BMW M5 "30 Jahre M5"
Sportlich im Grenzbereich

Im fahrdynamischen Extrembereich, jenem Territorium zwischen Haft- und Gleitreibung, muss sich der BMW M5 nicht mehr beweisen. Das extrastarke Geburtstags-Sondermodell der furchtbar schnellen Limousine tobt diesmal durch einen anderen Grenzbereich – jenen zwischen Deutschland und Österreich, und zwar auf der gesamten Länge. Fast zumindest.

BMW M5, Impression, Ausfahrt, Jubiläumsmodell
Foto: Hans-Dieter Seufert

Hashtag TBT. Throwback Thursday. Um sich ein wenig an Gestern zu erinnern, hat mal irgendwer in irgendeinem sozialen Netzwerk den Donnerstag der Retrospektive ins Leben gerufen, um dann Bilder von Vergangenem zu veröffentlichen. Dabei existieren solche Donnerstage – warum ausgerechnet dieser Wochentag, ist nicht mehr nachzuvollziehen und eigentlich auch egal – in der realen, nicht nur in der virtuellen Welt. An einem Donnerstag beispielsweise landeten mal wieder einige Neuzugänge in meiner CD-Sammlung, obwohl die meiste Musik inzwischen selbst dort als mp3-Datei auf einer Festplatte herumlümmelt. Und dann wurde noch ein Straßenatlas herausgekramt, um diese Geschichte hier zu planen, deren Start sich kurioserweise ebenfalls auf einen Donnerstag verschieben sollte.

An eben jenem steht nun der BMW M5 am alten Grenzhäuschen in Lindau auf österreichischer Seite, direkt nach der Brücke über die Leiblach. Auch BMW erinnert sich gerne zurück, an 1984 beispielsweise, als man sich mit der Entwicklung des M5 aufmachte, ein neues Segment zu erschließen. Im Folgejahr präsentiert, schlug er in die sich unaufhaltsam digitalisierende Welt ein wie ein analoger Zauberwürfel mit Lichtgeschwindigkeit, 286 PS stark, durch ein Triebwerk, das er sich frech vom M1 lieh. Nur dessen unerhörte Optik sparte er sich, am schlichten Limousinen-Kleid der E28-Reihe pappte lediglich eine schwarze Spoilerlippe. Okay, die Kreuzspeichen-Felgen nicht zu vergessen, das war es dann aber auch.

600 Kilometer auf 20-Zoll-Räder

Das aktuelle Modell des BMW M5 mag sich dagegen nicht so sehr zurückhalten, obwohl der Spoiler über die Jahre sogar ein wenig schrumpfte. Allein die Lackierung in Frozen Dark Silver, die jetzt so erfrischend mit der diesigen Stimmung an diesem Herbstmorgen harmoniert, wirkt besonders, die 20-Zoll-Räder ebenso. Und dann folgt das dicke Ende: Vier polierte, mächtige Endrohre recken sich links und rechts des Diffusors – zwei zu viel für Understatement, zwei zu wenig für oligarchische Völlerei.

Die Leerlaufdrehzahl ist bereits nach der Warmlaufphase auf unter 1.000/min gesunken, die Auspuffklappen des BMW M5 sind wieder geschlossen, das drohende Gurgeln einem milden Bass gewichen. Alles, was sich unterschiedliche Modi leistet, also Lenkung, Gaspedalkennung, Schaltgeschwindigkeit und ESP, arbeitet vorerst im jeweils sanftesten. Direkt vor dem Grenzhäuschen zweigt die Unterhochstegstraße ab, führt grob in Richtung Pfänder, durch dessen Tunnel sich seit 1980 die Urlauber in die Arlbergregion, das Montafon oder in die Schweiz spülen lassen. Der reizvollere sowie der für diese Geschichte relevantere Weg führt natürlich obendrüber, Richtung Scheidegg, Deutschland. Bereits nach wenigen kurvenreichen Kilometern plättet einen das Panorama. Glücklicherweise hat sich der Nebel verzogen, Zeit genug blieb ihm ja, schließlich mussten sich Fotograf und ich erst einmal über die Details der Reise einigen, so was macht man einfach nicht im Voraus.

Im Prinzip ließe sich bereits jetzt die Geschichte zu Ende bringen, denn die Streckenführung entlang der sogenannten Käsestraße (was die zahlreichen Sennereien erklärt), weiter in Richtung Hittisau und Balderschwang, bietet alles: enge Kehren, offene Ebenen, lichte Anhöhen und düsteren Wald. Doch es liegen heute noch rund 600 Kilometer Fahrt im Grenzbereich vor uns und dem BMW M5, was – wie sich später noch herausstellen sollte – recht optimistisch geplant war.

