Alfa Romeo Stelvio 2.0 Turbo 16V Fahrbericht
Der Schöne als Biest

Der Alfa Romeo Stelvio soll die Marke aus dem Zulassungskeller katapultieren. Die Chancen dafür stehen gut. Erste Ausfahrt mit dem muskulösen Biturbo-Benziner mit 280 PS.

Alfa Romeo Stelvio 2.0 Turbo 16V Fahrbericht
Foto: Alfa Romeo

Man kann es als Dornröschenschlaf oder etwas weniger blumig auch als Wachkoma bezeichnen, was Alfa Romeo in den vergangenen Jahren durchlebte. Doch nun drängt die traditionsreiche italienische Marke mit Macht zurück aufs Parkett. Die Giulia war nur der Startschuss, mit dem Stelvio folgt nun das Modell, das endgültig für viel Besuch in den Alfa-Autohäusern sorgen soll. Denn SUV geht derzeit immer, bei allen Herstellern.

Bei Alfa Romeo verbindet man mit dem Stelvio das Angenehme mit dem Nützlichen, denn das neue SUV soll auch als Kombi-Ersatz verstanden werden, von der Giulia wird es nämlich keinen geben. Dass sich der Stelvio nicht nur die Plattform, sondern auch sonst viele Gleichteile mit der Giulia teilt, klärt der erste Blick in das identische Cockpit. Da SUVt nichts, noch nicht einmal mit einem Alibi-Drehregler für irgendwelche Offroad-Fahrprogramme.

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Tolle Sitze im Alfa Stelvio

Macht aber nichts, denn prinzipiell ist das Ambiente ja heimelig und fasst sich gut an. Die sportlichen Sitze sind top, passen wie angegossen. Dafür wirkt das Farb-Display im Breitformat gewöhnungsbedürftig und die Multimedia-Funktionalität nicht auf der Höhe der Zeit, obwohl sich Alfa mit dem „Rotary Pad“ getauften Drehdrücksteller mit Handschrifterkennung Mühe gibt, Anschluss zu halten. Raum ist prinzipiell genügend vorhanden, auch auf der Rückbank. Die hoch aufragende Mittelkonsole zimmert die beiden Vordersitzbewohner allerdings sportlich in ihr jeweiliges Habitat.

Alfa Romeo Stelvio 2.0 Turbo 16V Fahrbericht
Alfa Romeo
Das Cockpit kennen wir aus der Giulia, es ist im neuen Stelvio identisch.

Nach dem Erstkontakt mit der Dieselversion trat der Stelvio zum aktuellen Fahrbericht mit dem 280-PS-Benziner an. Eine Wahl, die nicht nur wegen der aktuellen Diesel-Debatte etliche Stelvio-Kunden treffen werden (rund 25 Prozent Anteil erwartet man in Deutschland). Sondern auch wegen des druckvollen, drehfreudigen Antriebs, dessen turbinige Arbeitsweise irgendwie besser in die Firmentradition passt als ein Selbstzünder. Sparen lässt sich mit dem Benziner jedoch nicht. Natürlich nicht beim Verbrauch, jedoch genausowenig bei der Anschaffung – der Diesel-Stelvio mit 210 PS ist günstiger.

140 PS pro Liter Hubraum, das ist eine amtliche Ansage. Doch auf den ersten Metern fühlt sich der Stelvio gar nicht so sehr nach 280 PS an, so brav und unspektakulär rollt er davon. Mit dafür verantwortlich ist der gut abgestimmte Einsatz der beiden (wassergekühlten!) Turbolader, mit denen sich der Vierzylinder bei verhaltener Fahrweise fast wie ein Sauger anfühlt. Ein „Turboloch“ ist praktisch nicht existent, dafür rockt der Zweiliter-Motor linear und nachdrücklich durch sein Drehzahlband. Ein Blick auf die Drehmomentkurve, die ab 2.250 Touren so flach wie bei einem Turbodiesel verläuft, untermalt diesen Eindruck.

Serienmäßige Achtgang-Automatik

Die serienmäßige ZF-Achtgangautomatik unterstützt den Turbo mit großem Erfolg. Kaum wahrnehmbare, ruckfreie Schaltvorgänge kennzeichnen den Automaten, insgesamt scheint die Schaltstrategie plausibel. Wird der „Dynamik“-Modus in den drei Fahrprogrammen ausgewählt, gibt es beim vollen durchladen auch noch grimmige Auspuffrotzer während der Schaltvorgänge. Wer selbst bestimmen möchte, findet hinter dem Lenkrad gewaltig große Schaltpaddel.

Alfa Romeo Matta
Torsten Seibt
Schon in den 1950er Jahren versuchte sich Alfa Romeo mit dem Matta am Thema Offroad.

Das Fahrwerk des Alfa Romeo Stelvio ist gut gelungen. Ohne auf übertriebene Härte zu setzen, bietet es eine seltene Mischung aus Fahrkomfort und Unnachgiebigkeit in rasch gefahrenen Kurven. Nachdem Alfa Romeo beim Duo Giulia/Stelvio auf ein Hecktriebler-Layout mit automatisch zuschaltender Vorderachse setzt, sind Bisskraft wie Fahrspaß auf einem hohen Level. Allerdings betätigt sich das ESP in forciert gefahrenen Etappen als Spaßbremse, es lässt sich auch nicht abschalten. Der stufenlose Allradeinsatz bis zu einer Kraftverteilung von 50:50 ist für den Fahrer nicht wahrnehmbar, das leicht übersteuernde Fahrverhalten macht Laune.

Geteilte Eindrücke hinterlässt die Lenkung des Alfa Romeo Stelvio. Sie ist ausgesprochen direkt übersetzt und spricht unmittelbar an. Das unterstützt zwar einen aktiven Fahrstil, wirkt bei längerer Geradeausfahrt zum Beispiel auf der Autobahn aber übernervös, wenn schon die kleinste Bewegung am Lenkrad halbe Haken schlagen lässt.

Fazit

Der Alfa Romeo Stelvio steht voll in der Tradition des Hauses. Ein wunderbarer, gieriger Motor, ausbalanciertes Fahrwerk, sehr sportlich motivierte Lenkung – eine echte Fahrmaschine. Und wer von den eingefleischten Alfisti angesichts des SUV-Themas Buh-Rufe loswerden möchte, sei an den Alfa Matta erinnert. Geländewagen baute die Marke schon vor Jahrzehnten. Zwiespältige Eindrücke hinterließ lediglich die hyperaktive Lenkung sowie das etwas angejahrt agierende Multimedia-System.

Technische Daten
Alfa Romeo Stelvio 2.0 Turbo Q4 First Edition
Grundpreis56.000 €
Außenmaße4687 x 1903 x 1671 mm
Kofferraumvolumen525 bis 1600 l
Hubraum / Motor1995 cm³ / 4-Zylinder
Leistung206 kW / 280 PS bei 5250 U/min
Höchstgeschwindigkeit230 km/h
Verbrauch7,0 l/100 km
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AUTO MOTOR UND SPORT 11 / 2024
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Erscheinungsdatum 08.05.2024

148 Seiten