Fahrbericht Alfa Romeo Stelvio (2020)
Neues Infotainment, neue Assistenzsysteme

Alfa Romeo widmet sich den Schwächen des Stelvio. Neue Assistenzsysteme und ein überarbeitetes Infotainment sollen die Verkaufszahlen ankurbeln. Die Italiener haben uns zum Check auf das Testgelände in Balocco eingeladen.

Alfa Romeo Stelvio - Modelljahr 2020 - 2,2-Liter-Diesel - SUV
Foto: Dino Eisele / FCA

Sagen wir es mal so: Die Verkaufszahlen für den Alfa Romeo Stelvio sind seit dem Marktstart im März 2017 in Deutschland eher bescheiden. Seither setzte Alfa über 6.100 Exemplare ab. Im Verkaufsjahr 2018 waren es 2.764 Autos. Ein Verkaufsschlager liefert hierzulande andere Zahlen ab.

Damit es (allgemein) besser wird, bessert Alfa Romeo für das Modelljahr 2020 nach. Die Ingenieure haben sich die größten Kritikpunkte zu Herzen genommen: Kritiker hatten dem SUV fehlende Assistenzsysteme und das veraltete Infotainment angekreidet. Bei Funktionsumfang und Handy-Anbindung konnte Alfa nicht mit den Internet-Profis von BMW und Audi mithalten. Für Design, Fahrwerk und Antrieb gab es dagegen überwiegend Lob. Deshalb bleibt hier alles beim Alten.

Unsere Highlights

Innenraum aufgefrischt

Alfa Romeo hat uns auf das Fiat-Chrysler-Testgelände in Balocco (Italien) eingeladen, um den aufgefrischten Stelvio für das Modelljahr 2020 zu testen. Wir haben zwei Versionen ausprobiert: den 210 PS starken Diesel und den 280 PS starken Benziner. Jeweils in der teuersten Ausstattungsversion Veloce mit 20-Zoll-Leichtmetallrädern, Aluminium-Dekor im Innenraum und sportlich ausgeformten Ledersitzen. Mit dem neuen Modelljahr baut Alfa auch die Modellstruktur um. Von unten nach oben: Business, Super, Sprint, TI und Veloce.

Im Innenraum verbaut Alfa Romeo ein neues Lenkrad, hübscht die Mittelkonsole auf, standardisiert ein Sieben-Zoll-TFT-Display und einen 8,8 Zoll großen Touchscreen (vorher 6,5 Zoll Bildschirm als Standard) – und kümmert sich um die grafische Darstellung. Und es unterstützen den Fahrer ein paar Assistenten, die es vorher nicht gab. Zum Beispiel erkennt der Stelvio Verkehrszeichen. So viel vorweg: Den Italienern gelingt dadurch der Schritt zu mehr Premium.

Alfa Romeo Stelvio - Modelljahr 2020 - SUV - Innenraum
Dino Eisele / FCA
Das Menü gliedert der Stelvio ab 2020 in einzelne Widgets.

Neue Assistenzsysteme

Mit den Assistenzsystemen verhält es sich wie bei den meisten anderen Herstellern. Sie funktionieren mit einer Trefferquote um die 90 Prozent. Alfas neue Verkehrszeichenerkennung spielt auf dem zentralen TFT-Display zwischen Drehzahlmesser und Geschwindigkeitsanzeige zuverlässig die Geschwindigkeit ein. Allerdings erkennt sie nur die Verkehrsschilder und nicht die Zusätze in Schriftform darunter. Zwei Beispiele: Tempo 30, das durch die Ortschaft nur für Lkw gilt, soll laut System auch der Stelvio einhalten. Tempo 50 im Fall von Nebel auf der Autobahn ebenfalls („in caso di nebbia“)

