Ferrari California Test
Cabrio für den besonderen Geschmack

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Mit dem Ferrari California haben die Italiener einen automobilen Traum wiederbelebt. Anders als der 250 California von 1957 will der Newcomer eher Gran Turismo denn Hardcore-Sportler sein. 

Ferrari California
Foto: Rossen Gargolov

Als Porsche anfing SUVs zu bauen und den Cayenne vorstellte, ging ein Raunen durch die Menge. Viele Sportwagenfans bangten um das Image der Marke mit dem Pferd im Wappen. Schließlich begaben sich die Zuffenhausener auf gefährliches Terrain: Sie machten sich vergleichbar. Die Sache ging gut – sehr gut sogar. Das starke Dickschiff erschloss den Stuttgartern völlig neue Kundenkreise und trieb die Verkaufszahlen in ungeahnte Höhen. Nun sind mit Blick auf den neuesten Coup von Ferrari-Chef Luca di Montezemolo in Bezug auf die Sportwagen mit dem Cavallino Rampante auf der Nase ähnliche Bedenken angebracht.

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Konkurrent zum Hardtop-Roadster Mercedes SL

Haben die Italiener bei der Kreation des presseseitig vorübergehend zu Unrecht als Einstiegs-Ferrari deklarierten California doch weniger Anleihen beim Ursprungsmodell gleichen Namens, dem für den Rennsport entworfenen 250 California des Jahres 1957, als vielmehr beim ebenfalls längst Kult gewordenen Hardtop-Roadster Mercedes SL genommen.

Trendwende zum sporttauglichen Gran Turismo

Nun wird ein Ferrari deshalb beileibe kein Mercedes – das sicher nicht. Aber einer gewissen Vergleichbarkeit setzen sich die Unvergleichlichen aus Maranello damit schon aus. Gleichzeitig eröffnet die Trendwende weg von der Idee des kompromisslosen Hardcore-Sportlers à la F430 hin zum sporttauglichen Gran Turismo mit Open-Air-Option für Jedermann und alle Tage aber auch Chancen. Dann nämlich, wenn es gelingt, auf diesem Weg neue Freunde zu gewinnen, sprich: bisher markenfremde Käufergruppen anzusprechen. Und die Chance, dass dem California eben dies gelingen könnte, steht gut. Warum das so ist? Ganz einfach: Weil es den Italienern gelungen ist, den Pfad der Tugend zu beschreiten, ohne das erklärte Ziel der Marke, den Sport, gänzlich aus den Augen zu verlieren.

Soll heißen: Der Ferrari California kann cruisen oder rasen – ganz wie es beliebt. Dabei unterscheiden sich die Ingredenzien des komfortbetonten Gesamtpaketes nicht einmal wesentlich von jenen des Ferrari-Sportprogramms: Man nehme den in allen Modellen der Marke bewährten Hinterradantrieb, füge eine von Brembo zugelieferte Karbon-Keramik-Verbundbremse hinzu und würze das Ganze mit einem in Transaxle-Bauweise an den neuen, 4,3-Liter-V8 mit Benzindirekteinspritzung angeflanschten Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe – fertig ist das ausgewogen komponierte Feinschmeckermenü.

Wie ein Schiff in schwerer See

Das dieses erst mit einer ordentlichen Portion Komfort richtig mundet, versteht sich dabei von selbst. Ergo wird der fließend gezeichneten Karosserie deutlich mehr Bewegungsfreiheit eingeräumt als bei den Sportmodellen der Marke üblich. Bei der flotten Kurvenhatz kränkt der knapp 1,8 Tonnen schwere California wie ein Schiff in schwerer See, weshalb sich die gegen Aufpreis erhältlichen gut konturierten Karbon-Sitzschalen als sinnvolles Extra empfehlen. Über schlechtere Straßenoberflächen lässt sich in dem italienischen Hardtop-Cabrio dagegen getrost hinwegsehen. Querfugen, Kanaldeckel und Asphaltansätze bringen die Insassen des italienischen Edel-Cabrios nicht wirklich aus der Ruhe. Dies gelingt nicht einmal den Naturgewalten.

Ist das ausgesprochen liebevoll in einer eigens dafür vorgesehenen, im Kofferraum fest installierten Schutzhülle untergebrachte zweiteilige Windschott erst einmal montiert, lassen sich Autobahnflüge mit 200 km/h und mehr bewältigen, ohne dass die Frisur durch den Fahrtwind nachhaltig Schaden nimmt. Wer das dabei anfallende Windgeräuschniveau auf Dauer nicht erträgt, kann das aus Aluminiumpaneelen gefertigte Hardtop binnen 14 Sekunden im dafür vorgesehenen Staufach verschwinden lassen. Dadurch verringert sich das Volumen des Gepäckabteils von 340 auf 240 Liter. Wirklich dramatisch ist dies aber nicht.

