Ford Mustang Shelby GT 500 im Test
Shelby V8-Generationentreffen

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Wer sein Spielgeld in einen Shelby Mustang investierte, auf den warteten in den wilden 60er Jahren Hubraum, Drehmoment und Leistung im Überfluss. Daran hat sich glücklicherweise bis heute nichts geändert. Der aktuelle Ford Mustang Shelby GT 500 trifft im Test auf seinen Urahn von 1968 mit seltenem 427er-V8-Motor. Eine Hommage an Pferdeflüsterer Carroll Shelby.

Ford Mustang Shelby GT 500, Frontansicht
Foto: Rossen Gargolov

Die Drehzahlnadel klettert so schnell wie ein Extrembergsteiger gen Gipfel – 5.000, 6.000, 7.000. Erster Gang, Drosselklappe weit aufgerissen, Kupplung schlagartig einrücken, Kraftschluss – High Noon für die 285er-Hinterreifen. 671 PS pinseln schneller Streifen auf den Asphalt als Miro, Picasso und Co. je malen konnten. Bodennebel so zäh und dicht wie Zuckerwatte räuchert in Sekunden den verlassenen Parkplatz ein. Als sich der süßliche Goodyear-Dunst der Donuts lichtet, blickt der neue Mustang Shelby GT 500 in bekannte Gesichtszüge – die Mimik von Powerdome, Kühlergrill und Scheinwerfern bestätigt trotz 45 Jahren Altersunterschied die Verwandtschaft.

Unsere Highlights

V8-Treffen der Ford Mustang Shelby von 1968 und 2013

Willkommen zum V8-Treffen der Ford Mustang Shelby GT 500-Jahrgänge von 1968 und 2013. Verschnaufpause für das aktuelle Wildpferd, Zeit zur Vorstellung des neuen Jahrgangs. Neben dem offenen Kühlerschlund und einem modifizierten Frontsplitter fallen äußerlich vor allem die neuen Scheinwerfer und Rückleuchten mit LED-Technik auf. Im Vergleich zum 2012er Modell wächst der Hubraum durch eine größere Bohrung um 400 Kubikzentimeter auf 5,8 Liter. Zusammen mit einem größeren 2,3-Liter-Eaton-Kompressor und gesteigertem Ladedruck sowie höherer Verdichtung klettert die maximale Leistung des komplett überarbeiteten Achtzylinder von 557 auf 671 PS.

Auch angesichts des 2013er Kraftpakets bleibt der Shelby-Oldie so cool wie einst Steve McQueen als Kommissar Bullitt, der sich im gleichnamigen Action-Streifen eine legendäre Verfolgsjagd mit einem dunkelgrünen Ford Mustang quer durch San Francisco lieferte. Nicht nur auf der Leinwand liefen die wilden Sechziger. Nachdem der texanische Ex-Rennpilot und Sportwagenbauer Carroll Shelby der AC Cobra zum Legendenstatus verholfen hatte, frisierte er ab Ende 1964 ebenfalls die ersten Ford Mustang. Zunächst implantierte er einen 4,7-Liter-V8 mit 306 PS, der in ähnlicher Form in der 289er-Cobra eingesetzt wurde – die Geburtsstunde des Shelby GT 350, den es zunächst als zweisitzige Fastback-Variante (Fließheck-Coupé) gab.

Schnell noch einige Zeilen Geschichtskunde: Neben dem GT 350 kam 1967 erstmals der GT 500 mit dem sogenannten Police Interceptor-V8 samt 428 Cubic Inch Hubraum (sieben Liter) und 355 PS. Während der GT 350 im Modelljahr 68 mit einem 250 PS-V8 lief, gab es den GT 500 ab Anfang 1968 mit 360 PS starkem 428er-Police Interceptor-V8, den später der 428er-Cobra Jet-V8 mit nominell 335 PS ersetzte. Neben dem Motorenwechsel zwischen den beiden Siebenliter-V8 zur Jahresmitte 1968 änderte sich auch der Name des Topmodells von GT 500 in GT 500 KR. Inoffiziell soll das vermeintliche Topmodell rund 400 PS geleistet haben.

