Ruf-Porsche 911 Carrera Cabriolet im Test
Turbo-Schreck durch Kompressor-Kit von Ruf

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Mit einem Kompressor-Kit von Ruf wird aus dem zivilen Porsche 911 Carrera Cabriolet ein Turbo-Schreck mit vorzüglichen Tiefstapler-Eigenschaften, wie der Test beweist: Man sieht, hört und riecht nichts, aber man spürt es dank 120 PS Mehrleistung. 

Ruf-Porsche Carrera Cabriolet
Foto: Rossen Gargolov

Einem perfekt funktionierenden System an die Substanz zu gehen und damit das Originäre außer Kraft zu setzen hat fraglos etwas Anmaßendes. Denn - so lauten die bangen Fragen - was ist, wenn ...? Und wer macht, falls ...? Und vor allem: Warum etwas Bestehendes verändern, wenn es doch aus demselben Haus übergeordnete Systeme, sprich: stärkere Alternativen gibt?

Ruf-Leistungssteigerung auf 445 PS

Der PS-Aufrüstung von Ruf des in der Basisversion 325 PS starken Porsche 911 Carrera Cabriolets müssen also andere Gründe zugrunde liegen als rein sachliche Erwägungen - etwa die langjährige Liebe zu diesem einen speziellen Objekt. Oder der Wunsch, bei maximaler optischer Zurückhaltung doch mit motorischen Mitteln ausgestattet zu sein, mit deren Hilfe auch den Stärksten des Genres Paroli geboten werden kann. 

Vielleicht ist es aber auch nur der Name, der das Begehren weckt: Einen Ruf-Porsche zu fahren ist schließlich nicht jedem vergönnt, auch wenn es in diesem Fall keine signifikanten optischen Hinweise darauf gibt, dass es sich um einen solchen handelt. Intimen Kennern der Materie wird allerdings auffallen, dass der Basis-Carrera nicht mit den angestammten schwarzen, sondern mit roten Bremssätteln und den größeren Bremsscheiben des S-Modells ausgestattet ist - ein erstes Indiz dafür, dass dieses Cabriolet nicht allein für die entschleunigende Offenfahrt Verwendung finden soll.

Auch am kernigen, man könnte auch sagen: bösartigen Klang des 3,6-Liter-Boxers lässt sich - allerdings nur, sofern der Klappenauspuff auf Durchzug geschaltet ist -, im Leerlauf ableiten, dass es mit diesem rot leuchtenden Beispiel optischer Zurückhaltung etwas ganz Besonderes auf sich hat. Die im Verborgenen vorgenommene PS-Kur beruht auf der bei Ruf stets angewandten ganzheitlichen Methode, die erstaunlicherweise fast zur Gänze im engsten aller Motorräume durchgeführt wird. Der oberhalb des Motorblocks zwischen den komplett neu konstruierten Ansaugbrücken implantierte und von einem Poly-Rip-Riemen angetriebene Radialverdichter der Marke Rotrex ist dazu auserkoren, die Brennräume der beiden Zylinderbänke mit maximal 0,7 bar unter Druck zu setzen.

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Mechanik des Boxermotors bleibt unangetastet

Die Mechanik des Boxermotors bleibt dabei unangetastet, nur die Verdichtung wird von ehedem 11,3:1 auf 10,0:1 reduziert. Der herausragende Aspekt dieser tief greifenden Maßnahme ist weniger der nominelle Leistungszugewinn (445 gegenüber 325 PS und 470 gegenüber 370 Newtonmeter) als vielmehr die optisch elegante und technisch geschliffene Art der Implantierung. Das völlig neue Ansaugsystem, geänderte Einspritzventile, Katalysatoren mit höherem Durchsatz, ein geändertes Steuergerät, die verstärkte Kupplung sowie die wassergekühlten Ladeluftkühler (die über eine elektrische Pumpe mit den Kühlmitteln aus dem bis zum Frontspoiler reichenden Kühlsystem versorgt werden) - all das fügt sich wie selbstverständlich ins Gesamtsystem des Basis-Carrera ein. 

Subjektiv ist vom Vorhandensein eines Kompressors - vom deutlich erhöhten Leistungs- Output einmal abgesehen -, wenig bis gar nichts zu spüren. Die Leistungsentfaltung und das Ansprechverhalten sind dem des Saugmotors sehr ähnlich. Kein Pfeifen oder Singen, nur ein an ein gutturales Gurgeln erinnerndes Geräusch bei sich aufbauendem Ladedruck weist auf den externen Radialverdichter hin. Die Leistungssteigerung drückt sich zahlenmäßig am deutlichsten beim Sprint auf 200 km/h aus: Während das Serien-Cabriolet bis 180 km/h 14,9 Sekunden benötigt, begnügt sich das bei Ruf gestärkte Modell mit 12,0 Sekunden. Mit 14,4 Sekunden auf 200 km/h unterbietet es sogar das dem Supertest unterzogene, aktuelle Carrera S-Coupé mit PDK-Getriebe um eine halbe Sekunde. Das ist insofern beachtenswert, als das Cabriolet bauartbedingt mit rund 100 Kilogramm mehr Gewicht antritt als das Coupé. So gerüstet liegt der Kompressor-Carrera leistungsmäßig in etwa auf dem Niveau des Turbo Cabriolets - ohne aber dessen Extrovertiertheit an den Tag zu legen.

Rundenzeit von 1.14,2 Minuten auf dem Kleinen Kurs in Hockenheim

Die mit dem Ruf-Porsche 911 Carrera Cabriolet in Hockenheim gefahrene Rundenzeit von 1.14,2 Minuten ist insofern eine Überraschung, als sie nicht nur mit normalen Pirelli P Zero Rosso gefahren wurde, sondern mit einem Fahrwerks-Setup, das - bis auf eine Spurverbreiterung von jeweils zwei Zentimetern -, exakt dem des serienmäßigen Carrera Cabriolets entspricht. Das beweist zweierlei: Schon der Basis-Carrera bringt vorzügliche Voraussetzungen mit, und der von Ruf beigesteuerte Beschleuniger wirkt sich unmittelbar positiv sowohl auf die mögliche Längs- als auch auf die Querbeschleunigung aus. 

Technische Daten
Ruf Carrera Cabriolet Kompressor
Außenmaße4427 x 1808 x 1310 mm
Kofferraumvolumen135 l
Hubraum / Motor3596 cm³ / 6-Zylinder
Leistung327 kW / 445 PS bei 6800 U/min
Höchstgeschwindigkeit303 km/h
0-100 km/h4,6 s
Die aktuelle Ausgabe
Sport Auto 03 / 2022
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Erscheinungsdatum 04.02.2022

132 Seiten