Platzangebot ist immer noch ausreichend

Das gebotene Platzangebot ist immer noch ausreichend, der Kofferraum selbst angenehm glattflächig gehalten und auch bei geöffnetem Verdeck gut zugänglich. Zusätzliche Ablageflächen gibt’s im Innenraum, wenn sich der California-Eigner gegen die in der optional erhältlichen Konfiguration 2+ enthaltenen Rücksitze entscheidet. Letzteres erscheint schon deshalb sinnvoll, weil die hinteren Plätze aufgrund der geringen Beinfreiheit nicht wirklich zum Mitfahren einladen. Vorn sieht die Sache schon anders aus: Fahrer und Beifahrer genießen wegen des hohen Mitteltunnels und der mit 1,90 Meter üppigen Fahrzeugbreite viel Privatsphäre und Ellbogenfreiheit. Lange Beine finden gleichfalls Platz.

Einzig die Sitzposition im beim Testwagen tief und fest auf der Konsole verschraubten und daher nicht höhenverstellbaren Fahrersitz ist eingangs gewöhnungsbedürftig. Wer nicht zu den Sitzriesen zählt und das verstellbare Lenkrad so tief justiert, wie er es gern hat, nimmt sich mit dem oberen Teil des Lenkradkranzes die Sicht auf die Instrumente. Und die ist durchaus wesentlich. Gehört doch neben dem gemütlichen Cruisen auch die flotte Kurvenhatz unverrückbar ins breit gefächerte Repertoire des ausgesprochen musikalischen Cabriolets.

Rennen kann der Zweisitzer auch

Der California beherrscht ähnlich viele Tonarten wie die italienischen Star-Tenöre. Vom wohlig-warmen Achtzylinder-Timbre in niedrigeren Drehzahlregionen bis hin zum für die Sportler der Marke typischen heiser-kehligen Schreien bei der Annäherung an die Maximaldrehzahl von 8.000/ min ist alles drin. Die raue Seite des insgesamt sehr business-like auftretenden California werden allerdings primär jene Ferraristi erleben, die ihrem vierrädrigen Freund aller Gediegenheit zum Trotz auch einmal ungehemmten Auslauf gönnen. Rennen kann der Zweisitzer nämlich auch – wie die auf dem Kleinen Kurs in Hockenheim erzielte Rundenzeit von 1.13,5 Minuten beweist.

Damit spielt der Italiener in einer Liga mit so ausgewiesenen Sportlern wie dem Aston Martin DBS oder dem Audi R8 4.2 FSI quattro. Die bereits erwähnte starke Seitenneigung der Karosserie und das bei Bremsmanövern leicht drückende Gewicht erfordern dabei eine gewisse Gewöhnung. Vor unüberwindbare Aufgaben stellt der California seinen Piloten aber nicht. Das mit magnetisch gesteuerten Stoßdämpfern versehene Fahrwerk ist neutral bis leicht untersteuernd abgestimmt, die mit Hilfe der Schaltpaddel am Lenkrad vollzogenen Gangwechsel gehen verschliffen vonstatten. Das bei in Transaxle-Bauweise aufgebauten Sportwagen nicht selten zu verzeichnende Spiel im Antriebsstrang sowie unschöne Schaltrucke sind bei Ferraris jüngster Open-Air-Kreation gleichfalls kein Thema. Die Bremse verzögert auf konstant hohem Niveau, die Sprintqualitäten sind mit 4,2 Sekunden bis 100 und 14,7 Sekunden bis 200 km/h aller Ehren wert.

Grundpreis von 176.200 Euro

Gegen den Ferrari California könnte somit primär sein doch recht hohes Kostenniveau sprechen: Mit einem Grundpreis von 176.200 Euro kommt der Südländer „nackt“ exakt gleich teuer wie der anno 2008 getestete Mercedes SL 63 AMG im vollen Ornat. Aber es war ja bekanntlich schon immer etwas teurer, einen besonderen Geschmack zu haben.

Technische Daten
Ferrari California 4.3 V8
Grundpreis180.596 €
Außenmaße4563 x 1902 x 1308 mm
Kofferraumvolumen240 l
Hubraum / Motor4297 cm³ / 8-Zylinder
Leistung360 kW / 490 PS bei 7750 U/min
Höchstgeschwindigkeit312 km/h
0-100 km/h4,2 s
Verbrauch13,1 l/100 km
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Sport Auto 03 / 2022
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Erscheinungsdatum 04.02.2022

132 Seiten