Der Stau- und Autobahn-Assistent macht das, was er soll. Er hält den Abstand zum Vorderwagen (Active Cruise Control), bremst ein, wenn der Vordermann langsamer wird, und beschleunigt wieder. Der Alfa-SUV hält ab dem Modelljahr 2020 auch die Spur – sofern ihm die Kurven nicht zu scharf sind. Bei den Vorgängern hatte das System nur gewarnt. Spurwechsel ohne zu blinken mahnt der Stelvio an. Über einen lauten Ton und ein vibrierendes Lenkrad. Der Alfa lenkt sich auch wieder zurück in die Spur. Der Fahrer kann ihn aber über einen höheren Kraftaufwand am Lenkrad überstimmen. Nicht ganz logisch: Das akustische Warnsignal ist beim versehentlichen Wechsel von rechts nach links lauter als umgekehrt.

Auf Landstraßen hakt es ab und an. Nach Kuppen zum Beispiel können die Warnungen beim unerwünschten Spurwechsel auch mal ausbleiben. Oder wenn die Fahrbahnmarkierungen nicht mehr ganz einwandfrei zu erkennen sind. Alle Assistenten lassen sich über Tasten auf dem neuen Lenkrad steuern. Alfa Romeo musste ein neues backen aufgrund notwendiger Sensoren und Kabeln.

Notbremsassistent, Spurhalteassistent und die Geschwindigkeitsregelanlage sind ab dem Modelljahr Serie. Was hat sich bei den Helfern noch getan? Alfa bietet ab 2020 einen Müdigkeitswarner an und erweitert seinen Totwinkel-Assistenten. Kurzum: Alfa hebt den Stelvio mit der Modellpflege auf autonomes Fahren Level 2.

Alfa Romeo Stelvio - Modelljahr 2020 - 2,0-Liter-Benziner - SUV
Dino Eisele / FCA
Der Stelvio fährt autonom auf Level 2.

Echtzeit-Verkehrsdaten kommen

Fehlende Assistenzsysteme hatten Alfa Romeo den einen oder anderen Vergleichstest verhagelt. Auch das Infotainment musste Kritik einstecken. Deshalb bessert der italienische Hersteller auch hier nach. Die etwas rudimentäre Darstellung der Navigationskarten ist Geschichte. Auf dem 8,8 Zoll großen Touchscreen ist die Schrift nun klarer und die Karte größer. Staudaten in Echtzeit? Kommen, aber erst im zweiten Halbjahr 2020, zusammen mit Wetter-Infos und Parkplatzsuche. Per Update und gegen Aufpreis. Einen Wifi-Hotspot für bis zu acht Geräte integriert man dagegen unmittelbar – ebenfalls für einen Aufpreis.

Bei unserer einstündigen Testfahrt überzeugt das Navi mit souveräner Führung, zuverlässigen Abstandsangaben zur nächsten Kreuzung, und durch seine Darstellung. Das ist schon auf BMW-Niveau.

Der größte Fortschritt ist Alfa beim Infotainment gelungen. Wo zuvor eine statische Liste mit kleinen Symbolen war, sind ab 2020 interaktive Widgets zu sehen. Das sind Reiter mit großen Symbolen und passenden Bildchen – wie auf dem Smartphone. Welche Widgets gibt es? Radio, Navigation, Telefon, Fahrassistenten, Klimasteuerung, Leistungen (z.B. Öldruck, Drehmoment), Fahrzeuginfos (z.B. Service, Wartung, Fahrmodi), Services (Notruf, SOS, Wifi Hotspot) und Einstellungen. Sie lassen sich via Drag and Drop per Finger dort hinziehen, wo sie der Fahrer haben möchte. Entfernen lassen sie sich allerdings nicht.

Wischen und drücken

Der Touchscreen ist berührungsempfindlich, ohne hyperaktiv zu sein. Manchmal gönnt er sich ein halbes Sekündchen Bedenkzeit. Aber ehrlich: Das nervt überhaupt nicht. Mit der rechten Hand lässt sich sauber durch die Menüs wischen und drücken – ein deutliches Plus gegenüber den Vorgängern. Wer es lieber altmodisch mag, kann das Infotainment über einen Dreh-/Drück-Steller bedienen. Der arbeitet formidabel.

