Unterwegs im Topmodell des Seres 5
Wirklich schneller als ein Carrera GT?

Premium will er sein – und sportlich, der Seres 5 aus China. Das unterstreicht die ambitioniert ausgesuchte Konkurrenz von BMW iX3 bis Audi Q4 E-Tron. Kann der SUV sein Versprechen halten?

DFSK Seres 5 Fahrbericht 2023
Foto: Patrick Lang

Premium ist auf jeden Fall der Preis von rund 75.000 Euro für das Topmodell mit Allradantrieb und 430 kW rein elektrischer Leistung. Kurz zur Einordnung, weil das mit den neuen Marken nicht so leicht durchschaubar ist: Seres ist eine Submarke für Elektroautos, die aus einem Zusammenschluss von Dongfeng und und Sokon Motors, kurz DFSK, entstanden ist. Mit dem kompakten Seres 3 gibt es bereits ein Fahrzeug des Herstellers in Europa, bis Anfang 2024 soll nun der größere Seres 5 folgen.

Der große E-Ratgeber

Auf dem Heimatmarkt gibt es den SUV übrigens nicht als reines Elektroauto, sondern nur mit Verbrenner-Range-Extender. Was wir für unsere Probefahrt erhalten, sei ein Vorserien-Modell, sagt man uns bei der Schlüsselübergabe. Ein Schlüssel, dessen Form frappierend an jene eines gewissen Sportwagenherstellers aus Zuffenhausen erinnert.

Kraft auf die Straße

Laut Datenblatt handelt der Top-Seres-5 den Sprint auf 100 km/h in 3,7 Sekunden ab. Ein Zehntel schneller als ein Porsche Carrera GT also. Da keine Mess-Elektronik verbaut ist, muss die körpereigene Sensorik das Urteil besorgen. Der Antritt ist wohl kräftig, das Gesamterlebnis jedoch überraschend maritim. Der Bug hebt sich, als beschleunige man ein Boot. Ähnlich fühlen es die Hände am Lenkrad. Rückmeldung vom Untergrund gibt es kaum; als gleite der SUV über Wasser.

Seres 5 Fahrzeugschlüssel Fahrbericht 2023
Patrick Lang
Ein Porsche-Schlüssel macht noch keine Porsche-Performance. Seine Kraft bringt der Seres 5 nicht überzeugend auf die Straße.

Richtig knifflig wird es allerdings bei der Kurvenfahrt. Schnell fällt die weiche Fahrwerksabstimmung auf, die bei niedrigem Tempo und im Stadtverkehr souverän Verwerfungen schluckt. Geht es aber ums Eck, verlagert der Seres 5 behäbig auf die Außenkante. Am Scheitel Strom geben? Besser nicht zu viel, sonst leistungsuntersteuert sich der Fahrer flugs in die Botanik. Viel von seiner attestierten Kraft bringt der rund gezeichnete SUV nicht auf die Straße. Da dürften in der Fahrwerks-Applikation noch ein paar Arbeitsstunden anfallen, bis das Attribut "sportlich" zu Recht in den Prospekt gedruckt wird.

Die inneren Werte


"Premium" indes darf dort mit gutem Gewissen stehen. Diesen Eindruck zumindest gewinnt man, sobald der Blick durchs Cockpit schweift. Verarbeitung und Materialauswahl muten hochwertig an, Layout und Ergonomie überzeugen. Ein 15,6 Zoll großes mittiges Display stellt mit seinen Abmessungen so manchen Laptop in den Schatten und überzeugt mit knackiger Schärfe. Gleiches gilt für den 12,3 Zoll großen digitalen Instrumenten-Screen hinter dem Lenkrad. Dort visualisiert Seres die Daten der Assistenz-Sensorik als virtuelle Fahrzeugumgebung. Ein Look, der jedem bekannt vorkommt, der schon mal in einem Tesla gesessen hat.

DFSK Seres 5 Fahrbericht 2023
Patrick Lang
Der Verarbeitung ist top, die Sitze sind bequem. Die Bedienlogik des Infotainmentsystems lässt dagegen zu wünschen übrig.


So aufgeräumt und logisch die Instrumente gestaltet sind, so rätselhaft erscheint der Hauptbildschirm. Weil physische Tasten abseits des Lenkrads aus dem Cockpit verbannt wurden, beherbergt das Infotainmentsystem relevante Fahrzeugfunktionen von Klimatisierung über Rekuperationsstufe bis Fahrmodi. Wobei "verbergen" wohl besser passt als "beherbergen". Teilweise liegt das an der holprigen Übersetzung, die beispielsweise das Fahrwerk zum Laufwerk erklärt und immer wieder Worte einer fremden undefinierbaren Sprache in Untermenüs streut. Selbst wenn alle Inhalte fehlerfrei dargestellt würden, sorgt eine Konzentration der Bedien-Logik auf den Touchscreen für unangenehm viel Zeit, in denen der Fahrer kein Auge auf die Straße hat. Im Vorserien-Seres multipliziert sich die Ablenkungsintensität in ungesunde Höhen. Hier muss Technologie-Partner Huawei dringend nachbessern, sonst löst sich das Wohlwollen der potenziellen Kunden so schnell in Luft auf wie der Drehregler für die Innenraum-Temperatur.

Langsamer Lader


Neben dem komfortbetonten Zusammenspiel der Achsen sorgen auch die bequemen Sitze mit Heizung, Belüftung und Massage für angenehmes Reisen auf längerer Strecke. Diese kann laut WLTP-Messung maximal 483 Kilometer lang sein, bis der Seres 5 an den Stecker muss. Der verbaute Lithium-Eisenphosphat-Akku fasst 80 kWh und saugt sich am Schnelllader innerhalb von 45 Minuten von 30 auf 80 Prozent SOC (State of Charge).

Keine Bestmarke für ein Auto, das Premium sein will. Zur Ladeleistung machen die Chinesen bislang keine Angaben, die eingangs erwähnte Konkurrenz von BMW und Audi ist in diesem, für Elektroautos nicht unerheblichen Bereich, allerdings deutlich fitter.

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Fazit

Premium? Schon. Sportlich? Noch nicht ganz. Power ist da, aber das Fahrwerk kommt leider nicht mit. Zudem stört die wenig intuitive Bedienung über das vollgepackte Infotainmentsystem. Ein guter Sprachassistent, aber vor allem eine saubere Adaption auf den europäischen Markt könnten hier helfen. Andernfalls droht Frust.