BMW M5 in 12,4 Sekunden auf Tempo 200

Der Reisebus, der sich in Bad Hindelang gerade vor uns Richtung Oberjoch hinaufquälen will, spielt dabei übrigens keine Rolle, der BMW M5 schnupft ihn recht schnell auf, schließlich leistet sein V8-Triebwerk mal eben 600 PS. Wer auch immer der M-Truppe erzählt haben mag, dass der M5 mit Competition-Paket (575 PS) an Leistungsmangel leidet, der benutzt vermutlich einen Raketen-Rucksack statt Aufzügen. Natürlich wissen wir um das Gewichtsproblem der aktuellen Generation. Bohrt sich allerdings das rechte Pedal in den Teppich, zerfallen die 1,9 Tonnen zu Staub, und aus der Asche ballt sich eine große Faust, die den BMW aus jeder Kurve, entlang jeder Geraden, über jeden noch so hohen Gipfel prügelt.

Zugegeben, die Edition des BMW M5 dringt in keinen Beschleunigungsolymp vor, in dem sich nicht schon deren Basis breitgemacht hätte – was Rückschlüsse auf deren Konditionierung zulässt. Aber 12,4 Sekunden für den Sprint von null auf 200 km/h schaffen nur wenige Hecktriebler und bringen dabei bequem vier bis fünf Personen an ihr Ziel. Dazu zählt vielleicht das Tannheimer Tal, hier lässt sich sogar die Sonne blicken, nur das alte Zollhäuschen macht nicht viel her, wie die meisten eigentlich.

Insgesamt 64 Grenzstationen existierten zwischen Deutschland und Österreich, verteilt auf eine Gesamtwegstrecke von 815 Kilometern. In den alten Gebäuden befinden sich entweder Polizeiposten, Händler für Kachelöfen oder Vignetten-Verkaufsstationen, und in den Kellern lagern vielleicht noch die alten Schlagbäume – man weiß ja nie. Noch ist Donnerstag, zurück in der Gegenwart, wuchtet sich der BMW M5 gerade auf Weißenberg zu, biegt ab nach Reutte, von dort auf die L 255, vorbei am Plansee. Innen schmückt sich das Geburtstagsmodell mit den bekannten, unendlichfach verstellbaren Sitzen, angereichert mit einer edlen Leder-Alcantara-Polsterung inklusive Stickereien, die auf den Anlass hinweisen. Dazu spezielle Aluminium-Zierleisten, eine Audioanlage mit 16 Lautsprechern zählt ebenfalls zum Lieferumfang.

BMW M5 mit 700 Nm maximalem Drehmoment

Sie würde auch die neu erworbenen CDs abspielen, natürlich, doch der Klang des V8-Triebwerks soll als Soundtrack dieser Reise reichen. Obwohl sie ja dabei schon ein bisschen getrickst haben, die M-Buben, doch bei aller Glätte klingt das 4,4-Liter-Aggregat voll und vor allem ernsthaft. Gleichmäßig dreht es bis 7.000 Umdrehungen, imitiert dabei ein ganzes Tuba-Orchester, wirkt monströs, geradezu rücksichtslos. Die angetriebenen Räder kommen unterdessen nur schwer mit dem maximalen Drehmoment von 700 Newtonmetern klar, selbst auf ebener trockener Fahrbahn schlupft der BMW M5 schon mal.

Kurz hinter dem Kloster Ettal braucht es überhaupt keine Kraft – Vollsperrung. Eine weitere krönt die Umleitungsroute über die B 2 kurz vor Eschenlohe, es regnet, Zeitplanung und Stimmung schwimmen in der Loisach davon. Bei Mittenwald folgt der BMW M5 dem Abzweig Richtung Wallgau, um über die schmale Mautstraße am Sylvensteinspeicher vorbei zum Achensee zu gelangen. Dort, wo die deutsche 307 zur österreichischen 181 mutiert, herrscht wieder Grenztristesse, einzig der Grenzkiosk lockert die Szenerie auf, mit etwas viel Souvenirkitsch vielleicht, aber auch einem großartigen Bergkäse und frischen Äpfeln.

