Chevrolet Camaro SS
Comeback eine Musclecar-Legende

Er ist zurück: Nach 40 Jahren hat der Chevrolet Camaro die dunkle Seite seiner Seele neu entdeckt und ist wieder ein richtiges Musclecar – so böse, dass sich seinetwegen beinahe die Nacht vor der Finsternis fürchtet.

Chevrolet Camaro SS
Foto: Rossen Gargolov

Die neongrellen Lichter der Stadt stroboskopen über den Chevrolet, der schwärzer ist als jede Nacht. Die fünfte Generation des Chevrolet Camaro nimmt sich die erste zum Vorbild und schaut damit zum ersten Mal seit fast vier Jahrzehnten wieder aus wie ein echtes Musclecar – und damit wie ein Auto, das man mal besser nicht blöd von der Seite anmacht. Vor allem nicht in den zwielichtigen Ecken der Stadt.

Der Chevrolet Camaro feiert sein Retro-Revival

Mit dem Camaro feiert nach Ford Mustang und Dodge Challenger das dritte US-Muskelauto sein Retro-Revival. Schon allein seinetwegen wäre es schade, wenn in der wohl am schlechtesten gemanagten Firma der Welt - General Motors nämlich - die Lichter wirklich ausgegangen wären. Mit dem Camaro beweist der sieche General, was er noch immer am besten kann: Autos bauen, als hätten die sechziger Jahre nie geendet. Von damals stammt das Rezept für ein Musclecar, bei dem das Fahrwerk eines Mülllasters auf einen V8 mit dem Volumen eines Swimmingpools trifft. Beides verkleidet eine Karosserie, die so wenig verschüchtert auftreten sollte wie der Chefrausschmeißer einer Moskauer Disco. Denn bei Musclecars ging es nie um Finesse oder technische Überlegenheit - sondern um Leistung und Coolness zum Budgetpreis. 23.040 US-Dollar kostet der Camaro mit dem 304-PS-V6-Motor in Amerika. Für den SS mit V8-Triebwerk will Geiger Cars in München 49.900 Euro. Porsche verlangt für den 265-PS-Basis-Cayman 414 Euro mehr.

Unter der Haube brummt der 6,2-Liter große Small Block

Aber eine Porsche-Alternative ist so ziemlich das Allerletzte, was der Camaro sein will. Daher wandeln die Chevrolet-Burschen das alte Rezept nur subtil ab. Statt des Big Block, der es inzwischen bis auf 9,4 Liter bringt, hängen sie ihm den Small Block unter die Haube. Der debütierte ein Jahr nach der Eröffnung des ersten Burger-King-Restaurants in der damals noch immer ziemlich Neuen Welt – 1955 also, als in Großbritannien Winston Churchill zurücktritt, Fangio den dritten seiner fünf Formel 1-Weltmeistertitel erringt und Romy Schneider zur Kaiserin Sissi gekrönt wird. Im Laufe seines Lebens hat es der V8 auf nun auch nicht gerade bescheidene 6,2 Liter gebracht. Trotz der grundlegenden Überarbeitung in den Neunzigern sitzt seine kettengetriebene Nockenwelle noch immer zentral im V und stößelt die insgesamt 16 Ventile mit Stangen an.

Die Karosserie des neuen Camaro wirkt wie eine Karikatur der 67er-Linie

Die Moderne fängt den Camaro am Heck ein, beschert ihm eine Einzelradaufhängung statt der über Generationen hinweg vererbten starren Hinterachse. Dazu bekommt er serienmäßig ESP, worüber Chevrolet selbst nicht allzu enthusiastisch jubelt. Könnte vom traditionsbewussten Publikum ja als ein bisschen memmenhaft verstanden werden. Das zeitgemäße Fahrwerk und die Elektronik verstecken sich unter einer Karosserie, die wie eine Karikatur der 67er-Linie wirkt – mit grimmigem Blick, breiten Schultern und der niedrigen Fensterlinie.

Auch innen zitiert der neue Camaro den alten

Der Fahrer sitzt auf bequemen, gut ausgeformten Lederpolstern und sieht wegen der kleinen Scheiben nicht viel von der Nacht, die draußen vorbeiflirrt. Auch innen zitiert der neue Camaro den alten. Wie der Drehzahlmesser sitzt der Tacho in einem separaten Würfel. Seine Skala reicht nur bis 180 km/h, was etwas unachtsam scheint, weil sie der Camaro beim Beschleunigen aus dem Stand bereits nach knapp 15 Sekunden aufgebraucht hat. Der V8 hämmert und brüllt ihn voran, dominiert Auto und Pilot. Jede Fahrt wird zur Suche nach einem würdigen Duellanten – ein Berg, eine Gerade, ein Porsche Boxster. Doch mit seiner schieren Kraft sind sie alle keine echten Gegner für den Chevy, nur Opfer.

Der Camaro lenkt zügig ein und verbeißt sich in eine neutrale Linie

Diese ganze Sache mit dem Kurvenfahren, die hat er jetzt auch drauf. Nicht wie ein Kart, aber der Vergleich wäre eh Quatsch – kein Auto fährt wie ein Kart, nur ein Kart fährt wie ein Kart. Die servoverzogene Lenkung gibt sich Rückmeldungswünschen gegenüber verstockt, doch anders als seine Ahnen, die sich mit der Wucht eines Erdrutsches untersteuernd gegen Richtungsänderungen wehrten und dann auf kleine Gas-Tapser hin Heck voraus in die Seitenbegrünung rotierten, lenkt der Camaro zügig ein und verbeißt sich in eine neutrale Linie. Heckzucken regelt das ESP autoritär weg. Er kämpft also nicht mehr gegen seinen Fahrer wie ein Bulle beim Rodeo. Dass er sich für leichtfüßiges Kurvenballett auf engen Landstraßen so gut eignet wie ein Vorschlaghammer zum Xylophonspiel, liegt an seinen üppigen Ausmaßen. So eine normale Landstraßenspur ist für den Camaro eng. Es dauert, bis der Fahrer die sperrigen Ausmaße des Chevy – fast so lang und noch breiter als ein VW Multivan - verinnerlicht. Viel davon wird nicht für den Innenraum vergeudet, aber es reicht für vier.

Auch für lange Fahrten ist der Camaro gut geeignet

Er taugt sogar für die große Reise, federt komfortabel-schunkelfrei, bleibt leise, wenn der Motor bei niedrigen Drehzahlen brummt. Das kann er gut – 140 km/h verlangen ihm im sechsten Gang schlappe 2.200 Touren ab -, und dann ist da noch eine Menge Luft zwischen Gaspedal und Bodenblech. Weil der V8 ab 1.000 Touren voranstampft, lohnt es kaum mehr, das kurzwegig, aber knochig zu schaltende Getriebe mit weiteren Gangwechseln zu bemühen, wenn die große Stufe mal drin ist. Wirkt nicht so richtig sportlich. Aber selbst beim Nacht-Cruise verschafft der böse Blick dem Chevy das Überholprestige eines Pitbulls, der nicht nur spielen möchte.

Der Camaro ist zurück, und wer ihn zum Duell herausfordert, macht einen Fehler. Denn es kommt nicht darauf an, wie schnell du selbst bist, sondern darauf, wer hinter dir her ist.

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