BMW i8 im Fahrbericht
Voraus in die Zukunft

Der BMW i8 scheint aus der Zukunft – seiner Zeit voraus und mit der optischen Anziehungskraft eines Superstars. Wir sind den Hybridsportler in Kalifornien gefahren.

BMW i8, Seitenansicht
Foto: BMW

Wieder hält eine Luxus-Karosse an der Ampel neben uns – ein Porsche Cayenne. Auch diesmal lässt der Fahrer die Scheibe herunter, streckt seinen gereckten Daumen heraus. Das internationale Zeichen der Anerkennung stimmt uns schon einmal gut auf den Tag ein. Wir sind unterwegs in Los Angeles, um in der als gleichzeitig autoverrückten und dennoch grün denkenden Metropole Reaktionen zum BMW i8 einzufangen. Und werden fast überschüttet mit Komplimenten. Falls die Handzeichen einen Hinweis auf den Erfolg des Hybrid-Sportwagen geben sollten, dann dürften sich die kalifornischen Händler vor Bestellungen kaum retten können.

Um das Klischee gleich morgens zu strapazieren, wollen wir die Tour in Beverly Hills beginnen. Wenn es um Luxus geht, gilt spätestens seit dem Film „Pretty Woman“ dem Rodeo Drive unser erster Gedanke. Rein elektrisch schurren wir von Santa Monica, wo uns der BMW i8 überlassen wurde, durch den Stadtverkehr in die wahrscheinlich teuerste Einkaufsmeile der Welt. Der zwei-plus-zwei-sitzige Sportwagen schwimmt mit, als sei das Stopp-and-go sein ureigenstes Metier – das Gaspedal lässt sich wunderbar dosieren und selbst die Zielbremsung gelingt auf Anhieb. Das hat nichts von der Ruppigkeit anderer Hybrid-Bremsen.

Limbo unter der Flügeltüre

Glück braucht der Mensch: Direkt gegenüber von Gucci wird eine Parkbucht frei. Dank der Rückfahrkamera des BMW i8 flutschen wir geschmeidig hinein, lassen die Flügeltüren hochschweben und schälen uns unfallfrei aus dem Kohlefaser-Chassis. Formvollendet sieht das wohl nicht aus, doch für gekonntes Limbo-Dancing unter dem Türblatt hindurch ist es eindeutig noch zu früh. Dennoch hat die Show bereits ein Publikum gefunden: Mutter Icy Rodrigo mit ihrem Sohn Dell, wobei die Mutter interessanterweise als erste ihr Handy zückt. Sie werde das Foto auf Facebook posten. „Das glaubt mir sonst kein Mensch“, meint sie und stößt zum dritten Mal in Folge ein „gorgeous“ aus, was soviel wie umwerfend bedeutet.

Mittlerweile hat sich eine Menschentraube gebildet, die respektvoll Abstand zum BMW i8 hält. Nur einer löst sich heraus: ein junger Mann im perfekt sitzenden Anzug. Er stellt sich als Nicolas Bijan vor – und selbst der nicht gerade als modeverrückt bekannte Autor weiß diesem Nachnamen einen großen Hersteller von teurem Schmuck zuzuordnen. Sein Shop befinde sich nur einige Häuser weiter erklärt er und fragt, ob er einmal einsteigen dürfe.
Mit Kennerblick taxiert er den Innenraum. Seine Finger fahren über das Leder auf Armaturenbrett und Türinnenverkleidung, dabei nickt er zufrieden. Auch die herausblitzenden Kohlefasern am Schweller hat er bereits entdeckt und fragt wie beiläufig nach dem Preis. Wir können ihm nur den deutschen nennen: 126.000 Euro. Das sei reasonable, angemessen, befindet er – es handele sich hierbei ja auch eher um ein Alltagsauto, schiebt er hinterher. Das Geschäft mit Schmuck scheint zu laufen...

Andere stufen den BMW i8 als Traumwagen ein. Ein Pulk von Bauarbeitern etwa. Wir treffen sie im North Beverly Drive, einer feinen Wohngegend. Sie errichten nebenan ein neues Haus und machen gerade am Straßenrand Frühstückspause. Nicht alle können englisch, doch einer, Hernandez Delmar, nennt den i8 mit weit aufgerissenen Augen ein dreamcar und lichtet ihn ebenso wie sein Kollege Mario Fernandez ehrfurchtsvoll mit dem Handy ab.

Wer sich bei den rich men, also den Reichen, zu lange vor der Haustüre aufhält, zieht in den USA unweigerlich die Gesetzeshüter an. So dauert es nur wenige Minuten und wie aus dem Nichts steht Deputy Sheriff Marco Green neben uns. Wir hätten nichts angestellt, witzeln wir, worauf er gespielt übertrieben abwehrt und stattdessen Interesse am BMW i8 bekundet. Schnell sind die wichtigsten Daten wie Leistung (Verbrenner: 231 PS. E-Maschine: 96 kW), Höchstgeschwindigkeit (250 km/h) und Beschleunigungsvermögen (0-100 km/h: 4,4 Sekunden) abgefragt. „Incredible“, unglaublich, entfährt es ihm – aber zu teuer, um es als Einsatzfahrzeug zu beantragen.

