BMW Alpina B5 (2017): Fahrbericht Touring & Limousine
Wie dynamisch ist Alpinas Allrad-Mittelklasse?

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Über 600 PS, aber auch über zwei Tonnen Gewicht: Wie dynamisch ist der neue Alpina B5 Biturbo als Limousine und Kombi? Wir haben es auf der Rennstrecke Bilster Berg getestet.

Alpina B5 Biturbo Touring - Kombi - Bilster Berg - Fahrbericht
Foto: Alpina / Pierre-Etienne Ferraro

Es ist schon der Wahnsinn. Andreas Wöllmer, Fahrdynamikleiter bei Alpina, tänzelt mit der Alpina B5 Biturbo Limousine durch eine Links-Rechts-Links-Passage, nahezu mühelos, ehe er die nächste Aufgabe ankündigt: Spurwechsel bei 150 km/h. Auf nassem Asphalt – wohlgemerkt. Wöllmer reißt das mit Leder überzogene Lenkrad scharf nach rechts, die elektronischen Stabilisatoren wankstabilisieren die über zwei Tonnen schwere Limousine, die Hinterachse lenkt mit bis zu 1,5 Grad mit, um das Auto zu stabilisieren. Ein paar Meter fährt der B5 geradeaus, dann schlägt Wöllmer wieder scharf ein. Wäre der B5 ein Mensch, würde man ihn mit einem coolen Finnen vergleichen. Ungerührt trotzt er den gewaltigen Kräften, die bei solchen Spurwechseln auf die Karosserie wirken

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Neuer Alpina B5 nicht auf Nordschleife aufgewachsen

Alpina B5 Biturbo Touring - Kombi - Bilster Berg - Fahrbericht
Alpina / Pierre-Etienne Ferraro
Der B5 Biturbo Touring kachelt in 3,6 Sekunden von null auf 100 km/h.

Alpina hat mit dem neuen B5, den es als Limousine und als Kombi ausschließlich mit Allradantrieb gibt, keinen direkten Gegner für den kommenden neuen BMW M5 geschaffen. Das war nicht das Ziel. Und man durfte es wahrscheinlich auch nicht. „Der M5 fährt gleich zum Entwicklungsstart seine ersten Kilometer auf der Nordschleife. Wir zum Schluss“, erklärt Wöllmer.Man könnte auch sagen: Ein M5 ist ein Nordschleifenkind, wächst dort auf, während ein B5 eben gerne zum Spielen dorthin geht, wenn es sein muss. „Das ist ein ganz anderes Lastenheft. Wir schaffen eine sehr sportliche Reiselimousine. Mit hoher Stabilität, hoher Zielgenauigkeit und bestmöglichem Komfort. Wir haben kein Problem, auf der Rennstrecke die letzte halbe Sekunde herzuschenken.

Der 4,4-Liter-V8 mit den zwei Turboladern von Garrett drückt den Zwei-Tonner mit Wucht aus den Kurven. Die Antriebskraft lässt sich über den rechten Fuß aber fein dosieren. Man merkt es besonders auf nassem Geläuf. Und selbst im 2.120 Kilogramm schweren Alpina B5 Biturbo Touring, der aus dem Stand in 3,6 Sekunden auf Landstraßentempo kachelt. Es stecken Reserven im Kombi, dessen Elektronik bei zu forscher Gangart den Fahrer nicht gleich mit Leistungsentzug abstraft, sie schützt ihn nur.

Variabler Allrad heißt: Driften erlaubt

Der Allradantrieb verteilt die maximal 800 Nm, die zwischen 3.000 und 5.000/min anliegen, in der Grundausrichtung mit 40:60 Prozent. Je nach Modus und Fahrweise schiebt das Verteilergetriebe die volle Leistung aber auch nur an die Hinterachse. Heißt: Wer will, kann mit dem B5 auch Driften, auch wenn das gute Stück dafür eigentlich viel zu schade ist. Bei langsamer Gangart dauert es einen Moment bis der Biturbo auf einen raschen Tempowechsel anspricht. Gerade so lange, dass sich der Fahrer mental auf den folgenden großen Powerschub einrichten kann. Die Achtgangautomatik schaltet zwei Gänge runter, die Drehzahlnadel hüpft von 1.800 auf 4.000/min, die 60 Millimeter großen Verdichter jagen die komprimierte Luft mit 1,4 bar in die Brennkammern.