US-Car mit einem 427er-Motor

Doch vor dem echten PS-König aus dem damaligen Shelby-Stall stehen wir jetzt. Von rund 2.100 Ford Mustang Shelby GT 500-Exemplaren im Modelljahr 68 verließen nur 47 Fahrzeuge die Produktionshallen mit 427er-Motor. Fans verfallen bereits bei diesen drei Ziffern in Gebetshaltung. 427 Cubic Inch – dieser V8-Typ hat nicht nur den Cobra von Shelby American zu einem Überautomobil gemacht, sondern erfüllte einst Henry Fords II Traum der Le Mans-Triumphe 1966, 1967, 1968 und 1969. Motorhaube auf und das rassige Rennaggregat genießen. Hier verstecken sich Schmankerl wie der extrem seltene Side-Oiler-Block, Shelby-MR-Alu-Zylinderköpfe, Le Mans Pleuel, Hochverdichtungskolben von Arias und ein Demon-Vierfach-Vergaser.

Richtig Heavy Metal herrscht ab 3.700/min

Pöttern, spratzeln, gurgeln – 427 erwacht zum Leben und sprudelt mit unrundem Leerlauf wie ein Riva-Motorboot vor sich hin. Während Nackenhärchen sofort stramm stehen, wollen 6,5 Liter Öl in Wallungen gebracht werden. Die mit 12,25:1 verdichtete V8-Legende unter der Fiberglasmotorhaube will satte Anfahrdrehzahl, sonst stirbt sie wie ein reinrassiges Rennaggregat einfach ab. Ebenfalls eine gute Basis für den Shelby-Turn sind Bergsteigerwaden. Der Pedaldruck der Centerforce Dual Friction-Kupplung ähnelt dem einer vollgeladenen Beinpresse in einem Fitness-Studio. Die Zahnstocher-dünne Drehzahlnadel schlackert nervös über die Skala. Roter Bereich zwischen Sechs- und Achtausend. Dem Reiz der Drehzahl zu wiederstehen gelingt genauso wenig, wie in der Weihnachtszeit auf Plätzchen zu verzichten. Ein gepflegter Burnout auf die guten, alten Rennsport-Zeiten zu Ehren Shelbys muss sein. Brüllen, hämmern, donnern – so richtig Heavy Metal herrscht ab 3.700/min, dann liegt das maximale Drehmoment von 705 Nm an.

Kurz bevor am Heck eine weiße Qualmwand den Leistungsüberschuss zelebriert, vernehmen Kenner ein metallisches Klacken aus der Hinterachse. Dann packt die 100-prozentige Detroit Locker-Sperre zu und sorgt für gleichmäßige Kraftverteilung an die Hinterräder. Unsinn, eher gleichmäßige Erhitzung und Abrieb der 215/65er-Schlappen. Vollgas und Traktion sind im ersten Gang so gegensätzlich wie Nord- und Südkorea. Gummiabrieb riechen und V8-Donnern hören ist die eine Seite der Beschleunigungsmedaille. Und die andere? Die Kraftorgie spürt der Fahrer nicht nur in Form eines Punches, der jeden Kirmesboxer neidisch machen würde. Der Muscle-Mustang geht zusätzlich im Dragster-Stil hinten in die Federn und erhebt stolz seine Schnauze, während er anschiebt.

Shelby als Synonym für Gummi-Gedächtnisstreifen

Ob alt oder neu – Shelby könnte in der Sportfahrersprache auch ein Synonym für Gummi-Gedächtnisstreifen auf dem Asphalt sein. Zwischen 1968 und 2013 dürfte wohl nur die Länge der schwarzen Striche variieren. Hierbei ist das aktuelle 671 PS-Fohlen im Shelby-Stall natürlich dem Oldie klar überlegen. Bis in den dritten, teils vierten Gang drehen die Räder beim Beschleunigen locker durch. Egal, ob mit Launch Control, bei der eine Anfahrdrehzahl zwischen 3.000 und 4.500 Kurbelwellenumdrehungen manuell vorgewählt werden muss, oder ohne Sprintstarthilfe, die unbändige Kraft auf den Boden zu bringen fällt schwer.

