Cadillac CTS im Fahrbericht
Limousine mit Ecken und Kanten

Amerikas große Luxusmarke Cadillac wächst wieder – dieses Jahr schon um 30 Prozent. Damit der Trend anhält, gibt es eine Neuauflage der Modellreihe CTS. Wie gut der Wagen ist? Werfen wir uns in Schale und fahren mit der Limousine raus auf die Route 66.

Cadillac CTS, Lenkrad
Foto: Evidon

Die Sonne kann sich an der Route 66 scheinbar nicht satt sehen. Voller Freude strahlt sie eine Stunde nordöstlich von Palm Springs auf die Mutter aller Straßen. Vielleicht flirtet sie aber auch mit dem neuen Cadillac CTS, der im Staub wartet. Cool, kantig, charakterstark. Warum wir hier sind? Um ein Spiegelbild der Markengeschichte Cadillacs zu besuchen, das in Form einer riesigen Neonreklame nahe dem Städtchen Amboy steht. In den Fünfzigern und Sechzigern war sie ein Leuchtturm auf der Hauptader Amerikas, machte Millionen Reisenden das gleichnamige Restaurant/Motel schmackhaft. Damals glänzte sie wie Cadillac modern und stilvoll.

Keine zwei Jahrzehnte später waren beide bereits veraltet und vergessen. Die Ironie aus heutiger Sicht: So wie Roy’s längst zum Pilgerort für Route 66-Liebhaber geworden ist, lockt auch Cadillac wieder Fans an – jene, die den Kult von einst nicht vergessen können. Und die, die im heutigen Meer weichgespülter Autogesichter nach Charakter suchen. Die größten Zuwächse gibt es übrigens – wie sollte es anders sein – im statusverliebten China.

Cadillac CTS mit Wiedererkennungswert

Wer die neue Stil-Richtung von Cadillac mag, wird sich auch an der dritten Generation des Cadillac CTS erfreuen. Sportlich gestreckt (plus 13 Zentimeter in der Länge, minus 2,5 Zentimeter in der Höhe) ist der fast fünf Meter lange Viertürer ein Manifest der Ecken und Kanten, ohne altbacken zu wirken. Der mächtige Chromgrill (mit automatisch gesteuerten Lufteinlässen) und die beiden horizontalen LED-Tagfahrlichter/Blinker sichern ihm zudem jene Wiedererkennung, die man anderswo gern hätte.

Mehr Erinnerung würde sich wohl auch die Route 66 wünschen: Während Amerika ihren Wert noch immer unterschätzt, ist sich GM der Stärke der Marke Cadillac und der Fehler der Vergangenheit bewusst und investiert fleißig in den neuen Erfolg. Ein Ergebnis ist die moderne Plattform des BMW 3er-Konkurrenten ATS, die nun auch der neue Cadillac CTS nutzt. Mehrlenker-Doppelgelenk-McPherson-Vorderachse, Fünflenker-Hinterachse und Hinterradantrieb gibt es serienmäßig, Allrad gegen Aufpreis.

Durch den Einsatz von Aluminium (Türen, Fahrwerk, Federbeindome) und Magnesium (Motor- und Vorderachsträger) soll die Limousine fast zehn Prozent zum Vorgänger abgespeckt haben und ihre rund 1,6 Tonnen gleichmäßig auf beide Achsen verteilen. Ein ähnlich ausgestatteter BMW 5er bringt laut Cadillac fast zwei Zentner mehr auf die Waage. Was sich hier und jetzt überprüfen lässt? Komfort und vor allem Fahrspaß. Obwohl die Route 66 zwischen Amboy und Kingman an vielen Stellen wortwörtlich zerbröselt, geht der Cadillac CTS leicht und ruhig auf die Reise. Dank der Diät fühlt er sich trotz seiner Länge weniger nach dickem Schlitten als nach trainiertem Langstreckenläufer an. Nur die sportliche Note des verstellbaren Fahrwerks muss man mögen, zu dem am besten die serienmäßigen 18- Zoll-Aluräder passen. Mit den optionalen 19-Zöllern leidet der Abrollkomfort.

