Englische Luxusautos im Fahrbericht
Schloss gesucht, Auto vorhanden ...

Nichts gegen die ehrwürdigen Parkhallen der Motor Presse Stuttgart, aber wenn du von einem Bentley Flying Spur, einem Range Rover und einem Rolls-Royce Ghost Besuch bekommst, muss Adäquateres her. Wir haben uns mit den drei Luxusautos auf die Suche gemacht.

Rolls-Royce Ghost, Bentley Flying Spur, Range Rover 5.0 V8 SC, Heckansicht
Foto: Hans-Dieter Seufert

Es ist die Stille, die den Unterschied macht. Wenn die Tür des Rolls-Royce Ghost mit dem satten tiefen Ton eines schweren Burgtors schließt, atmet jeder erst mal tief durch. „My car is my castle“, ein reichlich abgewetzter Spruch, der im Innenraum dieser englischen Auto-Hoheit wieder Glanz erhält. Das Luxusrefugium saugt einen auf, und unweigerlich sitzt du gerade und korrekt in den Sitzen, ganz so, als trügest du einen edlen Maßanzug.

Der Fahrer möchte ja den Ansprüchen gerecht werden, die dieses herrschaftliche Interieur unausgesprochen stellt. Schubbert die Jeans zu sehr auf den weißen Sitzen vom Leder glücklicher Alpenkühe? Sind die Hände sauber genug für den frisch polierten Klavierlack? Nur leise klopft im Hinterkopf der Autotester an, der sagt: Komm runter, du sitzt in einem veredelten 7er. Mag sein, aber in was für einem.

Draußen spielt so das Leben einer touristischen Attraktion. Womit noch nicht der Rolls gemeint ist, auch wenn sich viele Neugierige um ihn scharen. Das Ludwigsburger Schloss, ein barocker Prachtbau, lockt die Besucher – und uns. Wir sind mit einem Trio mobilen englischen Hochadels auf Schlosssuche. Halt was Passendes für die drei. Nichts gegen die ehrwürdigen, in frischem Grau gestrichenen Parkhallen der Motor Presse Stuttgart, aber uns gelüstet es nach edlerem Terrain.

Der Ghost weckt den Fahrer in dir

Der Motor des Rolls Royce säuselt an. Eigentlich heißt es ja „springt an“, aber wieso so etwas schreiben, wenn da nichts hüpft? Minimale Vibrationen wie von einem leichten Erdbeben auf einem anderen Kontinent erinnern eher an ein Elektroauto als einen veritablen V12. Was ein Verdienst von Laufruhe und Dämmung zugleich ist. So gerne heute der Stromer als Gipfel aller motorischen Ruhe zitiert wird, in seiner Gesamtheit ist der Rolls mit mehr Stille erfüllt – kiloweise Material sei Dank. Ein E-Motor ist im Vergleich wie eine Funkuhr, deren absolute Präzision selbstverständliche Bedingung ist. Wirkliche Begeisterung kommt aber dann auf, wenn scheinbar altertümliche Mechanik – wie bei edlen Automatikuhren – ungeahnt exakt läuft. 48 Ventile und ein Dutzend Kolben hoch koordiniert. So was bleibt.

Für das Publikum knirschen die Kieselsteine klischeehaft im Schlosshof. Diese Luxusautos leben das Klischee, und das ist auch gut so. Wobei der Rolls die soziale Akzeptanz am meisten kitzelt. Er spielt mit dem Neid, und sein Chauffeur muss diesen auch aushalten können: „Der isch zu teuer.“ Korrekt. Exakt 265.251 Euro. Dafür bekommst du gleich zwei Range Rover.

Die eher kutschenartig gestaltete Fondbank – Bank darf im edelsten Sinne wörtlich genommen werden – haben wir fast ignoriert. Der Ghost weckt wie kein Rolls-Royce vor ihm den Selbstfahrer in dir: direkteres Handling – wenn man davon sprechen möchte – und immense Leistung als Motivatoren. Wenn die Kolben aus dem Münchner Motorenwerk richtig angeheizt werden, geriert sich der Ghost so gar nicht nach alter Sitte. Dann ditscht die Leistungsanzeige kurz auf die 100-Prozent-Marke, und der Biturbo stürmt gedämpft und sich sanft wiegend unter fünf Sekunden auf Tempo 100. Früher war das mal ein Wert, der Supersportwagen auszeichnete, heute ist es ein Kinderspiel für den bayerischen Briten.

