Dodge SRT Viper im Test
Völlig durchgedreht

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Wilde Heckschwenks und viel Qualm – wer bewusst den Rodeo-Ritt vergangener Viper-Tage heraufbeschwört, kann dies auch in der aktuellen Dodge SRT Viper noch tun. Grundlegende Modifikationen machen den Jahrgang 2013 jedoch berechenbarer und deutlich schneller, wie der Test zeigt.

SRT Viper, Frontansicht
Foto: Rossen Gargolov

Was die Amerikaner so cool macht – sie ziehen ihr Ding einfach durch. Wenn man in irgendeinem Winkel dieses Globus nach Ketchup zum Frühstück fragt, wird man schief angeguckt. In den USA hört man nur ein lang gezogenes „sure...“, oder die Tomaten-Würzsauce steht morgens ohnehin schon auf dem Tisch. Die neue SRT Viper ist wie Ketchup zum Frühstück – einfach herrlich anders.

So schnell wie der Ketchup neben den Frühstücksspeck spratzelt, sitzen wir in den Schalensitzen mit gutem Seitenhalt. Die Cockpit-Plastikwüste vergangener Tage hat sich in ein Lederinterieur verwandelt. Von Piëch-Premium-Perfektion sind wir aber immer noch meilenweit entfernt.

Unsere Highlights

Egal. Was jetzt zählt, ist der rote Starknopf. Tief bollernd und rasselnd zünden zehn Pötte mit zusammen 8,4 Liter Hubraum. Das gewaltige V10-Rotzen aus den Sidepipes klingt nach einem Dragster-Traktor an der Startampel beim Tractorpulling. Schon leichte Gasstöße rufen Bürgerinitiativen auf den Plan, vorausgesetzt ihr Wohnort liegt nicht in Texas, sondern zwischen deutschen Spießbürgern. Andernorts werden hier zu Lande sofort begeistert die Smartphones für ein Erinnerungsfoto gezückt – die Viper polarisiert extrem.

Dodge SRT Viper zu Recht als Drehmoment-König 

Bohrung und Hub haben sich gegenüber dem Vorgänger nicht geändert. Dafür aber Motorleistung und Name der „Snake“, wie die Viper in den Staaten genannt wird. Ab sofort hört sie nicht mehr auf „Dodge Viper SRT-10“, sondern nur noch schlicht auf „SRT Viper“. Der Vertrieb erfolgt über Chrysler’s Performance-Dependance „Street and Racing Technology (SRT)“. Mit 648 PS leistet der US-Sportler 36 PS mehr als zuvor. Ein Drehmoment-Berg von maximal 814 Newtonmeter krönt den V10 zum Drehmoment-König unter den aktuellen Serien-Saugmotoren.

Die SRT-Jungs vermelden stolz ein neues Ansaugsystem, jeweils zehn Gramm leichtere Schmiedekolben, leichtere Ventile, ein fünf Kilo leichteres Aluminium-Schwundrad und eine neue Abgasanlage mit 20 Prozent weniger Gegendruck. Auch wenn das Kraftwerk nach den ganzen Modifikationen nun 11,4 Kilo leichter sein soll, handelt es sich immer noch um einen guten, alten und robusten OHV-Zweiventiler mit einer Nockenwelle.

Hier gibt es nur ein Motto: Vollgas

Handzahmer als der Vorgänger? Nennen wir es mal umgänglicher. Das Viper-Motto lautet immer noch: Männlich, Kraftvoll, Ehrlich. Wer den Perfektionsdrang der europäischen Sportwagenindustrie satt hat, hier ist der passende Purismus-Partner – immer noch herrlich unperfekt.

Der Tritt auf das Kupplungspedal der Zweischeiben-Kupplung bedingt im Vergleich zu anderen aktuellen Sportwagen immer noch Waden wie von Hulk Hogan zu seinen besten Zeiten. Ebenso engagiert schlägt die SRT Viper auch noch zu.

Aus dem Traktor-Rasseln im Drehzahlkeller wird unter Volllast, bis zum Drehzahllimit von 6.400 Touren, ein gewaltiges Ansaug-Donnern. Beim Anfahren erhebt die SRT Viper ihre Schnauze, und die Karosse taucht hinten wie ein Rennboot ein. „Vollgas, Schalten, Vollgas“ sorgt für die Wackeldackel-Bewegung Schnauze hoch, kurz runter in Normallage, dann wieder Schnauze hoch. Das Tremec-Sechsganggetriebe hat zwar im Vergleich zum Vorgängermodell kürzere Schaltwege und eine kürzere Gangübersetzung, hakelt aber immer noch mit knorriger Gassenführung in die Parade.

SRT Viper erstmals mit ESP

Wer zögerlich schaltet, dem wird der Eingang zum zweiten Gang verweigert. Also Ärmel hochkrempeln und brachial am Ganghebel reißen – so klappt’s auch mit der SRT Viper. Von der optimistischen Werksangabe für den Sprint von null auf Tempo 100 in 3,1 Sekunden liegt das Hubraum-Monster über eine Sekunde entfernt. Die über einen Knopf am Lenkrad aktivierbare Launch Control soll eigentlich die Drehzahl für ein perfektes Schlupf-Grip-Verhältnis einregeln, spielt aber eher Burnout-Maschine.

