McLaren 12C Spider im Test
Flügel-Stürmer im Generationen-Vergleich

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Zwischen 1992 und 2013 liegt nur ein leicht unterschiedliches Zischen der Teleskopdämpfer – ansonsten ähnelt die majestätische Begrüßung trotz des Altersunterschieds. Egal, ob Supersportsportwagen der Neunziger oder aktueller McLaren 12C Spider, einen McLaren-Straßensportler entert man traditionell durch Flügeltüren. Wir haben den britischen Roadster aus Woking einem Fitnesstest unterzogen und seinen legendären Ahnen besucht – den F1.

McLaren 12C Spider, Mc Laren F1, Frontansicht
Foto: Rossen Gargolov

Ganz so mondän wie einst bei seiner Präsentation am 28. Mai 1992 in Monaco geht es heute nicht zu. Der bis heute mit 391 km/h schnellste Saugmotor-Sportwagen der Welt trifft die aktuelle Spider-Version des 12C in einem Gewerbegebiet in Schlagdistanz des Nürburgrings.

Abgesehen von sieben Prototypen und 28 GTR-Rennversionen rollten nur 71 Exemplare des ersten McLaren-Straßenmodells zwischen 1992 und 1998 aus der Formel 1-Fabrik in Woking. Einen McLaren F1 in Deutschland aufzuspüren ähnelt der Nadelsuche im Heuhaufen.

Unsere Highlights

Supersportwagen für die Straße

Seine Entstehungsgeschichte ist heute legendär, aber immer noch unfassbar kurios. Nach dem italienischen Formel 1 Grand Prix 1988 warteten die McLaren-Hauptanteilseigner Ron Dennis und Mansour Ojjeh gemeinsam mit dem damaligen McLaren-Technikdirektor Gordon Murray und dem ehemaligen Marketingchef Creighton Brown auf dem Flughafen Mailand-Linate auf einen verspäteten Flug. Otto-Normal-Menschen gehen in dieser Situation wohl einen Kaffee trinken, das McLaren-Quartett diskutierte erstmals den Bau eines Supersportwagens für die Straße. Der Startschuss für das McLaren F1-Projekt fiel quasi in einer Mailänder Flughafen Lounge.

F1: Mit 391 km/h schnellster Sauger

Im März 1989 begann die Entwicklung. 1992 rollte der erste Prototyp, bevor 1993 die Kleinserienfertigung anlief. Es entstand ein dreisitziger Mittelmotorsportwagen mit zentralem Fahrerplatz, der bis heute das Segment der Supersportwagen mitprägt. Allein 3000 Arbeitsstunden benötigte die Fertigung der Karbon-Karosserie und der Monocoque-Struktur darunter, die dem F1 ein Gewicht von nur 1140 Kilo beschert.

Doch viel mehr als nackte Zahlen ist es die Detailverliebtheit des F1, die für erhöhten Pulsschlag sorgt. Da wären zum Beispiel der Windabweiser des Einarmwischers aus hauchdünnem Karbon, die zwei (!) Innenspiegel oder der Tacho mit 400-km/h-Skalierung und in 4-Uhr-Position startender Tachonadel.

Der 60-Grad-V12-Saugmotor mit 6,1 Liter Hubraum wurde von BMW konstruiert und basiert auf dem Triebwerk des 850 CSi. Wie klingt wohl das Ansauggeräusch dieses Hubraumgiganten, der im F1 zwischen 627 und 680 PS leistete?

Wir werden es heute nicht erfahren. Chassisnummer 40 schlummert im Dornröschenschlaf. Fahren derzeit absolut unmöglich, da erst eine Bremsenrevision fällig wäre. Nur mit mehrjährigen Pausen gönnt ihm der Besitzer Auslauf. Ein Leid, das wohl ein Großteil der restlichen F1 als Sammlungs -und Spekulationsobjekte mit einem Wert von bis zu 2,5 Millionen Euro teilt.