Dass der von US-Spezialist Geiger aus München angelieferte 2013er Ford Mustang Shelby vor der Ankunft in der Redaktion bereits jemand anderen mit Burnouts und Drifteinlagen glücklich gemacht hat, verrät das Reifenbild der Goodyear Eagle F1 Supercar G2. Graining würden wohl die Formel 1-Profis dazu sagen. So kann der GT 500 die 4,9 Sekunden des Vorgängermodells beim 0-100-Sprint nicht unterbieten. Hierfür sind neben dem schlechten Gripniveau der abgenutzten Reifen auch Sahara-ähnliche Temperaturen am Testtag verantwortlich (Luft: 37 Grad, Asphalt: 50 Grad Celsius).

Wenn auch die letzten Zehntelsekunden verpuffen – sich einem Shelby empirisch zu nähern fällt ohnehin schwer. Lassen wir besser den 2013er-V8 aufgeigen. Ein Tipp, wie das moderne Ponycar am ergreifendsten singt? Stadttempo, zweiter Gang, kurz Vollgas bis 4.000/min, dann unvermindert Gaspedal lupfen. Das Ergebnis: Erst V8-Hämmern, danach Auspuffknallen aus den vier 98er-Endrohren, das jeden Harley-Fahrer vor Neid erblassen lässt. Für den perfekten Sound wurden mehr als 40 Endschalldämpfer getestet. Keine Zurückhaltung, mit welcher Intensität und Drehzahl man auch fährt, der Mustang fällt mit schwarzer Lackierung und matten Rennstreifen in der City ohnehin so auf wie der Teufel inmitten einer Truppe Engel.

Synthese aus Monster-Motor und vier Rädern

Shelby-Mustang, das war damals und heute jedoch nicht nur die Synthese aus Monster-Motor und vier Rädern. Auch Fahrwerksänderungen zählten seit jeher zur Trimm-dich-Kur. Bei den ersten Versionen im Modelljahr 65 wurden die Anlenkpunkte der oberen Querlenker um 2,5 Zentimeter abgesenkt, um negativen Vorderachssturz zu erreichen. Außerdem kamen straffere Federn, einstellbare Koni-Stoßdämpfer, ein dickerer Vorderachsstabi, eine Monte Carlo genannte Domstrebe sowie eine modifizierte Hinterachskonstruktion zum Einsatz. Anschließend beschwerten sich jedoch viele Kunden über das knüppelharte Renngerät für die Straße. Als Folge stimmte die Shelby-Mannschaft die Modelle der Jahre 67/68 deutlich softer ab.

Eigentlich, denn bei unserem 68er ist der Name der dunkelgrünen Lackierung Programm: Bullitt Green. Als ob Rennfan McQueen grüßen lässt, wurden bei diesem Ford Mustang GT 500 die vorderen Querlenker aus gepresstem Blech durch geschweißte Rohre ersetzt. Die gesamte Vorderachsaufhängung stammt aus einem ehemaligen Renn-Mustang. Für heutige Verhältnisse ist das Fahrwerk zwar immer noch etwas unterdämpft, aber keineswegs schwammig. Mit direkter Rückmeldung begeistert die servofreie Zahnstangenlenkung, die in diesem Exemplar die serienmäßig verbaute Servo-Lenkung ersetzt. Abbiegevorgänge aus engen Ecken stählen wegen der kernigen Lenkkräfte am klassischen Dreispeichen-Holzlenkrad die Armmuskulatur, während die 100-Prozent-Sperre dank erfrischenden Seitwärtsschritten Glückshormone im Überschuss produziert.