Kraft und Feinschliff im Windkanal

Wirklich brachialen Lärm erzeugt der V8 dabei nicht. Selbst wenn sich die Klappen der Boysen-Auspuffanlage voll öffnen. Das ist im Sportmodus immer so und in der Komfort-Stellung ab 4.500/min oder bei einer Last von mehr als 50 Prozent der Fall. Ein AMG ist da eine andere Nummer. Aber eine Krawallschüssel hatte Alpina ja auch nicht im Sinn. Sondern eine Limousine und einen Kombi, die mit maximal 330 bzw. 325 km/h über die Autobahn pflügen, ohne höhere Schallschutzmauern für die angrenzenden Ortschaften zu erfordern. Die hohen Endgeschwindigkeiten gehen nicht nur auf einen kraftvollen Motor zurück. Alpina nutzt den BMW-Windkanal. Aber nicht, um Abtrieb zu gewinnen, sondern lediglich den Auftrieb zu minimieren. “Der Auftrieb geht bei uns gegen Null„, sagt Chef Andreas Bovensiepen. Zu viel Anpressdruck würde den Luftwiderstand erhöhen. Und damit verbunden die Höchstgeschwindigkeit senken. Zum reinen Hecktriebler werden die Alpina übrigens ab 240 km/h.

Am Kurveneingang untersteuert der Kombi. Das Gewicht macht sich bemerkbar. Obwohl sich die Hinterachse im sportlichsten Fahrmodus um 20 Millimeter absenkt. Luftfederung im Kombi sei Dank. Seien wir mal ehrlich: So ein Alpina B5 Biturbo Touring hat trotz 608 PS und 800 Nm auf einer Rennstrecke nichts verloren. Die 115.300 Euro Grundpreis investiert man besser, um gemütlich aber bestimmt von A nach B zu kommen. Und nicht, um das Material zu quälen. Navigationspaket Connected Drive, Einparkhelfer, HiFi Lautsprecher und äußerst bequeme sowie elektrisch einstellbare Ledersitze gehören zum Serienumfang. Ebenso wie die 20 Zoll großen Schmiederäder. Sie sparen im Vergleich zu einem Gussrad und ohne Run-Flat-Bereifung insgesamt bis zu 20 Kilogramm ein. Wankstabilisierung und Hinterachslenkung kosten keinen Aufpreis. Das sollte man auch bei diesem Grundpreis erwarten.Im Vergleich zum BMW 5er behält das Alpina-Pendant den Komfort Plus Modus. Die Lenkung arbeitet hier leichtgängiger, rückmeldet dennoch fein, das Fahrwerk dämpft weicher und das Getriebe agiert besonnener.

Das bringt die Hinterachslenkung

Die Limousine kann Rennstrecken, wen wundert’s, deutlich besser als der Kombi. Allerdings neigt sie in einigen Ecken, wie der Bergauf-Schikane am Bilster Berg (Kurve 5 & 6) trotzdem zu minimalem Untersteuern. Zumindest sagt einem das das Gefühl. Und die leicht quietschenden Pirelli-Vorderreifen. Vielleicht müsste man aber trotzdem weiteren Lenkwinkel zugeben, was mit mehr Runden und mit mehr Vertrauen passieren könnte. Am trockenen Vormittag bleibt dafür allerdings nicht genügend Streckenzeit. Der Nachmittag ist verregnet. Die Hinterachslenkung arbeitet bis zu einer Geschwindigkeit von 65 bis 70 km/h mit maximal 2,5 Grad gegen und soll den Alpina neutraler fahren lassen, ja, ihn “agilisieren„ wie es im Marketing-Jargon heißt.

Die Limousine lässt sich optional an der Hinterachse um ein mechanisches Sperrdifferential von Drexler ergänzen. Um die Traktion zu verbessern. Sowohl B5 Limousine als auch Touring können bereits bestellt werden. Alpina liefert ab September 2017 aus. Die Limousine kostet übrigens ab 112.000 Euro.

Vorab-Fahrbericht: Der neue Allrader im 10-Punkte-Check

BMW Alpina B5
Pierre-Etienne Ferraro
"Der Allradantrieb reduziert Eingangsuntersteuern spürbar, erhöht so die Agilität.", so Chefreporter Jens Dralle zum neuen BMW Alpina B5.

Bereits im März 2017 hatte auto motor und sport-Chefreporter Jens Dralle die Gelegenheit, die damals noch getarnten neuen Alpina-B5-Modelle im Schnee zu testen und war vor allem davon beeindruckt, wie konsequent und umfassend Alpina den BMW 5er auf dem Weg zum B5 umstrickt. Trotz des erstmals verpflichtendem Allradantrieb schafft es der Kleinserienhersteller, auch den neuen B5 als sehr schnelles, zugleich aber auch sehr komfortables Modell zu positionieren. Eben ganz so, wie es der Philosophie des Hauses Alpina entspricht.

