Lada Vesta im Fahrbericht
Kompaktklasse auf Russisch

Der erste Lada der Neuzeit, mit dem nicht nur Ostalgiker angesprochen werden, heißt Vesta. Wir waren mit der russischen Kompaktklasse auf Testfahrt.

Nur zur Erinnerung: Das bis heute meistverkaufte Lada-Modell in Deutschland, der Niva, feierte 1978 Premiere. Das beschreibt relativ deutlich das Dilemma, in dem sich Lada nicht nur auf westlichen Märkten befindet. Auch im Heimatland kam der größte russische Autoproduzent zuletzt arg unter die Räder. Mit dem Einstieg von Renault-Nissan haben sich allerdings die Voraussetzungen und auch die Kapitaldecke verbessert, und das Management drückte den Reset-Knopf.

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Nach dem Neustart, sagt Chefdesigner Steve Mattin, stand er vor einem weißen Blatt Papier. Damit begründet der Brite auch, warum er nach Führungsjobs bei Mercedes (unter anderem Mercedes M-Klasse) und Volvo (V60, XC60) ausgerechnet die Herausforderung in Russland suchte: Eine Marke von Grund auf neu zu entwickeln reizte ihn sehr, für einen Autodesigner sei das die Chance seines Lebens, so Mattin im Gespräch.

Das erste Ergebnis ist eben dieser Lada Vesta, der sich in seinem ersten Produktionsjahr in Russland zum Verkaufserfolg entwickelte, aktuell hält er dort Platz drei der Zulassungsstatistik. Und ab sofort soll der Vesta nun auch deutsche Kunden von neuen Lada-Qualitäten überzeugen.

Lada Vesta Limousine
Lada
Die Ausstattung ist bereits beim Basismodell recht anständig.

Lada Vesta ist komplette Eigenentwicklung

Statt mit stark angejahrter Technik zu Dumpingpreisen auf schmerzfreie Käufer zu hoffen, wurde der Vesta komplett neu konzipiert. Dabei griff Lada bewusst nicht zu einer bestehenden Plattform aus dem Renault-Regal, sondern entwickelte eine eigene, auf der in naher Zukunft weitere neue Lada-Modelle aufbauen werden. Ebenso ein Eigengewächs ist der Euro-6-Benziner, ein klassischer Saugmotor mit 106 PS Maximalleistung.

Die Formensprache des Vesta wird es künftig bei allen neuen Lada-Modellen zu besichtigen geben. Wichtigstes Merkmal ist die Front mit dem zum X stilisierten Verbund aus Kühlergrill und Lampeneinfassungen, diese Form soll von den ungewöhnlichen Einbuchtungen in den Seitenteilen aufgegriffen werden.

Wandel nicht nur in der äußeren Gestaltung, der Erstkontakt mit dem Innenleben des neuen Vesta zeigt ebenfalls die Abkehr vom rustikalen Schick früherer Lada-Modelle. Zweckmäßig-robust das Cockpit, problemfrei die Bedienung, das könnte auch ein Japaner des unteren Preissegments sein. Zumal die Ausstattung schon in der Basisvariante (12.490 Euro) überraschend großzügig daherkommt – Klimaanlage, Bordcomputer, Sitzheizung, Parksensoren, Freisprecheinrichtung und Tempomat wollen bei anderen Modellen in dieser Kostenklasse extra bezahlt werden.

Keine modernen Assistenzsysteme

Bei den Assistenzsystemen beschränkt sich der Lada Vesta auf die aktuellen Zulassungsvorschriften (ESP, Bremsassistent, Reifendruck-Kontrollsystem), weitergehende Sicherheitssysteme wie Abstandsregelung oder Spurhaltesystem sind bis auf weiteres nicht vorgesehen. Bei der ersten Testfahrt trat der Lada Vesta in seiner Topausstattung (Luxus, plus 1.000,- Euro) an, mit der außerdem Frontscheibenheizung, ein Multimediasystem mit Rückfahrkamera sowie eine Klimaautomatik mit auf Reisen gehen.

Lada Vesta Cross Concept
Lada
Die Kombiversion ist für 2018 angekündigt und wird dem Cross Concept entsprechen.

Ein weiteres Options-Extra hatte der Test-Vesta ebenfalls an Bord, die Automatisierung des Fünfgang-Schaltgetriebes. Diese 760 Euro Aufpreis sind jedoch, das steht schon nach wenigen Metern fest, eher schlecht angelegt. Tatsächlich kann das automatisierte Schaltgetriebe nur Menschen mit Handicap oder einer mental begründeten Abneigung gegen Kupplungspedale empfohlen werden. Denn es ist ein Ausflug in eine Getriebevergangenheit, die man gerne vergessen hätte – der erste Smart sei hier ins Gedächtnis gerufen. Beschleunigen, nicken, warten, beschleunigen – die Schaltvorgänge ziehen sich gefühlt über Minuten. Und nachdem der brave Benziner kein Drehmomentmonster ist, wird oft geschaltet.

