Porsche Targa 4S im Test
Rückkehr des Ur-Bügels

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Er trägt wieder den klassischen Targa-Bügel – wie schon sein Urahn von 1965. Dazu gesellen sich noch Schalensitze, Keramikbremsanlage und ein Boxer-Herz mit 400 PS. Lauter gute Gründe für einen Test des Porsche 911 Targa 4S.

Porsche Targa 4S, Seitenansicht
Foto: Rossen Gargolov

Böse Zungen behaupten, ein Porsche 911 Targa sei nichts für Sportfahrer. So selten, wie die extrovertierte Frischluftvariante des Elfers durch die sport auto-Historie geturnt ist, könnte man den Unkenrufen fast Beachtung schenken. Lediglich ein 911 SC Targa (sport auto 4/1981) sowie Targa-Modelle der Baureihen 993 (sport auto 12/1995) und 996 (sport auto 2/2004) traten bisher bei uns zum Test an. Dass Targa heute nicht nur ein Synonym für Open-Air-Cruiser ist, verrät schon die Ausstattungsliste des aktuellen Targa-Probanden: Lackierung in Racinggelb, Sportabgasanlage, Keramikbremsanlage, Sportschalensitze, dazu ein 3,8-Liter-Boxer mit 400 PS – Sportfahrerherz, was willst du eigentlich mehr?

Porsche-911-Targa-Dach öffnet sich in 19 Sekunden

Anders als die Vorgänger der 911-Generationen 997, 996 und 993 trägt der jüngste Porsche 911 Targa nicht mehr nur Glasschiebedach und Heckklappe, sondern wie der Ur-Targa von 1965 statt der B-Säulen wieder einen breiten Targa-Bügel, ein bewegliches Softtop über den Vordersitzen sowie eine umlaufende Heckscheibe ohne C-Säule.

Auf Knopfdruck hebt sich die ganze Konstruktion elektrisch, verstaut das Dachteil hinter den Rücksitzen und schließt dann die Glasheckscheibe wieder. Eine spektakuläre Choreografie, die den Porsche 911 Targa 4S in rund 19 Sekunden öffnet oder schließt. Porsche betont zwar in seiner Pressemappe den „intelligenten Leichtbau“, in Wirklichkeit wiegt der Targa 4S 62 Kilo mehr als das bereits getestete 4S-Coupé mit Handschalter (sport auto 3/2013) und 99 Kilo mehr als der PDK-911 Carrera S aus dem Supertest (sport auto 12/2011). Unser Diät-Vorschlag: Verdeckgestänge rauswerfen und ein abnehmbares Carbon-Hardtop installieren.

Doch der Porsche 911 Targa 4S lässt sich auch von seinen Extrapfunden nicht beirren. Ohne spürbaren Schlupf spult der Porsche 911 Targa 4S seine versprochene Werksangabe auf Landstraßentempo routiniert in 4,6 Sekunden ab. Für 996-Fans ganz interessant: 2004 beschleunigte schon der 1.521 Kilo schwere 996 Targa mit 320 PS, Heckantrieb und Sechsgang-Handschalter im sport auto-Test in 4,8 Sekunden auf 100 km/h. Bis 200 km/h zieht der aktuelle seinem historischen Targa-Verwandten dann in 15,7 Sekunden etwas mehr davon (996 Targa: 16,3 s).

Porsche 911 Targa mit Siebengang-PDK

Während im 996-Handschalter viel Feingefühl beim Kupplung-Gas-Spiel für solche Sprints notwendig war, rennt der Porsche 911 Targa 4S ohne Kapriolen ansatzlos vom Fleck. Dank Siebengang-PDK mit hervorragend funktionierender Launch Control lassen sich Beschleunigungserlebnisse hier fast beliebig duplizieren.

