Wolf-Ford Focus RS mit 360 PS Test
Rallye-Derivat vom Tuner auf verschneiter Piste

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Die Rallye-WM lässt grüßen: Mit 360 PS carvt der Ford Focus RS 360 von Wolf Racing über den verschneiten Hockenheimring. Nicht nur wegen der eisigen Temperaturen müssen sich seine Gegner warm anziehen. Test der ersten getunten Straßenvariante des Rallye-Derivats.

Wolf-Ford Focus RS 360
Foto: Rossen Gargolov

„Ihr könnt gern vorbeikommen, aber heute geht nicht viel“, sagt Klaus Schwenninger, Streckenmeister des Hockenheimrings. Der Hörer ist kaum auf die Telefongabel gefallen, da steht die Entscheidung schon fest: Wir fahren trotz geschlossener Schneedecke. Schließlich ist der Testkandidat ein entfernter Serienbruder des Rallye-Vizeweltmeisters 2009. Wenn der Ford Focus RS WRC erfolgreich durch verschneite Wälder in Norwegen spuren kann, werden doch so ein paar Flocken unserem Straßen-RS nichts anhaben können.

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Wolf-Ford Focus RS mit 360 PS

Außerdem wartet diesmal nicht irgendein RS auf den Ausritt nach Hockenheim. Passend zum winterlichen Wetter rollt der neue Wolf-Focus RS 360 mit einem Blechkleid in „Frost-Weiß“ an den Start. Dumpf brüllend tobt die nachgewürzte Version des Tuners aus dem württembergischen Neuenstein auf den Kleinen Kurs. Unter der gewölbten Motorhaube mit den Entlüftungskiemen trommelt der 2,5-Liter-Fünfzylinder statt mit den gewohnten 305 nun mit 360 PS zum Angriff auf die Hockenheimring-Bestzeiten des Serienmodells (sport auto-Supertest Ford Focus RS: 1.17,8 Minuten auf Conti Sport Contact3 sowie 1.16,6 Minuten auf Toyo Proxes R888).

Gestärkter Kompaktsportler mit zornig grummelnder Stimme
 
Sieben Zentimeter Schnee plus Eisschicht darunter machen natürlich Rekordfahrten undenkbar. Doch der getrimmte RS hat das Potenzial dafür. „Wir haben die Einspritzdüsen selektiert und die Luftzuführung optimiert“, erklärt Walter Wolf, Gründer und Senior-Chef von Wolf Racing. Neben Eingriffen am Motormanagement schraubten die Wolf-Ingenieure den Ladedruck des Borg Warner-Turbos um 0,2 auf 1,6 bar hoch und passten den Wasserkreislauf auf höhere Temperaturen an. Teil der Leistungssteigerung ist außerdem eine komplett ab Kat modifizierte Abgasanlage mit zehn Millimeter größerem Rohrdurchmesser sowie 0,5 bar weniger Gegendruck, die dem gestärkten Kompaktsportler eine zornig grummelnde Stimme verleiht.
 
Im verschneiten Hockenheim wird bei einem Fronttriebler die Handbremse schnell zum besten Freund. Der RS schwänzelt mit seinem Spoiler-Heck so energisch in den Drift, als ob er im Endlauf zur japanischen D1 GP Professional Drift Meisterschaft kämpft. Spielerisch wie ein Eistänzer carvt der Wolf durch Sachskurve, Senke und Südkurve. Querfahrt statt Messfahrt. Der Pilot drinnen strahlt mit der weißen Pracht draußen um die Wette. Doch der getrimmte RS will mehr als nur den Showman mimen. Gierig schnüffelt er nach dem letzten Fleckchen trockenen Asphalt in diesen Januartagen. Bei Außentemperaturen um den Gefrierpunkt unterbietet er die Werksvariante beim Sprint auf Tempo 100 trotz scharrenden Antriebsrädern mit 5,8 Sekunden um drei Zehntelsekunden. Dabei zerren Antriebseinflüsse nur minimal an der Lenkung. Wolf verspricht bei höheren Außentemperaturen ein besseres Gripniveau und eine Zeit von 5,3 Sekunden.
 
Messwerte des Werksmodells pulverisiert der Wolf-RS
 
Während schon das Serienmodell mit seiner gleichmäßigen Leistungsentfaltung und ohne merkliches Turboloch mehr an einen Sauger als an ein aufgeladenes Aggregat erinnert, setzt die Tuning-Variante noch ein Sahnehäubchen obendrauf. Sämtliche Elastizitätswerte des Werksmodells pulverisiert der Wolf-RS und stürmt mit nahezu gleichbleibender Kraftentfaltung gen Drehzahlgrenze. Kein Wunder, das maximale Drehmoment klettert von 440 auf 559 Newtonmeter.
 
Um die beim Serienmodell schon erstaunlich gute Traktion für einen leistungsstarken Fronttriebler noch weiter zu verbessern, tauschte die Crew von Wolf Racing das Serien-Sperrdifferenzial gegen eine robuste und leistungsfähigere Drexler-Sperre. Außerdem gab der einst in DTM und Rallye-Zirkus aktive Tuner dem RS weitere Rennsport-Gene mit auf den Weg. Dank Gewindefahrwerk von H&R kauert der Ford Focus mit strafferem Setup näher am Asphalt (vorn 39,2 mm und hinten 34,8 mm tiefer). Mehr Nachspur an der Vorderachse beschert ein noch direkteres Einlenkverhalten.
 
Bei zackigen Lenkmanövern bleibt die für frontgetriebene Fahrzeuge typische Tendenz zum Untersteuern gering, im Gegenteil: Der Focus ist mit leicht eindrehendem Heck in puncto Agilität kein Spielverderber. Nur Petrus ließ sich bis zum Redaktionsschluss nicht erweichen. Das Rallye-Derivat wartet weiter nervös auf Tauwetter. Doch nicht nur der RS 360 will es wissen: Auch wir sind gespannt und liefern die Rundenzeit in Hockenheim nach – versprochen.

Technische Daten
Wolf Focus RS
Grundpreis35.900 €
Außenmaße4402 x 1842 x 1462 mm
Kofferraumvolumen385 l
Hubraum / Motor2522 cm³ / 5-Zylinder
Leistung265 kW / 360 PS bei 6700 U/min
Höchstgeschwindigkeit263 km/h
0-100 km/h5,8 s
Verbrauch13,9 l/100 km
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Sport Auto 03 / 2022
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Erscheinungsdatum 04.02.2022

132 Seiten