„Mühelose Leistungsentfaltung, das ist das, was unsere Kunden wünschen“, sagte unlängst Bentley-Chef Wolfgang Schreiber zum Autor. Im Ghost bekommen sie es, im Bentley Flying Spur noch mehr. Es mögen in dieser Klasse unbedeutende Zahlenspielereien sein, doch der frisch erstarkte Bentley packt auf die 570 PS seines ehemaligen Bruders noch mal 55 PS drauf. Diese 55 entsprechen fast der Leistung eines VW Up, seines kleinen Cousins. Was kein Affront, sondern sympathisch ist.

Bentley Flying Spur – Das Erbe der Bentley Boys

Beschleunigen beide, darf sich der Fahrer den Unterschied wie zwischen Tornado-Düsenjet und Cessna vorstellen. Wenn der in seiner Konstruktion so einzigartig verschränkte W12-Kraftwürfel Luft holt, bekommt der Up-Fahrer Angst, dass der kleine Dreizylinder-Flitzer im Ansaugschacht hängen bleibt wie ein Stück Roastbeef zwischen den Zähnen. Doch vom Wolfsburger Mini ist weit und breit keine Spur, und der Range wie der Rolls lassen den Allradler auf dem Weg zum nächsten Schloss bereitwillig ziehen. Zur Einordnung der Kräfteverhältnisse ein Vergleich: Ein BMW M5 nimmt dem Bentley nur 0,2 Sekunden auf 100 km/h ab und schafft nicht dessen maximal 322 km/h. Ein kleines Detail hat der Bentley Flying Spur zudem mit seinem sportlichen Konzernverwandten Porsche gemein: Das Zündschloss sitzt links.

Schließlich hat die 5,30-Meter-Limousine aus Crewe die Geschichte der Bentley Boys und ihrer sportlichen Siege in den 1920ern zu verteidigen. So ein Erbe ist existenzielles Kapital in der imagegetriebenen Luxuswelt. Also darf er auch einen Hauch kerniger röhren, obwohl die Neuauflage leiser geworden sein soll. Zum Glück ist sie immer noch laut genug für eine Gänsehaut auf den Unterarmen, auch wenn sie damit nicht so überraschend offen kokettiert wie seine V8-Brüder.

Da passt es gut, dass wir gerade das alte Schloss in Stuttgart passieren, eine in Teilen über 1.000 Jahre alte Festung, die mit ihrem soliden, unprätentiösen Charme besser zum Bentley als zum eher filigranen Rolls passt. Moment. Filigran? Der Rolls? Hat da jemand am Champagner aus dem Fondabteil genippt? Don’t drink and drive! Es sind die fragilen Teile des Interieurs, wie das daumendünne Lenkrad, die feinen Uhrenzeiger und die zierlichen Hebel, die diesen Eindruck erwecken. Dagegen wirkt der Bentley wuchtiger und monolithischer – sowohl innen wie außen. Der Bentley Flying Spur feiert – Verzeihung – eine großflächige Orgie in Leder, Holz und poliertem Metall. Wieder klopft der Autotester im Hinterkopf: Das ist doch nur die High-End-Version eines VW Phaeton? Mag sein, aber was für eine.

Luxusautos bieten auch viel Lust am Fahren

600 neue Teile hat die Modellpflege dem schweren Herrenzimmer unter den Limousinen beschert. Im Fond rechts, wo bekanntlich der Chef sitzt, ließe sich Platz nehmen. Doch der Autor schafft es wieder nicht nach hinten. Beim Flirt zwischen standesgemäßer Beförderung und immenser Kraft gewinnt eben die Lust am Fahren.

Wobei dich so ein Bentley nicht hetzt wie ein getunter GTI. Er wiegt dich mamasanft durch die Welt, und du fragst dich nur, ob da nicht einer die kleinen blauen Kilometerschilder auf der Autobahn viel zu eng aufgestellt hat. Was übrigens fast dazu geführt hätte, dass wir bei unserer kleinen Schlössertour die Autobahnausfahrt Richtung Langenburg verpasst hätten. Ein hübsches Landschloss im Hohenlohischen. Einige Autofans kennen es wahrscheinlich wegen des Deutschen Automuseums. Eine kleine, aber liebevoll gestaltete Autoschau, die mit Mottoausstellungen wie „Menschen, Autos und Geschichten“ lockt.