Schnelle Schaltvorgänge oder verbrauchsreduzierend im siebten Gang „segeln“ – der Automatikmodus im Porsche 911 Targa grenzt im Alltag nahe an Perfektion. Im manuellen Modus, der die Gänge auch bei deaktiviertem PSM nicht hält, sondern unter Kickdown eigenmächtig hoch- oder runterschaltet, gibt es jedoch Verbesserungspotenzial.

Deutlicher als bei der Beschleunigung zeigt sich der technische Fortschritt bei den Verzögerungswerten. Mit 32,4 Metern stoppt der Porsche 911 Targa der 991-Baureihe 2,5 Meter früher aus 100 km/h als die 996-Version von 2004. Aus Tempo 200 steht der Neuling nach 132,2 Metern gar über zehn Meter früher (996 Targa: 144,2 m).

Starke Windgeräusche

Genug der Längsdynamik auf unserem Testflugplatz in Lahr. Während Messwerte immer mit geschlossenem Dach ermittelt werden, genießen wir die Verbindungsetappe zur F1-Piste nach Hockenheim mit geöffnetem Dach. Auf der Landstraße, bis 70 km/h, ist alles gut. Rebellisch brandet das Boxer-Trompeten des Porsche 911 Targa bei einer Höchstdrehzahl von bis zu 7.800/min auf und schwappt über die Glasheckscheibe in den geöffneten Innenraum.

Gen 100 km/h wechselt die Geräuschkulisse, und wir müssen auch dem aktuellen Bügel-Elfer das attestieren, was einst der ehemalige sport auto-Tester Friedbert Holz schon über den 911 SC Targa in Heft 4/1981 schrieb: „starke Windgeräusche im Porsche Targa“.

Über 120 km/h hört man das Motorengeräusch bei geöffnetem Porsche-911-Targa-Dach wegen der extremen Verwirbelungsgeräusche nur noch zurückhaltend. Da hilft auch nicht der am Frontscheibenrahmen angebrachte Windabweiser, der bei geöffnetem Dach ausfährt.

Ankunft in Hockenheim, Softtop schließen. Dass die Geräuschkulisse im Innenraum mit geschlossenem Dach kaum über der des Festdach-Elfers liegt, steht jetzt nicht im Vordergrund. Der Kleine Kurs ruft, und der Porsche 911 Targa 4S lässt sich nicht lange bitten. Das Rennstreckenerlebnis ähnelt der 4S-Coupéversion. Die elektromechanische Servolenkung arbeitet leichtgängig, fast frei von Stößen und mit präziser Rückmeldung.

Kein Fahrzeug für Sportfahrer?

Das Einlenkverhalten bleibt weitgehend neutral. Die Traktion an der Hinterachse ist dank variablem Allrad-Antrieb PTM ausgezeichnet, unter Last könnte aber der Grip an der Vorderachse – speziell in engen Ecken (Ausgang Querspange, Sachskurve) – besser sein. Die Tendenz zum Untersteuern ist im Porsche 911 Targa 4S ausgeprägter als im bereits getesteten Carrera 4S. Dementsprechend verliert der Targa mit einer Rundenzeit von 1.12,9 Minuten 1,2 Sekunden auf das 4S-Festdach-Modell.

Haben die anfangs erwähnten Kritiker also doch recht, dass ein Targa nichts für Sportfahrer sei? Gewiss nicht, denn das aktuelle Open-Air-Derivat des Elfer ist in Hockenheim drei Zehntel schneller als die einstige Trackday-Waffe 996 GT3 Mk2 von 2003.

Technische Daten
Porsche 911 Targa 4S
Grundpreis127.605 €
Außenmaße4491 x 1852 x 1291 mm
Kofferraumvolumen125 l
Hubraum / Motor3800 cm³ / 6-Zylinder
Leistung294 kW / 400 PS bei 7400 U/min
Höchstgeschwindigkeit294 km/h
0-100 km/h4,6 s
Verbrauch9,2 l/100 km
Die aktuelle Ausgabe
Sport Auto 03 / 2022
Sport Auto 03 / 2022

Erscheinungsdatum 04.02.2022

132 Seiten