Novidem-Nissan GT-RS im Test auf dem Hockenheimring
Getarnter Porsche-Schreck vom Tuner

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Nach dem bereits die Serienversion des Nissan GT-R im Test der Konkurrenz das Fürchten gelehrt hat, will der Novidem-Nissan GT-RS mit einem beeindruckendem Testergebnis ein weiteres Ausrufezeichen setzen. Ob dies gelingt, verrät der Test des getunten Nippon-Sportlers mit 585 PS. Das gescheckte Tarnmuster des Nissan ist dabei nur Fassade.

Novidem-Nissan GT-RS
Foto: Rossen Gargolov

„Das wäre doch mal das richtige Einsatzfahrzeug für uns. Wollen wir tauschen?“, schallt es von der rechten Seite, als die Tür des Nissan GT-RS beim Tankstopp langsam aufschwingt. Während der japanische Sportler genüsslich Hochoktaniges aus der Zapfpistole süffelt, versorgen nebenan zwei uniformierte Soldaten ihren olivfarbenen Bundeswehr-Geländewagen mit Diesel.

Optisch würde der Nissan GT-RS in den Bundeswehr-Fuhrpark passen

Militär-G-Klasse gegen Nissans fahrdynamische Wunderwaffe? Nur ein scherzhaftes Tauschangebot, doch zumindest optisch würde dieser GT-RS in den Bundeswehr-Fuhrpark passen. Auf Wunsch wirft der Schweizer Tuner Novidem dem Nissan mittels Klebefolie für 2.500 Euro ein Camouflage-Tarnnetz über. Doch das Motto des gescheckten Nissan lautet keinesfalls Tarnen und Täuschen. Kurzes Anlassersurren, dann brüllt der Biturbo-Allradler einen letzten zackigen Gruß durch seine vier Edelstahl-Endrohre. Dumpf grollend zeigt er der Tankstelle sein Spoiler-Heck und tobt freudig zischelnd auf die A 81.

Unsere Highlights

Leistungssteigerung von 485 auf 585 PS
 
Dank komplett ab Motor modifiziertem Abgasstrang mit 0,2 bar weniger Gegendruck als beim Serienauspuff gibt’s nicht nur ein asiatisches Tourenwagen-Konzert live und unplugged, sondern auch eine Extraportion Power. „Allein mit der neuen Abgasanlage erreichen wir 14 bis 18 PS mehr Leistung“, sagt Novidem-Geschäftsführer Normando Ruggiero. Die Kraftkur endet hier jedoch längst noch nicht. Ein zusätzliches Steuergerät entlockt dem 3,8-Liter-V6 zusammen mit der Abgasanlage insgesamt 100 Pferde mehr als der 485 PS starken Serienvariante. Das maximale Drehmoment steigt von 588 auf 715 Newtonmeter.
 
Sprint auf Tempo 100 in 3,9 Sekunden
 
Per Knopfdruck aktiviert der Pilot die elektronische Kraftspritze. Der getunte GT-R dreht so mit spürbar besserer Kraftentfaltung als das Werksmodell hoch. Nach 3,9 Sekunden hastet der getarnte Sportler über die 100 km/h-Marke und ist damit zwei Zehntelsekunden schneller als das im sport auto-Supertest gemessene Serienmodell (Hier geht es zum Supertest des Nissan GT-R). Eine freie Autobahn und die virtuose Choreografie aus hochschnellender Drehzahlnadel und aufflackernden Schaltlampen sorgen für ein Tempospektakel. Nach 11,3 Sekunden liegt Tempo 200 an (Serie 13,1 Sekunden). Weiter geht der automobile Tiefflug. Sechster Gang, 7.000/ min: Ende der Drehzahlorgie.
 
Die digitale Geschwindigkeitsanzeige ruft zur Abrechnung. Laut Tacho läuft der GT-R von Novidem bei 313 km/h in den Bregenzer. Das mitgeführte GPS hat noch eine kleine Überraschung parat und packt noch drei Kilometer pro Stunde oben drauf. Somit rennt der Japaner dank Schweizer Tuning-Unterstützung im Idealfall genau 6 km/h schneller als sein Serienbruder mit einer offiziellen Höchstgeschwindigkeit von 310 km/h. Stellt sich dem Schnellläufer jedoch eine Bodenwelle in den Weg, lässt der GT-R von Novidem seine Passagiere sofort spüren, dass auch das Fahrwerk nicht unangetastet blieb. Neue Federn von H&R senken den Fahrzeugschwerpunkt an der Vorderachse um 35 Millimeter und an der Hinterachse um 25 Millimeter ab. Ansonsten wurde die Fahrwerksgeometrie vom Werksmodell übernommen.
 
