Fahrbericht Jaguar XJ 3.0 AWD
Britischer Schneekönig

Der Jaguar XJ 3.0 AWD mit Allradantrieb steht da und läuft sich warm. Zum neuen Modelljahr treibt sein Kompressor-Triebwerk nun zwei Achsen an. Was tun: brav ins Büro fahren oder ab in den Schnee?

Jaguar XJ 3.0 AWD, Frontansicht, Driften
Foto: Hans-Dieter Seufert

Na, auch die Schnauze voll? Keine Lust auf Büro-Tirila, Papierkram, E-Mail-Terror und Kantine? Morgens um sieben ist die Welt eben noch nicht in Ordnung. Der Kaffee kippt gefühlt intravenös direkt in die linke Herzkammer, die Aktentasche zieht schwer wie eine Bleibatterie an den müden Armen, die Krawatte zwickt wie eine Schlauchschelle, und der Blick durchs Fenster auf klirrende, aber schneelose Dezember-Kälte lässt das Gemüt auch nicht gerade Rallye fahren.

Jaguar XJ 3.0 V6 AWD, der noble Allradler

Ein Jaguar XJ friert draußen auf der Straße. Drei silberne Lettern am Heck differenzieren ihn neuerdings von seinen Brüdern: AWD – All Wheel Drive. Die Allrad-Lizenz für den großen Traktionssport auf Nässe oder besser Schnee. Kopfkino an: In Gedanken fegt der britische Luxusliner den Kaffeedampf weg und mannshohe Schneefontänen übers extravagante Heck. Das Ganze lustvoll mit wirbelnden Aktenblättern vorgestellt, hat was äußerst Befreiendes. Das Auto als mobiles sitzbeheiztes Refugium des 21. Jahrhunderts. Soundsystem an – übrigens von der englischen Nobelmarke Meridian – und los.

Jaguar XJ ist kein Handlingswunder

Doch, finden wir den Fehler: Hier liegt kein Schnee, den müssten der Jaguar XJ 3.0 AWD und ich erst suchen. Also Kopfkino aus, Aktentasche in die Hand und doch brav ins Büro getappt? Nein, Tagträume können äußerst hartnäckig sein. Welcher Autofan würde nicht gern „Bin dann mal weg“ in seine E-Mail-Abwesenheitsnotiz schreiben und statt mit dem Bürostuhl über den fleckigen Filzteppich mit dem geliebten Wagen durch die fette Flockenpracht driften? Ob es auch das Erste ist, was typischen Jaguar-Chauffeuren in den Sinn kommt? Eher nicht. Aber müssen wir nicht alle durch einen Paradigmenwechsel? Pfeife, Schottenkaro & Co. sind ja so 1990.

Nun gut, die Hoffnung auf Schnee ist vage, aber sie nährt nun mal, Ernst Bloch frei zitiert, den Menschen. Doch wir wollen Spaß, um mit Sänger Markus – einem in puncto Auto mindestens ebenso wichtigen Philosophen – zu sprechen. Bei Tempo 210 rennt der Jaguar XJ entspannt im letzten Gang des neuen achtstufigen ZF-Automaten, und das nagelneue Sechszylinder-Kompressoraggregat singt wohlig irgendwo bei 4.000 Touren. Gangwechsel huschen in zwei Zehntelsekunden vorbei, die Motorenstimme klingt sanft und sonor, und gegen ein majestätisches Erhabenheitsgefühl auf den kuscheligen Rindsledersesseln hinter dem Katzenlogo-Volant kann und will man sich nicht wehren. My car is my castle – ein wenig ausladend und indifferent um die Mittellage lenkt er sich ja schon. Aber welche Burg mag schon schnelle Richtungswechsel?

Wo fahren wir eigentlich hin? Den Kampf mit dem erneuerten Touchscreen-Navisystem des Jaguar XJ möchte ich mangels früherer Erfahrungen noch nicht intensivieren. Selbst wenn ein nicht minder wichtiger Autophilosoph – Herbert Feuerstein – mal verkündete, dass er sich deshalb immer wieder Jags kaufe, weil er sich bei der Bedienung nicht umgewöhnen müsse. Er war mal Chefredakteur des Satire-Magazins „Mad“.