Immerhin raubt das elektronisch gesteuerte Schaltgetriebe im Vergleich zu einer Wandlerautomatik keine Kraft, sodass der Vesta klassenüblich aus dem Startblock kommt. Dass der Standard-Nullhundert-Sprint mit dem handgeschalteten Getriebe dennoch eine Sekunde schneller gelingt, verdeutlicht die Gähn-Pausen bei den Schaltvorgängen jedoch auch per Datenblatt.

Vesta mit nur einem Standardmotor

Die angebotenen 106 PS sind in diesem Preissegment in Ordnung, stehen aber ohnehin nicht zur Debatte, es wird auf absehbare Zeit nur diesen einen Motor geben. Ein stärkerer 1,8-Liter ist in Entwicklung, ein Diesel nicht geplant. Letzterer rechnet sich nicht angesichts der Stückzahlen in Westeuropa, auf anderen Märkten sind Selbstzünder in kompakten Pkw kein Thema. Die Maschine, ebenfalls eine Lada-Entwicklung und nicht aus dem Renault-Regal, arbeitet hinreichend kultiviert und geht so voran, wie 106 Sauger-PS bei rund 1,2 Tonnen Leergewicht eben vorangehen. Keine Wanderdüne, aber auch kein Ampel-Protz. Eine brauchbare Alltagsmotorisierung, die für längere Autobahnetappen ausreicht, zumal der Vesta auch bei höherem Tempo relativ gut gedämmt wirkt.

Im Hinblick auf das Fahrverhalten sollte das Preisschild im Hinterkopf behalten werden. Kleine Unebenheiten lassen das Fahrwerk etwas ratlos auf die Passagiere einstößeln, dafür kommt es mit gröberen Unebenheiten gut zurecht. Bahnübergänge, Speedbumps, Schlaglöcher lassen den Vesta, der zielgerichtet für die teils kuriosen russischen Straßenverhältnisse entwickelt wurde, ziemlich unbeeindruckt. Zu diesem Entwicklungs-Hintergrund zählt auch die überraschende Bodenfreiheit, sie liegt mit 18 Zentimeter jenseits manchem modernen SUV. Die Lenkung ist zwar recht direkt übersetzt, dafür allerdings nahezu rückmeldungsfrei und schwergängig. Was eventuell Sportlichkeit simulieren soll, im Lada Vesta aber nicht recht gelingen will.

Die Platzverhältnisse im Lada Vesta gefallen vor allem in der Innenraumbreite, wo sich die Passagiere nicht zu nahe kommen. Auf den Rücksitzen ist für Erwachsene ausreichend Beinfreiheit vorhanden, nur über dem Scheitel wird es eng. Der Kofferraum mit 480 Liter Standardvolumen bietet im Kellerabteil einem vollwertigen Ersatzrad Platz und kann mit den asymetrisch umklappbaren Rücksitzlehnen üppig erweitert werden.

Der deutsche Lada-Importeur hat mit dem Vesta Großes vor, 2017 soll er helfen, die Absatzzahlen des Vorjahres zu verdoppeln und erstmals seit Jahrzehnten den Niva als meistverkauftes Modell ablösen. Das ist angesichts der Karosserieform ambitioniert. Deutschland ist Ladeklappen-Land, Stufenheck-Limousinen in der Kompaktklasse erfreuen sich dagegen einer ausgesprochen überschaubaren Nachfrage. Besser wird das allerdings im kommenden Jahr. Dann steht die Kombi-Version des Vesta zur Verfügung, die optisch ziemlich exakt dem 2015 gezeigten Vesta Cross Concept (siehe Bildergalerie) entsprechen wird. Inklusive der momentan schwer angesagten Crossover-Optik.

Fazit

Mit dem Vesta ist es Lada gelungen, das prähistorische Modellangebot in die Moderne zu katapultieren. Das Design ist tageslichttauglich, die Ausstattung großzügig, Fahrverhalten und Leistung entsprechen den Anschaffungskosten. Als Stufenheck-Limousine wird er es in Deutschland nicht leicht haben, der kommende Kombi verspricht dagegen mehr Ärger für die Konkurrenz im Niedrigpreis-Segment.

Technische Daten
Lada Vesta 1.6 Norma
Grundpreis13.150 €
Außenmaße4410 x 1764 x 1497 mm
Kofferraumvolumen480 l
Hubraum / Motor1596 cm³ / 4-Zylinder
Leistung78 kW / 106 PS bei 5800 U/min
Höchstgeschwindigkeit180 km/h
Verbrauch6,1 l/100 km