Ein schneller Blick auf die Straßenkarte – ja, aus Papier! – schafft die Gewissheit: Das Tagesziel Passau könnte zwar noch locker erreicht werden, doch aus unerfindlichen Gründen besteht Fotograf Hans-Dieter auf Bilder bei Tageslicht von der letzten Etappe. Ein paar Aufnahmen entstehen dann doch noch bei Dunkelheit, am Walserberg kurz vor Salzburg, direkt an der Autobahn – aber eben einer der bedeutendsten Grenzübergänge, behaupten wir jetzt einfach mal. Zahlreiche Lkw parken hier zur Nachtruhe, mit vorwiegend ausländischen Kennzeichen, rücken so Osteuropa ein wenig näher.

Der BMW M5 verlässt die A 10 Tauernautobahn (eine nette Geste, dass die Österreicher ihren Autobahnen nicht bloß schnöde Zahlenkombinationen verpassen, oder?) allerdings bereits bei Hallein, denn das Etappenziel wurde auf den Grenzgasthof Neuhäusl unweit der Rossfeld-Panoramastraße vorgezogen. Tatsächlich demonstrieren die Gipfel der Berchtesgadener und umliegender Alpen nur bei Tageslicht ihre bedrückende Größe, nur bei Tageslicht erschließt sich die Pracht der Straße, die auf 15,4 Kilometern Länge über 1.100 Höhenmeter führt. In den Kurven und Kehren streift der BMW dann doch schon mal jenen Grenzbereich, über den nicht erst seit dem Debüt des Urmodells gerne und viel philosophiert wird.

Endstation Passau

Der aktuellen Generation hilft die Elektronik, die in der MDM genannten Zwischenstufe Driftwinkel zulässt, die bei Unbedarften vielleicht ein bisschen Furcht und Eindruck schinden, aber noch nicht zu erheblichen Konflikten mit dem Gesetz führen. Übrigens: Das Gripniveau an der Vorderachse beeindruckt fast mehr als das hinten, selbst auf nasser Strecke.

Abgesehen von der ungebrochenen Drehmoment-Dramatik fällt auch hier auf, wie sehr der BMW M5 seinen Piloten in den Arm nimmt, ihn in das Fahrerlebnis einbindet.

Ja, hier könnte die Geschichte ebenso gut enden, und alles wäre in Ordnung. Doch wer weiß, was noch kommt, auf den letzten gut 130 Kilometern bis Passau. Ehrlich gesagt: nicht wirklich viel. Ja, es ist schon schön, erst im Salzburgischen, dann in Oberösterreich. Eine Schönheit, die sich eher aus dem Reiz der Weite als aus der Schroffheit und überirdischen Dimension der Alpen generiert. Und an Seen mangelt es ebenfalls nicht, was die Attraktivität auf jeden Fall mehr steigert als der kurz vor Mattighofen großplakatig angekündigte Auftritt eines Helene-Fischer-Doubles namens Jenny.

Zwischen Braunau und Simbach markiert der Inn die Grenze, über die Brücke schleicht überraschend viel Verkehr, dessen Frequenz nur auf der nahen B 12 übertroffen wird – die wohl auf ewig eine Bundesstraße bleibt. Nur einige wenige Autobahnfetzen künden von den großen Plänen vergangener, gegenwärtiger und vermutlich auch künftiger Generationen bayerischer Politiker. Vorbei am Bäder-Dreieck um Bad Füssing (ebenfalls ein wichtiger Schauplatz der hiesigen Politik) naht Passau, nein, nicht über die A 3, sondern über Land, nämlich über Schärding. Hier bekommt die Topografie wieder etwas Schwung und führt direkt in die Dreiflüsse-Stadt, über den gerne bepilgerten Mariahilfberg.

Das alte Zollhaus steht hier oben noch, hübsch hergerichtet obendrein – nur wenige Hundert Meter von meiner ersten Studentenbude entfernt, die ich ziemlich genau vor 14 Jahren bezogen habe – zwei Monate, bevor an den Grenzübergängen die Schlagbäume abgeschraubt wurden. Hashtag TBT. Funktioniert übrigens auch freitags.

Vor- und Nachteile
BMW M5 "30 Jahre M5"
Sehr gute Fahrleistungen
kultiviertes und drehfreudiges Biturbo-Triebwerk
ausgewogenes Fahrwerk, präzise Lenkung
agiles Handling
sensibel arbeitende Regelelektronik
bequeme Sitze
modernes Infotainment-System
Im Vergleich zum Basismodell keine besseren Fahrleistungen
mäßiges Platzangebot im Fond
Technische Daten
BMW M5 Competition Edition 30 Jahre M5
Grundpreis127.500 €
Außenmaße4910 x 1891 x 1467 mm
Kofferraumvolumen520 l
Hubraum / Motor4395 cm³ / 8-Zylinder
Leistung441 kW / 600 PS bei 6000 U/min
Höchstgeschwindigkeit305 km/h