Endorphine satt gibt‘s auch im 2013er Shelby Ford Mustang. Mit optionalem Performance Package, zu dem neben einem Torsen-Sperrdifferenzial, einem größeren Vorderachsstabi, einer optimierten Getriebe- und Differenzialkühlung und Aluminium-Kreuzspeichenrädern auch adaptive Bilstein-Dämpfer sowie Federn mit härteren Federraten gehören, beeindruckt der GT 500 selbst bei einer Höchstgeschwindigkeit von 322 km/h mit unerwartet ruhigem Geradeauslauf. Wehe, es kommt aber Asphalt-Tabasco in Form von mehreren Bodenwellen ins Spiel. Dann bockt der Shelby mit Starrachskonstruktion hinten ungezügelt wie ein Wildpferd im Westen Amerikas.

Gute Fahrbarkeit im Grenzbereich auf der Rennstrecke

Trotz historisch anmutender Fahrwerkstechnik ist dem Special Vehicle Team (SVT) von Ford die Abstimmung des Shelby GT 500 so gut wie noch nie gelungen. Die Fahrbarkeit im Grenzbereich auf der Rennstrecke ist dank guter Traktion beherrschbar. Von plötzlich einsetzendem Snap Oversteer keine Spur. Mit dreifach justierbarer Lenkungskennlinie lenkt der Mustang im Sportmodus mit direkter Rückmeldung und kernig-straffen Lenkkräften ein. Durch das recht hohe Gewicht von 1.773 Kilo (Vorgänger: 1.718 kg) kann das Musclecar eine Tendenz zum Kurveneingangsuntersteuern aber nicht verleugnen. Freilich lässt sich dieses Fahrverhalten bei deaktiviertem ESP durch einen Hauch mehr Lasteinsatz schnell in sattes Leistungsübersteuern wandeln. Bösartigkeit kann dem Shelby aber keinesfalls unterstellt werden. Auf Lastwechsel reagiert er gelassen.

Besser könnte die Bremsanlage mit Tremec-Sätteln und Brembo-Scheiben auf der Rennstrecke arbeiten. Während sie im Alltag unauffällig bleibt, fühlt sich der Pedaldruck nach mehreren Runden am Limit so undefiniert an, als ob man gegen einen Sandsack tritt. Sportfahrer entschädigt das knackige Tremec-Sechsganggetriebe, bei dem stilecht mit Schaltstock samt Billardähnlicher Kugel die eng gestuften Gassen gewählt werden.

Ein Getriebe-Déjà-vu wartet auch im Histo-Shelby. Das manuelle Hurst Viergang-Toploader-Getriebe arbeitet trotz seines Alters mit ähnlicher Präzison. Getriebeseitig ist der 68er in dieser Traum-Konfiguration auf 275 km/h übersetzt. Und die könnte das wilde Ross wohl auch rennen. Zur Sicherheit wurde die originale Bremsanlage an der Vorderachse von Zwei-Kolben auf eine Vier-Kolben-Anlage aus einem Lola T70 umgebaut, die gelochte Bremsscheiben aus einem Porsche 911 GT3 in die Zange nehmen.

Mehr Heavy Muscle geht kaum

„Ich war mal bei 240 km/h, da war noch gut Druck drauf. Mehr heavy muscle geht kaum“, sagt der Besitzer des historischen Über-Mustang lächelnd. Ein würdiges Schlusswort für beide V8-Helden.

Technische Daten
Ford Shelby GT500
Grundpreis72.900 €
Außenmaße4778 x 1877 x 1384 mm
Kofferraumvolumen348 l
Hubraum / Motor5812 cm³ / 8-Zylinder
Leistung494 kW / 671 PS bei 6500 U/min
Höchstgeschwindigkeit322 km/h
0-100 km/h4,9 s
Verbrauch21,7 l/100 km
Die aktuelle Ausgabe
Sport Auto 03 / 2022
Sport Auto 03 / 2022

Erscheinungsdatum 04.02.2022

132 Seiten