Klick, das letzte Detailfoto des F1 ist im Kasten. Aus Drei- wird Zweisitzer und aus V12-Sauger wird V8-Biturbo. Wir verabschieden den F1 und begrüßen den McLaren 12C Spider. Dank optionaler Sportabgasanlage erwacht der 3,8-Liter mit einem Jubelschrei, um anschließend in einen sexyheiseren V8-Beat zu verfallen. Selten hat ein aufgeladenes Serientriebwerk eine schönere Verbrennungsmelodie gespielt als der intern M838T genannte V8.

Dank des sogenannten Intake Sound Generators kann je nach Einstellung der Kraftübertragungs- und Handlingsmodi (Normal, Sport, Track) die Lautstärke der Motorengeräusche im Innenraum justiert werden. Gierige Ansaugtöne wechseln sich mit dominant zischenden Turbo-Abblasgeräuschen ab.

Das ultimative McLaren 12C-Konzert

Unser Tipp für das ultimative McLaren 12C-Konzert: Das vollautomatisch klappbare Hardtop-Dach geschlossenen lassen, aber die elektrisch versenkbare Heckscheibe öffnen und dann den Motorklängen lauschen.
 
Doch der nach einem Update zum Modelljahr 2013 statt 600 nun 625 PS leistende Achtzylinder kann mehr als nur Rock n‘ Roll. Während unter 3000 Umdrehungen ein leichtes Turboloch herrscht – ja wir jammern bei 625 PS da mal wieder auf ganz hohem Niveau – legt der britische Zweisitzer überhalb von 3.000 Touren jegliche Zurückhaltung ab. 3,3 und 9,3 Sekunden für den Sprint von null auf 100 km/h respektive auf 200 km/h machen den McLaren 12C fast zum Usain Bolt der Sportwagengilde.
 
Dass zwei beziehungsweise drei Zehntelsekunden gegenüber der Werksangabe zwischen Woking und der sport auto-Messgerade in Hockenheim verloren gehen, dürfte daran liegen, dass wir grundsätzlich mit vollem Tank und einem Beifahrer unsere Sprint- und Durchzugswerte ermitteln.
 
Positiv sei erwähnt, dass wir zehn konstante Beschleunigungsversuche mit perfektionistisch arbeitender Launch-Control am Stück durchgeführt haben. Hier müssen andere Sportler längst mit überhitzender Startelektronik ins Sauerstoffzelt eingeliefert werden.

McLaren 12C Spider fährt 329 km/h

Im Vergleich zu dem bereits getesteten Coupé mit 600 PS rennt der Spider eine halbe Sekunde schneller auf Tempo 200. Und da ist noch lange nicht Schluss. Der offene C kippt die 320 km/h wie einen Espresso nach dem Mittagslunch lässig weg. Erst bei 329 km/h endet der Vorwärtsdrang. Damit ist die Spider-Version nur 1 km/h langsamer als das McLaren Coupé-Modell.

Die von McLaren versprochenen Bremswerte von 30,7 Meter konnte, wie schon das Coupé, auch der Roadster nicht annähernd erreichen. Hier sollten die Briten noch einmal nachbessern, schließlich schlägt die optionale Keramik-Bremsanlage mit 12.010 Euro zu Buche. Bremswerte von 35,5 Meter sind für einen Sportwagen dieses Kalibers nur Durchschnitt. Zur absoluten Weltspitze ist hier noch Luft nach oben.

Der McLaren 12C mit klappbarem RHT-Hardtop ist 62 Kilo schwere als das zuvor getestete Coupé. Die Dachelemente sind aus dem gleichen Verbundwerkstoff gefertigt wie das nur 75 Kilo schwere Kohlefaser-Monocoque, das sich beide 12C-Derivate teilen. Die Steifigkeit des Spider ähnelt der des Coupés. Lediglich etwas stärkere Windgeräusche bei höherem Tempo verraten den Unterschied.
 
Doch kann der britische Roadster diese Vorteile auch beim Fahrdynamiktest in Hockenheim umsetzen? Professionell wirkt der Auftritt des in Volcano Yellow gefärbten Flügeltürers, schließlich hat er gleich eine dreiköpfige Boxencrew aus Woking als „technischen Support“ mitgebracht.

