Porsche Taycan (2021)
So fährt der Basis-Taycan

Porsche stellt der Taycan-Baureihe das einmotorige Basismodell mit weniger Leistung und höherer Reichweite zur Seite. Damit kostet der Taycan erstmals weniger als 911 und Panamera. Wie er sich auf der Straße schlägt, klärt der Fahrbericht.

Porsche Taycan Basismodell
Foto: Daniel Wollstein, Porsche

Ein kurzer Signalton: "Launch Control aktiviert", teilt uns das konkave virtuelle Fahrerdisplay mit. Was jetzt normalerweise in einem Porsche Taycan folgt – vor allem wenn das Turbo-Kürzel das Heck des E-Sportlers ziert – ist weder mit Worten noch mit Messwerten zu beschreiben und verlangt im Anschluss nach chiropraktischer Behandlung. Aber heute ist das anders, denn der Taycan setzt sich beim Lösen der Bremse schnell aber nicht katapultartig in Bewegung, sirrt unter moduliertem Raumschiff-Sound zügig der 100er-Marke entgegen.

Unsere Highlights

Körpereigener-Systemcheck: Gehirnerschütterung? Negativ. Raum-Zeit-Kontinuum? Alles in seiner korrekten Dimension. Im Gegensatz zu seinen Turbo-Brüdern fällt der Launch-Start im neuen Basis-Taycan überraschend bekömmlich und weit weniger gewalttätig aus. 5,4 Sekunden gibt Porsche für den Standardsprint an, 2,8 braucht der Turbo S. Für die Basisvariante entnahm Porsche den vorderen Motor mitsamt Wechselrichter und Antriebswellen und macht den Taycan zum Hecktriebler. Damit verändert sich auch der Fokus des Taycan. War er vorher höchst performance-orientiert unterwegs, immer mit der Maximierung von Quer- und Längsbeschleunigung im Sinn, kommt nun eine ganz neue, fahrspaßige Seite an ihm zum Vorschein.

Neue Dynamik

Schon beim Einlenken in die erste winterlich nasse Schwarzwald-Kehre spürt man regelrecht, wie ihm die Last der Allradmodelle von den vorderen Reifenschultern fällt. Nicht nur das Gewicht von Motor, Wechselrichter und Antriebswellen von knappen 70 Kilogramm, sondern auch die Last der Antriebskräfte, die sonst an den Vorderrädern wüten. Ohne sie spielt die Lenkung viel befreiter sowie rückmeldungsintensiver auf und bietet diese synaptische Verbindung zur Vorderachse, wie sie Porsche besonders gut zu knüpfen weiß. Zudem sind die Rückstellkräfte unter Last deutlich geringer und natürlicher geworden – trotz der verbauten optionalen Hinterachslenkung. Natürlichkeit ist dabei ein gutes Stichwort, denn sie fehlt den meisten Performance-Stromern im Bewegungsablauf, schließlich müssen große Massen unter enormen Aufwand um Kurven gewuchtet werden.

Diese Aufgabe wird dann gern an fahrdynamische Rechenzentren outgesourced, der Fahrer ist dabei nur noch Befehlsgeber statt Steuermann. Auch der Basis-Taycan reißt locker die zwei Tonnen-Marke und kämpft mit dem PTV-Sperrdifferential und dem Luftfahrwerk tapfer gegen die Masse. Trotzdem geschieht hier alles etwas harmonischer und mehr im Einklang mit dem Popometer. Das bei dieser Masse unabdingbare Einlenk-Untersteuern kündigt sich frühzeitig an, und tritt dennoch erst spät bei hohem Tempo ein. Normalerweise würde hier der Allrad die Fuhre zurechtrücken und wie verrückt mit seinen Antriebskräften jonglieren. Im Heckantriebs-Taycan bist du selbst dafür verantwortlich: Rauf aufs Gas und schon hebelt das Heck den dicken Viertürer zurück auf die rechte Bahn. Mit aktiviertem PSM geschieht das sehr subtil dank kaum spürbarer Regeleingriffe. Schaltet man die Systeme ab, wird aus dem Hebel auf Wunsch auch eine Keule und der Taycan schwingt seine 1,96 Meter breiten Hüften. Kein Wunder, dass Porsche sich mit diesem Modell ins Guinness Buch der Rekorde driftete.

Kein Allrad setzt der Gaudi eigeninitiativ ein Ende, keine Regelsysteme tacklen die Fahrfreude, nur du und das Strompedal entscheiden über Winkel und Ausführung – herrlich. Zusammen mit dem unwiderstehlich direkten Ansprechverhalten des E-Motors ergibt sich eine haarfeine Dosierbarkeit der Quertreiberei. Auf trockeneren Stellen wirkt die Traktion der 285er-Hinterräder schon deutlich unerschütterlicher, was aber auch am überraschend geringen Drehmoment der E-Maschine liegt. Nur 357 Newtonmeter schickt der aus dem Taycan 4S übernommene Motor auf die Hinterräder, wodurch das Rausbeschleunigen zwar immer noch nahtlos und kraftvoll, aber weniger vehement als bei anderen leistungsstarken E-Modellen geschieht. Dafür wirkt die Beschleunigung nachhaltiger und gleichmäßiger, der Motor geradezu drehfreudig. Das Motto lautet also Leistung statt Drehmoment. Der Taycan bricht kraft seiner 380 PS Nennleistung mit der Aufpreis-Batterie (476 PS Maximalleistung, sonst 326 PS Nenn- und 408 PS Maximalleistung)) über 120 km/h nicht ein, sondern schiebt kontinuierlich voran. Klar, zum Helden der Landstraße wirst du mit einem Zweitonner nie, aber der Taycan schafft es durchaus erfolgreich Masse und Maße um den Fahrer herum schrumpfen zu lassen.

