Taxiunternehmen klagt auf Schadenersatz
Scheitert Tesla an der Zuverlässigkeit?

Ein niederländisches Taxiunternehmen verliert Geld wegen der enormen Defektquote seiner Tesla-Flotte und will 1,3 Millionen Schadenersatz von dem US-Hersteller. Und private Tesla-Fahrer haben Angst vor der Deaktivierung ihres Fahrzeugs.

Tesla Model X Maximale Reichweite, Exterieur
Foto: Hans-Dieter Seufert

Der Bau von Elektroautos scheint kompliziert zu sein – nicht umsonst hat vergangene Woche das einflussreiche US-Verbrauchermagazin Consumer Reports davon abgeraten, sich einen Audi E-Tron, einen Kia Niro EV oder ein Tesla Model Y zu kaufen. Die Autos seien nicht fertig entwickelt und die Kunden müssten die Beta-Tests übernehmen. Auch Volvos chinesische Tochter Polestar musste ihren Polestar 2 inzwischen zweimal in die Werkstätten zurückrufen. In Großbritannien hat eine Verbraucherschutz-Organisation im Zeitraum Dezember 2019 bis Februar 2020 ermittelt, das Tesla Model S und Model X wegen katastrophal hoher Fehlerraten und langer Werkstattaufenthalte bei der Zuverlässigkeit über einen Zeitraum von drei Jahren am schlechtesten von allen Autos auf der Insel abschneiden. Jetzt ist das Amsterdamer Taxiunternehmen Bios so enttäuscht von Tesla, dass es 1,3 Millionen Euro Schadensersatz möchte.

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Tesla Model S Update Oktober 2020
Tesla
Der Tesla Model Y ist dem niederländischen Taxiunternehmen Bios zu störanfällig - außerdem soll es die versprochene Reichweite nicht schaffen.

Gebrochene Querlenker und falsche Kilometerstände

Bios hat am Amsterdamer Flughafen Schiphol 70 Tesla im Einsatz. Viele der Autos weisen laut dem Taxiunternehmen technische Defekte auf, außerdem habe sich der Service von Tesla rapide verschlechtert. Die technischen Probleme reichen von einer kaputten Servolenkung über funktionsuntüchtige Antriebswellen bis bereits bei Auslieferung gebrochenen Querlenkern. Außerdem hätten die Bordcomputer Probleme, die Kilometerstände korrekt zu erfassen, was besonders im professionellen Einsatz ein Problem ist – Tesla korrigiert die Kilometerstände angeblich in der Werkstatt, was in den Niederlanden bei Taxis laut Bios eine Straftat ist. Hinzu kommt ein Reichweitenproblem: Am Flughafen dürfen nur lokal emissionsfreie Autos mit einer Mindestreichweite von 400 Kilometern im Einsatz sein – diese Reichweite haben die Tesla Model S nie geschafft, ist Bios verärgert. Tesla unterstellt hier dem Taxiunternehmen eine zu intensive Nutzung der Fahrzeuge.

Bios hat daraufhin kostenpflichtig seine Model S gegen Model X ausgetauscht. Diese schaffen zwar die geforderte Reichweite, aber sie stehen anscheinend noch öfter und länger in der Werkstatt.

Vergleichstest, Tesla Model X, ams0819
Achim Hartmann
Der Umstieg auf das Model X brachte anscheinend ausreichend Reichweite - dafür aber eine noch höhere Fehleranfälligkeit.

Keine Rückmeldung bei Service-Anfragen

Bis Oktober 2018 konnte sich Bios bei Serviceanfragen an einen konkreten Tesla-Ansprechpartner wenden. Inzwischen kann sich der Taxibetreiber nur noch über ein Webformular bei Tesla melden – die über dieses Formular gestellten Anfragen bleiben unbeantwortet. Seit 2019 darf Bios zudem nur noch zwei Fahrzeuge gleichzeitig zur Reparatur geben – dort stehen die Autos dann teilweise Wochen.