Wechselnde Lastzustände sind ihm weitgehend unbekannt
 
Durch die härteren Tieferlegungsfedern leidet der Fahrkomfort vor allem auf Querfugen. Bei vollem Lenkradeinschlag kratzen die 20-Zoll-Serienräder zudem leicht in den Radhäusern. Doch das sind nur kleine Schönheitsmakel des getunten Spitzensportlers, der bereits auf der Anreise nach Hockenheim mit seinen Handlingqualitäten kokettiert. Ob enge Autobahnausfahrten oder verwinkelte Landstraßen, der Wahl-Eidgenosse versprüht noch eine Spur mehr Suchtpotenzial als der ohnehin schon agile Serienbruder. Klack, klack, klack, schnell die drei Schalter über dem Getriebe-Wählhebel in Position für den Ritt auf dem Kleinen Kurs in Hockenheim bringen. Dämpferkennlinie im straffen Race-Modus, Allradantrieb in R-Stellung, VDC-R (ESP) off – los geht die Zeitenhatz. Trotz seines kämpferischen Auftritts mimt der Nippon-Renner nicht den hinterhältigen Krieger. Kaum merkliches Untersteuern, kein schlagartiges Übersteuern – der Sportskerl aus Fernost folgt präzise und neutral der Linie, die ihm sein Lenker vorgibt. Dank einer guten Gewichtsverteilung durch den Transaxle-Antriebsstrang und beeindruckender Traktion durch den Allradantrieb mit variabler Kraftverteilung verzichtet der GT-R weitgehend auf Lastwechselreaktionen.
 
In die gelungene Rennstrecken-Komposition fügt sich neben den Serienreifen Dunlop SP Sport 600 DSST auch das Sechsgang-Doppelkupplungsgetriebe GR6 perfekt ein. Beim Gangwechsel stört nicht der Hauch einer Kraftunterbrechung, und selbst in den Kurven kann per Schaltwippen am Lenkrad lässig hoch- und runtergeschaltet werden. Ebenso vorteilhaft für den Rennstreckenbesuch: In der R-Stellung hält das Getriebe die Gänge, und der GT-R stürmt ohne automatisches Hochschalten gen Drehzahlbegrenzer. Damit der Ausflug in den Grenzbereich nicht doch mal mit einer bösen Überraschung endet, modifiziert Novidem zudem die ohnehin schon großzügig dimensionierte Brembo-Bremsanlage. An der Vorderachse kommen neue Bremsscheiben von AP Racing, neue Luftleitbleche zur Bremskühlung sowie auf Wunsch Bremsbeläge von Pagid an der Vorder- und Hinterachse zum Einsatz.
 
Rundenzeit auf Porsche GT2-Niveau
 
Nach zwei fliegenden Runden trabt der Novidem-Express in die Boxengasse von Hockenheim zurück, und der GT-R grinst noch diebischer durch seine trapezförmigen Scheinwerfer. Grund hat er: So entspannt hat bisher noch keiner eine Fabelzeit in den badischen Asphalt geglüht. Mit 1.09,5 Minuten deklassiert der GT-R von Novidem das Serienfahrzeug um 1,2 Sekunden. Kurzer Zeitabgleich: 1.10,4 Minuten für den aktuellen Porsche GT3 und 1.09,7 Minuten für den GT2. Klingt unglaublich, ist aber so.

Noch wärmer dürfte sich die Werksmannschaft aus Stuttgart bei den Ankündigungen von Novidem-Chef Ruggiero anziehen: „Für 2010 planen wir einen 150 Kilo leichteren Nissan GT-R mit rund 800 PS.“ Als ob es nicht so schon schön genug wäre.

Technische Daten
Novidem GT-RS
Grundpreis98.060 €
Außenmaße4650 x 1895 x 1345 mm
Kofferraumvolumen315 l
Hubraum / Motor3799 cm³ / 6-Zylinder
Leistung430 kW / 585 PS bei 6770 U/min
Höchstgeschwindigkeit316 km/h
0-100 km/h3,9 s
Verbrauch20,1 l/100 km
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Sport Auto 03 / 2022
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Erscheinungsdatum 04.02.2022

132 Seiten