Scrollen Sie jetzt ruhig noch mal auf das Titelbild: Ungeachtet des tollen Schlossblicks – wer ist da der Erste am goldverzierten Tor? Genau, der Range Rover. Der Kleinste bei Leistung und Raumangebot, aber der Erste „in the countryside“. Das darf sehr wörtlich genommen werden. Auf einem ernsthaft schlammigen, steilen Berganstieg würde der hinterradgetriebene Rolls sehr früh, der Bentley deutlich später und der Range Rover gar nicht kapitulieren.

Was freilich immer noch eine Frage des richtigen Schuhwerks ist. Mit seinen 255er- Hochtempo-Pneus könnte auch der High-tech-Allradantrieb trotz aller All-Terrain-Computersteuerung in die Bredouille kommen. Aber unterschätzen Sie den Range nicht, selbst wenn er sich sonst vor irgendwelchen Luxusboutiquen langweilt: Es gibt kaum einen talentierteren Kraxler auf der Welt als ihn.

Range Rover – Einer der besten Geländewagen

Was aber eher eine hypothetische Sache ist, geht es hier doch vielmehr um das „Ich könnte, wenn ich müsste“. Trotz allem Luxus strahlt der Range immer noch eine Unverwüstlichkeit wie sein Opa Land Rover Defender aus. Nein, dieses Mal klopft kein Autotester im Hinterkopf an. Mit dem Defender hat der Range so viel zu tun wie ein Abakus mit einem Smartphone. Hier auf dem Gelände von Schloss Langenburg knirscht zudem nicht mal der Kies. Grob gepflastert geht es rein in den mittelalterlichen Innenhof, und beim Abrollen zeigt sich der Range sanft wie das Fell eines fetten Highland-Schafs. Aus dem übrigens die Fußmatten im Ghost gemacht werden.

Die hohe Sitzposition des Edelkraxlers vermittelt sogar mehr Herrschaftlichkeit als seine Limousinen-Landsmänner. Beim Lenken wirkt das Fünf-Meter-Schiff leichtfüßiger als diese. Was weniger an dem mehr als 100 Kilogramm geringeren Gewicht der Alukarosse liegt als an der üppigen Servounterstützung. Land-Rover-Chefabstimmer Mike Cross bevorzugt die besonders kraftarme Art zu steuern. So holt sich auch die Lady des Schlosses kein Muskelkaterchen auf einer Serpentinenstrecke. Vielleicht ist sie ja auf dem Weg zu einem Picknick. Sie wissen ja, dieses Rosamunde-Pilcher-Bild: Lady auf der Decke, und Lord sitzt lässig im Schotten-Tweed mit englischer Mütze und Pfeife auf der klappbaren Heckpritsche.

Leichtfüßiges Schwergewicht

Schlimm „old fashioned“ und inzwischen nicht mehr passend für dieses herrliche Stück Brit-Mobil, das unter der Haube einen gar nicht kitschigen V8 verbirgt. Ein mächtiges Kompressoraggregat, das jetzt auf 510 PS erstarkt ist. Von allen drei Motoren vermittelt es die größte Emotion. Zwölfzylinder neigen im Teillastbereich zu einer gewissen Langweile. Alles schnurrt und läuft, aber nichts kitzelt dein Zwerchfell, während der Achtzylinder leise blubbert. Großartig.

Dazu geht der Luxus-SUV besser, als es jede Straßenverkehrsordnung jemals vorgesehen hat. Im Range entwickelt der Fahrer die größte Gelassenheit, was eine der schönsten Formen gefühlten Luxus ist. Es ist Zeit, den Schlosshof wieder zu verlassen – so ein Bau wäre mir von den Unterhaltskosten eh zu teuer.

Technische Daten
Bentley Flying Spur W12 Range Rover 5.0 V8 SC VogueRolls-Royce Ghost
Grundpreis197.302 €119.100 €265.251 €
Außenmaße5299 x 1924 x 1488 mm4999 x 1983 x 1835 mm5399 x 1948 x 1550 mm
Kofferraumvolumen475 l909 bis 2030 l490 l
Hubraum / Motor5998 cm³ / 12-Zylinder5000 cm³ / 8-Zylinder6592 cm³ / 12-Zylinder
Leistung460 kW / 625 PS bei 6000 U/min375 kW / 510 PS bei 6000 U/min420 kW / 571 PS bei 5250 U/min
Höchstgeschwindigkeit320 km/h225 km/h250 km/h
Verbrauch14,7 l/100 km12,8 l/100 km13,6 l/100 km
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AUTO MOTOR UND SPORT 11 / 2024
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Erscheinungsdatum 08.05.2024

148 Seiten