BMW i8 mit ruppigem Dreizylinder

Wir fahren weiter, immer noch rein mit der Kraft des Stroms, denn die Batterieanzeige im Cockpit meldet noch genügend Ladung. Bis zu 37 Kilometer rein elektrische Reichweite gibt BMW bei dezenter Fahrweise an. Insgesamt soll der BMW i8 bis zu 600 Kilometer weit kommen, bevor er an die Tankstelle oder die Steckdose muss. Zum Sirren mischt sich beim Rekuperieren ein leises Pfeifen; daneben dringen nur die Abrollgeräusche in den Innenraum. Und deutliches Poltern beim Überfahren von Kanaldeckeln – typisch für Sportwagen mit steifer Karosserie und direkter Fahrwerks-Anbindung.

Fordert man mehr Leistung an, etwa beim Überholen, dann stört der Dreizylinder abrupt die Ruhe. Samt Sechsgangautomatik stammt er aus dem Mini, erhielt allerdings einen größeren Turbolader und erstarkt somit auf 231 PS, was einer enormen Literleistung von 154 PS entspricht. Weil ein einfacher Dreizylinder in einem Sportwagen allerdings zu schnöde klingen würde, helfen ihm die Ingenieure mit einer lautsprecherartigen Membran neben dem versteckten Endrohr links am Heck akustisch zu mehr Wichtigkeit. Bassfrequenzen zwischen 80 und 400 Hertz werden gezielt verstärkt – via Stereoanlage auch in den Innenraum –, was die rauen Laufgeräusche des Reihendreiers zumindest in den Hintergrund drängt.

Besonders charmant klingt der BMW i8 dennoch nicht; eher etwas ruppig. Dies sieht auch Jim Martinez so. Der Liebhaber uramerikanischer Musclecars hört, wie wir vor dem Neptune’s Net rangieren und würde den i8 am liebsten gleich customizen – also gehörig modifizieren. So habe er es auch bei seinem Mustang gemacht, erklärt er, während er den BMW leicht skeptisch umkreist und dann von dannen zieht. Vorher hat er uns noch einen Tipp gegeben; wir sollten unbedingt die Latigo Canyon Road oberhalb von Malibu nehmen. Sie sei sehr kurvig.

BMW i8: Systemleistung von 362 PS

Zeit also, sich dem Sportmodus zu widmen. In ihm steht die volle Systemleistung von 362 PS abrufbereit. An einer einsamen Geraden halten wir kurz an. Das ESP haben wir deaktiviert – wir wollen das Beschleunigungsversprechen überprüfen. Also linker Fuß auf die Bremse, rechter voll aufs Gas, dann Bremse lösen. Der BMW i8 schießt so ansatzlos nach vorn, wie wir es von Elektrofahrzeugen gewohnt sind; doch dann – je mehr der Verbrenner übernimmt – lässt der Vortriebseifer merklich nach. In den Sitz presst es einen nicht gerade und akustisch reizt der Dreizylinder ebenfalls kaum. Vielleicht ist die Motivation in den Serpentinen ja größer.

Tatsächlich lenkt der BMW i8 willig ein, ganz so wie es sein niedriger Schwerpunkt vermuten lässt. Schließlich kauert die Hochvolt-Batterie unter dem Mitteltunnel, während der Synchronmotor auf der Vorderachse und der Verbrenner auf der Hinterachse sitzt – ideale Gewichtsverteilung für einen Kurvenkiller.

Wir carven also munter weiter, sind noch weit vom vermuteten Grenzbereich entfernt – doch dann schiebt der BMW i8 plötzlich ungewöhnlich früh über die Vorderräder. Obwohl wir bereits mit der Optionsbereifung samt 215er vorn unterwegs sind; serienmäßig wären nur 195er. Vermutlich liegt‘s einfach an den Reifen, aber dieses Untersteuern stillt unseren Sport-Hunger nicht. Dabei macht die Supersportwagen-Hülle soviel Appetit. Auf dem Weg zurück nach Los Angeles treffen wir an den Ampeln erneut auf zahlreiche gereckte Daumen. Auf der Straße kommt der derzeit fortschrittlichste Sportwagen der Welt zweifellos gut an.

Fazit

Der ungewöhnliche und ungewöhnlich mutige BMW i8 zeigt, dass Supersportwagen auch in Zeiten der Elektrifizierung eine Zukunft haben. So weit, so gut. Doch das Dynamik-Versprechen, das die faszinierende Hülle abgibt, löst das untersteuernde Fahrverhalten nicht ein. Zumindest bei dieser ersten Begegnung.

Technische Daten
BMW i8 Coupé
Grundpreis134.000 €
Außenmaße4689 x 1942 x 1291 mm
Kofferraumvolumen154 l
Hubraum / Motor1499 cm³ / 3-Zylinder
Leistung266 kW / 362 PS bei 5800 U/min
Höchstgeschwindigkeit250 km/h
Verbrauch2,1 l/100 km
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AUTO MOTOR UND SPORT 11 / 2024
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Erscheinungsdatum 08.05.2024

148 Seiten