Offener Sportwagen für über 230.000 Euro

Freilich sind die drei Jungs im Grundpreis von 231.650 Euro nicht enthalten und nur für die Presse-Tests zuständig. Luftdruck anpassen, den ersten Drehregler für die Kraftübertragung (Schaltgeschwindigkeit Doppelkupplung) sowie den zweiten Drehregler für die adaptiven Dämpfer in den Track-Modus drehen, danach in einer komplizierten Prozedur das ESP deaktivieren und schließlich noch die Klimaanlage hinsichtlich besserer Leistungswerte abschalten – in der idealen Rennstrecken-Konfiguration wird uns der McLaren 12C Spider wie ein gesatteltes Pferd seinem Reiter hingestellt. Ready to race!

Mittelmotorsportler mit über 600PS

Wie das Coupé ermöglicht es auch der McLaren 12C Spider, sich dem Grenzbereich schnell zu nähern. Selten zeigt ein Über-600-PS-Mittelmotorsportler so einfach und sicher beherrschbare Umgangsformen. Zickige Lastwechsel-Attacken oder ein unter Last auskeilendes Heck sind hier am Limit absolute Fremdwörter.

Das Lenkgefühl wirkt in puncto Rückmeldung und Haltemoment präzise und leichtgängig, aber nicht zu leichtgängig und etwas synthetisch wie im Ferrari 458. Lediglich das Rückstellmoment der Lenkung könnte besser sein. Die starke Traktion lässt fast vermuten, dass der McLaren 12C Spider sich still und heimlich einen Allradantrieb untergemogelt hat. Dem ist natürlich nicht so.

Der hinterradangetriebene Roadster nutzt wie das Coupé ein elektronisch geregeltes Fahrwerk (ProActive Chassis Control), das ohne Querstabilisatoren und mechanisches Sperrdifferenzial agiert. Das gute Traktionsniveau wird im McLaren 12C Spider ebenfalls über selektive Bremseingriffe am kurveninneren Hinterrad (Brake Steer-System) erreicht.

Doch zu viel Traktion auf der Hinterachse und zu wenig auf der Vorderachse ist kontraproduktiv – und genau das ist beim 12C der Fall. In der ersten schnellen Hockenheim-Runde lenkt der McLaren noch gut ein, wenn auch schon mit einer leichten Tendenz zum Untersteuern. Bereits nach zwei schnellen Runden bauen die Pirelli P Zero Corsa-Vorderreifen auf dem verwinkelten Kleinen Kurs so stark ab, dass der 12C in der Folge pro Runde rund zwei Zehntelsekunden verliert. Wer sich des Öfteren auf Trackdays blicken lassen will, sollte über die Umrüstung auf Pirelli P Zero Trofeo R-Bereifung nachdenken.

Wie der Test des MP4-12C Clubsport von McLaren-Vertragshändler Dörr gezeigt hat, bleiben diese Pneus selbst auf dem fordernden Streckenlayout des Kleinen Kurses fast einen ganzen Testtag auf konstantem Niveau.

McLaren 12C Spider ist schnellster Roadster in Hockenheim

Doch wie schon zum Thema Beschleunigung gesagt – wir jammern angesichts einer Hockenheim-Rundenzeit im sport auto-Test von 1.09,2 Minuten und dem inoffiziellen Titel „Schnellster Roadster in Hockenheim“ auf allerhöchstem Niveau. Ferrari und Lamborghini wissen schon, weshalb sie Vergleichstests gegen den 12C Spider sofort kategorisch absagen. Ein größeres Lob kann es für den Briten wohl nicht geben.

Technische Daten
McLaren MP4-12C Spider
Grundpreis231.650 €
Außenmaße4509 x 1908 x 1203 mm
Hubraum / Motor3799 cm³ / 8-Zylinder
Leistung460 kW / 625 PS bei 7500 U/min
Höchstgeschwindigkeit330 km/h
0-100 km/h3,3 s
Verbrauch11,7 l/100 km
Die aktuelle Ausgabe
Sport Auto 03 / 2022
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Erscheinungsdatum 04.02.2022

132 Seiten