Rothe-VW Golf R20 im Test
Mit Golf-Tuning auf Lambo-Niveau

Inhalt von

Der Rothe-VW Golf R20 mit 338 PS brennt im Test fast so schnell wie ein Lamborghini Gallardo LP 560-4 über den Kleinen Kurs von Hockenheim. Dabei bleibt der Turbo-Allradler kinderleicht beherrschbar.

Rothe-VW Golf R20
Foto: Rossen Gargolov

Sie waren die Helden meiner automobilen Einstiegsphase. Mit 18 Jahren, den ersten eigenen VW Golf mit 1,8-Liter-Vierzylinder und 90 PS in Besitz, kannte die Verehrung für die Tuning-Kunst von Mike Rothe und seinem Team von Rothe Motorsport keine Grenzen. Seit über 20 Jahren baut Rothe mehr oder minder schmächtige Modelle aus dem Volkswagen-Konzern in heiße Geschosse um, wie Test beweisen. Wildes Motortuning, wie beispielsweise der VW Golf III VR6 Turbo mit bis zu 400 PS, machten die selbst ernannte Turbomanufaktur aus dem hessischen Schaafheim bekannt.

Unsere Highlights

VW Golf so schnell wie ein Porsche

Wie sich die Zeiten ändern. Wer Ende der Neunziger mit einem Rothe-Tacho inklusive 300-km/h-Skalierung auftauchte, den bewunderte die Tuning-Szene. Heute läuft der VW Golf R serienmäßig mit Zwei-Liter-Turboaggregat, 270-Allrad-PS und 300-km/h-Tacho vom Band. Wer allerdings das verschmitzte Lächeln von Mike Rothe kennt, weiß, dass kein Fahrzeug vor ihm sicher ist. „Du bist jetzt damit so schnell wie mit einem Porsche“, verspricht der Firmenchef, nachdem sein Rothe-VW Golf R20 beim Tuner-Grand Prix die Konkurrenz in der Kompaktwagenklasse spielerisch dominierte. „Wir bringen euch den Wagen gerne mal zum Test.“

Gesagt, getan. Schon auf den ersten Blick wird die Zielsetzung klar, die im Lastenheft des getunten Golf ganz oben steht: „Schnell in Hockenheim“. Dafür räumten die Rothe-Techniker den Innenraum aus. Ohne Rücksitzbank, Hutablage und Kofferraumverkleidung, aber mit zwei Recaro Pole Position-Schalensitzen samt Vierpunktgurten sinkt das Fahrzeuggewicht um rund 70 auf 1.466 Kilogramm.

Das Herz des Rothe-VW Golf R20 schlägt vorn

Gänsehautgefühle, als die Motorhaube aufschwingt. Was hätte ich für so ein Triebwerk in meinem Studenten-Golf gegeben? Der Vierzylinder-TSI unter der roten Motorabdeckung leistet dank optimiertem Steuergerät, einem dickeren Ladeluftkühler und einem komplett modifizierten Luftfilter sowie einer Abgasanlage mit 89er-Rohrquerschnitt (Serie: 60 mm) nun 338 PS. Der maximale Ladedruck steigt von 1,2 auf 1,4 bar. Wegen des größeren Luftfilters wandert die Batterie in den Kofferraum und trägt so auch geringfügig zu einer verbesserten Gewichtsverteilung bei. 

Auch die Luftführung optimierte das Rothe-Team grundlegend. Hinter der bearbeiteten Frontschürze sitzt auf der rechten Seite ein Zusatzölkühler. Der neue Ladeluftkühler wird hinter dem angekippten Kennzeichen über einen raffinierten Luftschlitz perfekt mit Fahrwind angeströmt. Dank umprogrammierter DSG-Mechatronik liegt die Drehzahlgrenze nicht bei 7.000, sondern 7.400/min. Beim Hochschalten unter Volllast feuert der heißgemachte VW Golf R wie die Scirocco-Werksrennwagen beim 24h-Rennen ohrenbetäubende Schaltsalven ab.

VW Golf sprintet in 4,4 Sekunden auf Tempo 100

Auch beim Launch-Control-Start dreht der Rothe-VW Golf R20 mit 4.500/min höher als die werksseitigen 3.200 Touren. Mit temperierten Dunlop Direzza-Reifen springt der Allradler im Test ohne merklichen Schlupf aus dem Stand in 4,4 Sekunden auf 100 km/h. Ein Serien-R bummelt da gerade mal über die Tempo-80-Grenze. Bis 200 km/h erkämpft sich das Tuning-Modell einen Vorsprung von beachtlichen 6,7 Sekunden. 

Doch Rothe erzieht dem VW Golf R nicht nur längs-, sondern auch querdynamische Manieren an. Über einen Schalter wird das ESP mit TÜV-Segen komplett deaktiviert – die 338 Rothe-Pferde galoppieren enthemmt auf die Rennbahn. So wird der VW Golf R endlich zu der Rennsemmel, die von den R-Machern inkonsequenterweise durch ein nicht abschaltbares ESP dauerhaft eingebremst wurde. 

Unter den pro Achse je sechs Millimeter breiteren Kotflügeln setzt Rothe die Serienachsen mit speziellen Dreiecksquerlenkern sowie ein Bilstein B16 PSS10-Gewindefahrwerk (Tieferlegung 40 mm) ein. Dank Negativ-Sturzwerten von 2,5 Grad vorn lenkt der Golf extrem präzise ein. Dabei stellt sich im Test die Frage: Was ist Über- und Untersteuern? Keiner dieser Fahrzustände liegt dem Rothe-VW Golf R20 nahe. Er bleibt jederzeit neutral und katapultiert sich mit Quaife-Differenzialsperre und weniger frontbetonter Haldex-Auslegung lässig aus den Kurven. Für brachiale Verzögerungswerte bis zu 13,10 m/s² nimmt eine Sechs-Kolben-Bremsanlage von Mov’it die 370er-Scheiben (Serie: 310 mm) an der Vorderachse in die Zange.

Kompaktwagen fährt auf Sportwagen-Niveau

Nach 1.11,5 Minuten ist die Runde mit dem Rothe-VW Golf R20 auf dem kleinen Kurs in Hockenheim Vergangenheit. Damit wildert Rothe-VW Golf R20 im Revier von Lamborghini Gallardo LP 560-4 (1.11,3 min.) und Lexus LFA (1.11,0 min.). Hier sehen Sie alle Rundenzeiten in Hockenheim.

Beim Tuner-Grand Prix brannte Markus Gedlich, allerdings mit Sturzwerten von bis zu vier Grad, sogar eine Fabelzeit von 1.10,8 Minuten auf die Strecke. Doch Mike Rothe lächelt schon wieder mit schelmischen Blick. Das aktuelle VW Golf R-Projekt ist bereits Geschichte. „Die nächsten R-Ausbaustufen haben 380 und 420 PS“, verrät er zukünftige Ideen.

Technische Daten
Rothe Golf R20
Außenmaße4212 x 1779 x 1430 mm
Kofferraumvolumen350 bis 1305 l
Hubraum / Motor1984 cm³ / 4-Zylinder
Leistung249 kW / 338 PS bei 6200 U/min
Höchstgeschwindigkeit278 km/h
0-100 km/h4,4 s
Die aktuelle Ausgabe
Sport Auto 03 / 2022
Sport Auto 03 / 2022

Erscheinungsdatum 04.02.2022

132 Seiten