Windstille im Orkan

Irgendwann wird es ihm doch zu eng auf den Landstraßen des Schwarzwalds. Ab auf die Autobahn und einmal durchbeschleunigen bis Topspeed 230 km/h. Auch hier wahrt er etwas Respektabstand zu den Allradlern, die bis zu 260 km/h schnell werden. Großes Lob verdient die hervorragende Geräuschdämmung, die kaum Windgeräusche in den edlen Innenraum lässt. Dort sitzt man in aufpreispflichtigen Sportsitzen, die einen rutschfest und komfortabel ans Chassis binden. Außerhalb der Sportmodi wird der Taycan auch fahrwerksseitig erstaunlich sänftig. Die Luftfederung schluckt kurze wie lange Wellen sehr gelassen und wirkt stets stabilisierend auf den ausladenden Aufbau.

Porsche Taycan Basismodell
Daniel Wollstein, Porsche
Der Taycan kann auch komfortabel: Die Drei-Kammer-Luftfederung spricht in Normal und Range sehr sanft an.

Gleichzeitig hebt sie via Smart-Lift-Funktion die flache Schnauze des Taycan automatisch an vorher festgelegten Stellen an, z. B. vor der täglich genutzten Parkhausrampe. Bei allem Komfort im Alltag muss jedoch auch hier klar gesagt werden, dass der Taycan mehr Sportler als Limousine ist. Das zeigt sich vor allem am Kofferraum (407 l hinten, 84 l vorn) mit seiner kleinen Heckklappe und im Fond, wo es für ein fünf-mal-zwei-Meter-Schiff ganz schön eng zugeht. Und während das Cockpit dem Fahrer viele nützliche Infos klar präsentiert, ist die Bedienung der beiden Zentraldisplays ziemlich ablenkend. Der Hauptmonitor sitzt recht tief in seiner Höhle und ist nicht immer perfekt zu erreichen und das untere Display zur Handhabung der Klimaautomatik setzt mit seiner hoch umständlichen touchbasierten Verstellung der Lüftungsdüsen dem Bedienkapitel einen unrühmlichen Höhepunkt.

Ein Motor verbraucht weniger als zwei – eh klar

Deutlich beruhigender als die Bedienung wirkt die Reichweite des Taycan. Bis zu 484 Kilometer soll das Basismodell nach WLTP schaffen – sofern die aufpreispflichtige Performance-Batterie Plus (5723 Euro) mit 93,4 kWh-Bruttokapazität (Netto: 83,7 kWh) verbaut ist. Der Serien-Akku speichert 79,2 kWh (Netto: 71,8 kWh). Klar – ein Motor verbraucht weniger als zwei. 20,4 – 24,8 kWh gibt Porsche für die Variante mit Standard-Akku an (21,5-25,4 kWh mit Performance-Plus-Batterie). Das Basismodell setzt dementsprechend auf die gleichen Akkuvarianten wie die Allradmodelle und die bekannte 800 V-Elektronik.

So lädt der Taycan mit bis zu 270 kW (225 kW bei serienmäßiger Batterie) und es fließt unter optimalen Bedingungen Strom für 100 km in unter fünf Minuten in die Akkus. An der Wallbox lädt der Taycan mit maximal 11 kW, die aber mit dem optionalen Bordlader auf 22 kW aufgestockt werden können. Die Reichweitenberechnung auf der Navigationsroute aktualisiert schnell und rechnet äußerst präzise, so dass nie Unklarheit über den Akkustand bei der Zielankunft herrscht – oder auch darüber, ob man das Ziel überhaupt erreicht. Muss dann doch geladen werden, kommuniziert der Taycan via Plug & Charge mit der Ladesäule und startet Lade- und Bezahlvorgang automatisch.

Etwas weniger teuer

Mit 83.520 Euro ist der Basis-Taycan günstiger als 911 Carrera (385 PS, 106.352 Euro) und Panamera (330 PS, 93.707 Euro). Zum heißen Spardeal wird er durch diese Preiskonstellation aber natürlich nicht, vor allem beim Blick in die Aufpreisliste. Hier finden sich neben den zahlreichen fahrdynamischen Extras wie dem Dreikammer-Luftfahrwerk, Porsche Torque-Vectoring auch die üblichen Preistreiber: Lederausstattung, größere Felgen und beheizbares Allerlei.

Deutlich unverständlicher ist die Aufpreispolitik aber bei den Features, die ein E-Auto im Alltag wirklich braucht. Da wäre zum Beispiel die Wärmepumpe für effizientes Heizen, die Porsche mit 774 Euro extra berechnet. Gleiches gilt für den 1666 Euro teuren 22 kW-Bordlader und den 286 Euro teuren Range Manager, der Klimaanlage und Maximalgeschwindigkeit zugunsten der Reichweite reguliert. Solche Extras sollten in dieser Preisklasse serienmäßig sein.

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Fazit

Dass ein Basis-Porsche noch lange nicht zum Luxus- und Performance-Fasten zwingt, dürfte klar sein. Wirklich verzichten müssen beim Taycan aber nur Beschleunigungs-Junkies, denen der Taycan in seiner schwächsten Variante nicht mehr das Gehirn erschüttern kann. Im Handling blüht er dafür auf, fährt angenehm heckagil, lenkt besser und natürlicher als je zuvor und muss nicht so oft an die Ladesäule wie seine stromhungrigeren, zweimotorigen Brüder.