolut gesetzestreu durch tempolimitierte Länder wie Frankreich oder Italien glitten. Diejenigen, die das seltene Glück hatten, in Deutschland auf einer leeren Autobahn die Leistungsreserven auskosten zu können, bekamen schnell die Quittung fürs Dahinbrausen – mit Verbräuchen jenseits der 20 Liter. Im Schnitt ließ sich der OPC 14,3 Liter schmecken. Etwas zu viel, wenn man gleich starke Diesel-Triebwerke zum Vergleich heranzieht. Die Selbstzünder schaffen Ähnliches mit 40 oder 50 Prozent weniger Verbrauch.

Hoher Verschleiß bei den Bremsen

Doch die Benzinkosten waren nicht der größte Kostentreiber beim Insignia. Im Januar 2011 traute sport auto-Tester Uwe Sener seinen Augen kaum, als er den Opel aus der Werkstatt abholte: Nach nicht mal 23.000 Kilometern mussten die Bremsscheiben an der Vorderachse getauscht werden, weil sie mit ungebührlichen Geräuschen Alarm gegeben hatten. 2.642,59 Euro standen auf der Rechnung für zwei Brembo-Bremsscheiben samt Belägen. Der Arbeitsaufwand schlug lediglich mit 105,20 Euro zu Buche. Nach weiteren 50.000 Kilometern waren die Stopper an der Front erneut am Ende. Arg früh, denn der große Opel wurde niemals auf der Rennstrecke oder bei einem Fahrertraining gequält.

Nach knapp zwei Jahren musste der Insignia OPC zurück – und alle in der Redaktion betrauerten sein Ausscheiden aus dem aktiven Dienst. Denn auf langen Reisen war der Wagen ein sehr erfreulicher Begleiter. Ob die Reaktionen allerdings genauso positiv gewesen wären, wenn die Damen und Herren Redakteure die Rechnungen für Kraftstoff, die Motorrevision – sofern sie nicht auf Garantie erledigt worden wäre – sowie den teuren Bremsen-Service selbst hätten zahlen müssen, das steht auf einem ganz anderen Blatt.

Technische Daten
Opel Insignia Sports Tourer OPC OPC
Grundpreis52.335 €
Außenmaße4908 x 1856 x 1520 mm
Kofferraumvolumen540 bis 1530 l
Hubraum / Motor2792 cm³ / 6-Zylinder
Leistung239 kW / 325 PS bei 5250 U/min
Höchstgeschwindigkeit250 km/h
0-100 km/h7,1 s
Verbrauch11,0 l/100 km
Die aktuelle Ausgabe
Sport Auto 03 / 2022
Sport Auto 03 / 2022

Erscheinungsdatum 04.02.2022

132 Seiten