Im Innenraum fühlt man sich ohnehin ab der ersten Sekunde pudelwohl, genießt die zupackenden und gleichzeitig bequemen Sitze, erfreut sich der Ergonomie und Haptik. Alles befindet sich dort, wo es sein sollte. Alles ist in Griffweite, ohne dass sich der Fahrer verrenken muss oder abgelenkt ist.

Das Smartphone lagert in einem Fach hinter dem Dreh-/Drück-Regler, lädt sogar ohne Kabel. Die Mittelkonsole ist aufgeräumt wie eh und je. Es gibt noch einen Drehregler für die drei Fahrmodi (Dynamic, Natural, Advanced Efficiency), einen für die Lautstärke des Radios und den Schalter für die Parkbremse. Dazu den Wählhebel für die Achtgangautomatik, den Alfa Romeo nun mit Leder auskleidet und in dessen Einfassung man die italienische Flagge stanzt.

Wie fahren sie sich?

Trotz längs verbauter Motoren fällt das Platzangebot mehr als luftig aus. Und wie fährt der Stelvio? Der 210 PS starke Turbo-Diesel (Hubraum 2,2 Liter) ist unten herum zwar leicht dröge, streut ab 1.750 Umdrehungen dann aber mit bis zu 470 Newtonmeter. Oben heraus, so ab 4.000 Touren, nimmt die Durchschlagskraft wieder ab. Unaufgeregt und ohne sich akustisch aufzudrängen, ist er der passende Partner für längere Wegstrecken.

Manuelle Eingriffe in die Schaltlogik der schnell und ruckfrei agierenden Achtgangautomatik von ZF sind daher selten notwendig, auch wenn die massiven Metallschaltwippen hinter dem Lenkrad zum Spielen mit den Gängen animieren. Die elektronisch verstellbaren Dämpfer fressen Bodenwellen, ohne den Fahrer zu belästigen.

Wie steht es um den 280-PS-Benziner mit Allrad? Auf der hauseigenen Rennstrecke – genannt Alfa Track (5,75 km) – sollte man ihn besser nicht zu hart rannehmen. Ansonsten grätscht das ESP rein und schnürt ihm die Leistung ab. Wenn man ihn darunter bewegt, richtet ihn sein Allradantrieb am Kurvenausgang bei Gaspedaleinsatz aus und wuchtet den Stelvio auf die nächste Gerade. Der Zweiliter-Benziner entfaltet seine Kraft linear, schiebt mit maximal 400 Newtonmeter an und beschleunigt den Stelvio in 5,7 Sekunden auf Tempo 100.

Zum Abschluss nochmal ein Schwenk zum Markt. Die beiden Dieselmodelle (190 und 210) PS kamen in Deutschland bislang auf einen Marktanteil von rund 40 Prozent. Der 200-PS-Benziner auf rund 15 Prozent. Etwa jeden dritten verkauften Stelvio treibt der 280-PS-Benziner an. Der SUV ist kein Flottenauto. Und der Quadrifoglio mit 510 PS? Das Topmodell kommt auf einen Marktanteil von zehn Prozent – und es kommt Anfang 2020 in den Genuss der Modellpflege.

Fazit

Alfa Romeo ist mit dem Modelljahr 2020 ein guter Schritt gelungen. Das Infotainment ist spürbar besser, das Angebot an Assistenzsystemen größer. Sowohl der 2,2 Liter große Turbodiesel als auch der zwei Liter große Benziner mit 280 PS waren schon vorher angenehme Motoren. Zu den neuen Preisen hat sich Alfa Romeo noch nicht geäußert. Es darf aber davon ausgegangen werden, dass sich die Italiener ihre Updates ein bisschen was kosten lassen.

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Erscheinungsdatum 08.05.2024

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