  1. Der Motor: Als Basis dient zwar ein BMW 540i xDrive, doch der Reihensechszylinder fliegt raus. Wie im Vorgänger-B5 kommt ein 4,4-Liter-V8 zum Einsatz, jetzt in der neuesten Generation mit Twin Scroll-Ladern. Der Effekt: Der neue B5 reagiert nahezu verzögerungsfrei auf Gaspedalbefehle, baut schnell ungeheuren Druck auf.
  2. Die Peripherie: Alpina-typisch modifizierten die Ingenieure die Einlassluftführung ebenso wie die Abgasseite, verbauen größere Turbolader mit höherem Ladedruck (1,4 statt 1,1 bar), nutzen größere Ladeluftkühler und zusätzliche Wasserkühler. Dadurch steigt die Leistung von 450 – ja wie viel denn genau? Exakte Daten gibt es erst nach der Weltpremiere. Da der Motor aber weitgehend dem des B7 entspricht, hier dessen Werte: 608 PS, 800 Nm.
  3. Das Getriebe: Die Achtstufenautomatik schärft erst die Gangwechsel, wenn der Fahrer den Wählhebel auf “S„ rückt oder selbst per hauseigenen Switch-Tronic-Druckknöpfen an der Rückseite der Lenkradspeichen eingreift. Das Entwicklungsfahrzeug nutzt dagegen die BMW-Schaltpaddel – eigentlich die ergonomischere Lösung.
  4. Der Allradantrieb: Den neuen B5 liefert Alpina ausschließlich mit Allradantrieb aus, modifiziert das bekannte xDrive-System. Die Grundverteilung von 40 zu 60 bleibt, doch je nach Modi werden zwischen 84 und 90 Prozent bei Kurvenfahrt proaktiv an die Hinterachse geschickt. Reduziert Eingangsuntersteuern spürbar, erhöht so die Agilität.
  5. Das Fahrwerk: Neben einer spezifischen Feder-Dämpfer-Abstimmung, die sogar den Comfort-Plus-Modus beibehält (gibt’s im neuen 5er nicht mehr), erhält jeder B5 die elektromechanische Wankstabilisierung sowie die Hinterachslenkung – die bei Alpina ebenfalls anders angesteuert wird, um eine größere Spreizung zwischen Stabilität und Agilität zu realisieren. Tatsächlich fährt der Neue deutlich agiler als der ohnehin nicht wirklich träge Vorgänger.
  6. Die Bremse: Alpina verbaut eine Vierkolben-Festsattelbremse an der Vorderachse, nutzt überdies spezifische Beläge, um ein spontaneres Pedalgefühl zu erzeugen.
  7. Die Reifen: Der B5 rollt erstmals auf Pirelli- statt Michelin-Reifen, die sogar eine Alpina-Hersteller-Kennung tragen. Der Sommer-Reifen soll weniger wiegen, der Winterreifen eine bessere Hochgeschwindgeits-Performance bieten. Ob sie es tun? Keine Ahnung. Das Erprobungsfahrzeug steht auf Spikes.
  8. Die Karosserie: Obwohl der neue 5er von Haus aus eine höhere Steifigkeit mit sich bringt, hält Alpina eine weitere Versteifung des Vorderwagens für Notwendig. Ist sie das wirklich? Nun, wie gesagt, der B5 lässt sich beeindruckend agil durch Kurven scheuchen, wirkt leichtfüßiger, als sein Gewicht vermuten lässt.
  9. Das Gewicht: Von der Gewichtsreduzierung des 5ers profitiert der B5 indirekt. Er wiegt in etwa so viel wie der Vorgänger, nun aber inklusive Allradantrieb, Hinterachslenkung, Wankstabilisierung und größerer Bremse.
  10. Die Lücke: Nein, noch wissen wir nicht, was der M5 einmal können wird. So gewaltig wie der B5 beschleunigt, so agil, wie er einlenkt, so langstreckentauglich, wie es die Modifikationen erwarten lassen (der Federungskomfort mit Spikes auf Eis sich aber nicht wirklich einordnen lässt), wird der Alpina wieder einmal mit hoher Perfektion die nun noch kleinere Nische füllen, die zwischen M550i xDrive und M5 bleibt.

Fazit

Alpinas neuer B5 strotzt mit 608 PS und 800 Nm nur so vor Kraft. Die Fahrdynamikabteilung fährt mit Wankstabilisierung und Hinterachslenkung einiges auf, um das Gewicht nicht ins Gewicht fallen zu lassen. Es gelingt bei der Limousine. Beim Kombi mit Abstrichen. Beide erfüllen ihren Zweck: schnell sein und trotzdem komfortabel bleiben. (A. Haupt)

Technische Daten
Alpina B5 Biturbo
Grundpreis112.000 €
Außenmaße4956 x 1868 x 1466 mm
Kofferraumvolumen530 l
Hubraum / Motor4395 cm³ / 8-Zylinder
Leistung447 kW / 608 PS bei 5750 U/min
Höchstgeschwindigkeit330 km/h
Verbrauch10,5 l/100 km
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Sport Auto 03 / 2022
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Erscheinungsdatum 04.02.2022

132 Seiten