Ohne Launch Control beschleunigte unser Exemplar schneller. In 11,9 Sekunden jagt das SRT-Geschoss über die 200 km/h-Marke (Vorgänger: 13,1 s) und peilt dank kürzerem sechsten Gang schnell die Höchstgeschwindigkeit von 332 km/h an (Vorgänger: 326 km/h).

Ganz so pulssteigernd fällt der Vmax-Run zwar nicht mehr aus, dennoch ist auch im 2013er Modell Mut gefragt. Überhalb von 300 km/h rennt die SRT Viper gerne Spurrillen nach und streut auch mal kleine Haken ein. Der Geradeauslauf könnte besser sein, doch die Dramatik vergangener Hochgeschwindigkeitsfahrten ist verschwunden. Fürs Gewissen haben sie jetzt in den Untiefen der Elektronik erstmals auch ein ESP eingestreut. Bevor die Puristen sauer werden, reden wir nicht weiter drüber. Bei uns war das ESC meist im Modus „Full off“.

332 km/h oder 12,6 Liter

Das Öko-Gewissen ähnelt dabei dem eines texanischen Öl-Multis, zumindest was die Optik der Verbrauchsanzeige betrifft. Bis 15 Liter schlägt da ein grüner Balken auf. Darüber, bis zum Momentanverbrauch von 63 Liter bei Volllast, leuchtet der Balken gelb. Die Farbe Rot findet sich erst gar nicht in der Verbrauchsanzeige.

Doch mal ehrlich, welcher andere Sportwagen säuft bei Volllast weniger? Die SRT Viper ist nur so ehrlich und zeigt ihren Momentanverbrauch auch real auf der Anzeige an. Andere Premiumhersteller haben den Momentanverbrauch im Infodisplay längst in Rente geschickt, zeigen ihn nur bis zu einer gewissen Grenze an oder verstecken das Thema Verbrauch in einem Untermenü.

Schämen muss sich die Viper für ihre Ehrlichkeit nicht. Mit 12,6 Liter Minimalverbrauch über eine Strecke von 235 Kilometer kann der Hubraumheld auch recht sparsam dahingurgeln.

Und muss es immer Vollgas sein? Wir rollen im Sechsten gemütlich aus und lassen die Drehzahl in diesem Test in den Keller fallen. 50, 40, 35 km/h – die Drehzahl ist im Leerlauf angekommen. Mit Standgas tuckert das Urvieh im sechsten Gang durch 30er-Zonen ohne dabei abzusterben.

Hubraum macht eben auch die Entdeckung der Langsamkeit interessant. Zumindest kurzfristig, bis wir am Eingang der Boxengasse des Hockenheimrings stehen. Aus Hockenheim wird Rockenheim. Die Viper hämmert auf den Kleinen Kurs. Neben der Gewichtsreduktion des Motors konnten durch Karbon- (Motorhaube, Dach, Heckdeckel) sowie Aluminiumteile 63 Kilo gegenüber dem Vorgänger eingespart werden. Die Gewichtsverteilung des Mittel-Frontmotor-Renners liegt mit gefülltem Tank bei exakten 50 zu 50 Prozent.

Deutlich schneller als der Vorgänger

Mit überarbeitetem Fahrwerk (neue Bilstein-Dämpfer, andere Federraten, Stabis mit 27 Millimeter Durchmesser) und Pirelli P Zero-Sportreifen (SRT Track Package), lenkt die Viper wesentlich präziser ein. Trotz immer noch vorhandenen Karosseriebewegungen konnte das Einlenkuntersteuern eliminiert werden. Die Lenkung ähnelt nun fast europäischen Sportwagen und vermittelt eine gute Rückmeldung. Mit Differenzialsperre und 355er-Walzen hinten unterbleibt das Snap-Oversteer-Machogehabe der vergangenen Schlangen weitgehend. Das Gripniveau der Pirelli-Extremreifen ist schlicht grandios.

Dadurch ist die SRT Viper in Hockenheim nicht nur 3,7 Sekunden schneller als der Vorgänger (1.14,2 min), sondern auch berechenbarer als ihre Vorfahren. Bis zu einem gewissen Punkt, als überraschend dann doch das Heck unter Last im schnellen Linksknick der Querspange zuckt. Gut so: Eine Viper ganz ohne Rodeo-Gehabe wäre auch wie ein Amerika ohne Ketchup zum Frühstück gewesen.

Technische Daten
Dodge SRT Viper
Grundpreis139.900 €
Außenmaße4463 x 1941 x 1246 mm
Hubraum / Motor8382 cm³ / 10-Zylinder
Leistung477 kW / 648 PS bei 5600 U/min
Höchstgeschwindigkeit330 km/h
0-100 km/h4,2 s
Verbrauch18,0 l/100 km
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Sport Auto 03 / 2022
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Erscheinungsdatum 04.02.2022

132 Seiten