Überzeugender Vierzylinder

Eine Stunde vor Needles zieht sich die Route 66 noch immer schnurgerade durch die Landschaft – dem neuen Vierzylinder-Benziner des Cadillac CTS gefällt es. Ganz recht, ein Vierzylinder. Turbogeladen und benzin-direkteinspritzend schickt er 276 PS an eine Sechsgang-Automatik und schiebt die Limousine überzeugend locker gen Osten. Die Zahl acht beim Antrieb hat sich übrigens etwas nach hinten verlagert: Statt acht Zylindern gibt es zum Start des Cadillac CTS eine Achtgang-Automatik von Aisin-Warner, aber nur für die beiden V6-Benziner. Der schwächere ist ein Sauger (321 PS), der stärkere hat zwei Turbolader. Mit 420 PS beflügelt er die neue Variante Cadillac CTS V-Sport, die vermutlich auch zu uns kommt.

Ob die Cadillac CTS-Limousine einen V8 erhält, durften die Männer von Cadillac noch nicht verraten. Der Glanz in ihren Augen lässt jedoch hoffen. Traurige Nachrichten am Rande: Das Schaltgetriebe wurde gestrichen, den Kombi wird es wohl wegen zu geringer Nachfrage nicht mehr geben. Beim Coupé ist man sich noch nicht ganz sicher.

Kurz vor der Grenze nach Arizona meldet sich das neue Navigationssystem erstmals und ermahnt zum Linksabbiegen. Der Grund wird auf dem 31 Zentimeter großen Display sichtbar: eine Passstraße wie aus dem Bilderbuch. Sie führt die Berge hoch ins kleine Goldgräberstädtchen Oatman. Während am Straßenrand einige alte Ford T-Modelle ausbluten, erscheinen die ersten echten Kurven. Leicht anbremsen, per Lenkradpaddel den richtigen Gang bestellen, einlenken und rauf aufs Gaspedal. Erstaunlich, wie gut der Zweiliter loszieht, wie ruhig und steif der Cadillac CTS liegt und wie genau seine Lenkung arbeitet. Allerdings könnte sie um die Mittellage etwas mehr Ruhe vertragen.

Cadillac CTS mit gehobener Ausstattung

Kurz vor halb acht parkt der Cadillac CTS knisternd am Rand der Route 66. Die Sonne wirft einen letzten langen Blick auf ihn – auf ein Auto, das gelungen ist, obgleich nicht perfekt. Auf ein Auto, das sich nicht zu verstecken braucht, auch nicht in puncto Sicherheitsausstattung. Vom Abstandsregeltempomat über Toter-Winkel-Warner, Spurassistent, adaptive Scheinwerfer bis hin zu automatischer Einparkhilfe und Notbremsassistent kann die Limousine mit allem bestückt werden, was in der gehobenen Mittelklasse angesagt ist. Nur an einem Dieselmotor hapert es, aber auch daran wird in Detroit gearbeitet.

Im Januar 2014 kommt der Cadillac CTS bei uns in den Handel, Startpreis des gefahrenen 2.0T mit reichlich Ausstattung: 49.900 Euro. Damit hat auch der neueste Cadillac eins gemein mit der verlassenen Route 66: Beide sind eine verlockende Alternative zu einem Trend, dem alle folgen. Denn selbst wenn 5er und Co dem Cadillac CTS in der einen oder anderen Disziplin etwas voraus haben werden – so viel Charakter bieten sie nicht.

Technische Daten
Cadillac CTS 2.0 T Elegance
Grundpreis44.500 €
Außenmaße4966 x 1834 x 1438 mm
Kofferraumvolumen447 l
Hubraum / Motor1998 cm³ / 4-Zylinder
Leistung203 kW / 276 PS bei 5500 U/min
Höchstgeschwindigkeit240 km/h
Verbrauch8,5 l/100 km
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AUTO MOTOR UND SPORT 11 / 2024
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Erscheinungsdatum 08.05.2024

148 Seiten