Inzwischen scheint das Tuch zwischen Tesla und Bios vollständig zerschnitten: Bios hat ausstehende Reparaturrechnungen in Höhe von 150.000 Euro nicht gezahlt, da das Unternehmen davon ausgeht, dass die Mängel von der Garantie gedeckt seien. Tesla bestreitet dies.

Tesla Model Y: Lackschäden bei Auslieferung
Mike Norng
Im Sommer 2020 beschwerten sich Model-Y-Kunden über massive Lackschäden bei ihren frisch ausgelieferten Fahrzeugen.

Sorge vor drahtloser Deaktivierung des Fahrzeugs

In der Mitteilung über die Klage gegen Tesla weist Bios darauf hin, dass auch die niederländische Tesla Claim Foundation mit dem Gedanken spielt, im Januar eine Klage gegen Tesla einzureichen. In der Foundation haben sich aktuell zirka 200 Teslafahrer zusammengeschlossen, die über Mängel an ihren Fahrzeugen berichten. Dabei geht es unter anderem um das funktionsuntüchtige Fahrassistenz-Paket namens Autopilot, um abbrechende Griffe und um von den Tesla-Werkstätten im Nachhinein korrigierten Kilometerständen. Einige Mitglieder der Foundation fürchten, dass Tesla ihre Fahrzeuge per Fernupdate komplett blockiert, wenn sie sich gegen Tesla wenden – worin eine Kehrseite der Fern-Updatebarkeit von Fahrzeug-Betriebssystemen liegen könnte.

Bios hat sich jetzt fünf Audi E-Tron angeschafft und prüft, ob das SUV des deutschen Herstellers zuverlässiger ist. Glaubt man den oben genannten Erhebungen von Consumer Reports, scheint auch der Audi nicht frei von Kinderkrankheiten zu sein.

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Der ist in Ordnung - die Kunden sollten mal eher ihre Anspruchshaltung überdenken.Der geht gar nicht - diese Kundenabwehr fällt Tesla nochmal auf die Füße.

Fazit

Bios ist nach Verdienstausfällen auf Grund von kaputten Model S und Model X sauer auf Tesla. Die Meinung des amerikanischen Autoherstellers zu dem Thema ist nicht bekannt – Tesla hüllt sich, wie bei der US-Marke üblich, in Schweigen. Über mannigfaltige Probleme mit ihren teilweise frisch ausgelieferten Fahrzeugen berichten Tesla-Fahrer häufig in sozialen Medien. Dabei ist die Toleranzschwelle gegenüber kleineren Mängeln nach wie vor hoch – die meisten Fahrer sehen in ihrem Fahrzeug ein innovatives Produkt, dass Unterstützung verdient.

Der Autobauer muss wiederum verstehen, dass er nach über zehn Jahren Autobau und mit großen, über die ganze Welt verstreuten Fabriken schon lange kein Startup mehr ist. Deshalb ist es nur eine Frage der Zeit, wann auch Privatkunden dem energisch wachsenden Autobauer den anscheinend nicht sonderlich gut funktionierenden Service nicht mehr verzeihen. Machen das andere Autohersteller besser, wechselt der Kunde vielleicht die Marke.

Auch das eisige Schweigen gegenüber seinen Kunden und die Tatsache, dass erst Behörden oder Gerichte Verbesserungen ermöglichen müssen, könnte Käufer abschrecken. So ließ Tesla beispielweise über ein Jahr lang Kunden allein, die mit ihrem Auto massive Probleme wegen eines überlaufenden Speicherchips hatten. Erst als die amerikanische Verkehrssicherheitsbehörde NHTSA (National Highway Traffic Safety Administration) kürzlich mit der Anordnung eines Rückrufs drohte, lenkte Tesla ein.

Die etablierten Autobauer küssen ihren Kunden auch nicht immer freiwillig die Füße. Aber sie scheinen gelernt zu haben, dass Kundenzufriedenheit die beste Werbung ist und am Ende bares Geld. Denn das bringen am Ende nur neue Kunden ins Haus. Ein Taxiunternehmen ist dabei nicht nur ein Mehrfachkunde, sondern ein enormer Multiplikator was die Einschätzung über das Produkt angeht. Und das Urteil von Dauernutzern wie Taxifahrern zählt besonders viel.