V6-Kompressor schiebt mächtig an

Das Dreiliter-Alu-Aggregat im Jaguar XJ versüßt die Suche. In einer Zeit, in der fast alle nur noch in Turbogewalt schwelgen und den Kompressor mit seinen Schleppverlusten in die CO2-Hölle wünschen, legt er eine mechanische Roots-Brücke über das Laderloch und spricht schon aus dem Drehzahlkeller blitzartig wie ein Bürohengst auf eine Gehaltserhöhung an. Das Spiel mit dem rechten Pedal wird zum Sinneskitzel. Feiste 450 Nm Drehmoment zwischen 3.500 und 5.000 Touren zerren an weniger als 1,9 Tonnen – vor allem Alu. Wir erinnern uns: Für so viel Dampf brauchte Jaguar noch in den Achtzigern zwei Sechszylinderbänke im 60-Grad-Winkel und einen Mechaniker im Kofferraum.

As time goes by – keiner muss sich heute mehr ernsthaft um die Zuverlässigkeit eines Jaguar XJ sorgen, das Thema Schnee ist jedoch noch nicht ausgestanden. In den Wäldern liegt nur kalter Puderzucker, der selbst für abgefahrene Sommerreifen nichts Aufregendes wäre. Hinter einer Lichtung brennt ein Lagerfeuer. Eine Mischung aus Alm-Öhi und Weihnachtsmann bietet uns am Feuer freundlich einen Kakao mit Rum an. Ich verzichte auf den Schuss und verweise auf den Kick des V6. Mein Anzug stinkt inzwischen wie ein Auspuffrohr, meine Füße imitieren einen Frontkühler, aber meine Laune kommt auf Temperatur. „Noch zehn Minuten bis zum Schnee“, verrät der Alm-Öhi.

Recht hat er. Ewige Sekunden bis zum Klick, dann wirft der Jaguar XJ 3.0 AWD endlich die ESP-Fesseln von seinen Rädern und schmiert mit dem Heck ab ins Winter-Wonderland. Wie mit einem Race-Carving-Ski lässt sich der Driftwinkel feinfühlig übers Gas einstellen. Ein feiner Antrieb V6 wie AWD. Okay, etwas Platz sollte schon vorhanden sein. Diese fünf Meter britischer Herrlichkeit verlangen Respekt vor den Begrenzungen winterlicher Straßen. Endlich stiebt der Schnee hoch und fetzt gegen die Seitenscheibe. Sehen Sie das Grinsen? Man sollte öfter mal weg sein.

Neues Allradsystem im XJ und XF

Wer sich den Kern des neuen Jaguar-Allradantriebs, das Mittendifferenzial genau anschaut, entdeckt eine große Ähnlichkeit zum BMW x-Drive. Auch dort liefert Magna Steyr das Verteilergetriebe mit Lamellenkupplung zu.

Im Gegensatz zum fahrdynamischer ausgelegten BMW-System kuriert der Jaguar XJ 3.0 AWD Unter- und Übersteuerprobleme aber in erster Linie mittels ESP. Der XJ-Allradantrieb versteht sich eher als schneller Traktionsverbesserer, schon bei der Andeutung von Schlupfverlust. Drei Fahrprogramme beherrscht der Jaguar XJ 3.0 AWD: Im Normalmodus bei trockener Fahrbahn wandert nur beim Anfahren unter zehn km/h zehn Prozent der Kraft an die Vorderräder. Das bleibt auch in Stellung Dynamik so, die Gas- und Gangverwaltung wird aber schärfer. Im Wintermodus sind es in der Basis 30 Prozent; je nach Schlupf werden in jeder Betriebsart bis zu 50 Prozent der Kraft an die Vorderachse geleitet.

Für die Unterbringung des Allradantriebs wurden der vordere Hilfsrahmen modifiziert, neue Motoraufhängungen installiert, der Auspuffstrang neu verlegt und die Kardanwelle angepasst.

Technische Daten
Jaguar XJ 3.0 V6 AWD Premium Luxury
Grundpreis92.700 €
Außenmaße5127 x 1899 x 1448 mm
Kofferraumvolumen520 l
Hubraum / Motor2995 cm³ / 6-Zylinder
Leistung250 kW / 340 PS bei 6500 U/min
Höchstgeschwindigkeit250 km/h
Verbrauch9,9 l/100 km