Lamborghini Huracán LP 580-2 im Fahrbericht
Mit Heckantrieb macht er endlich richtig Spaß!

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V10-Saugmotor mit 580 PS, weniger Gewicht, Hinterradantrieb – es gibt viele Gründe, dem winterlichen Deutschland zu entfliehen. Wir waren mit dem Lamborghini Huracán LP 580-2 auf der Rennstrecke.

Lamborghini Huracán LP 580-2, Fahrbericht, Katar, 12/2015
Foto: Ingo Barenschee

Da wollte sich aber einer hundertprozentig sicher sein, dass kein Regen, Eis oder Schnee der Querdynamik in die Quere kommt. Wir hätten uns mit dir auch in Finnland getroffen, lieber Lamborghini Huracán LP 580-2. Schmale Rallye-Reifen mit Schweden-Spikes aufziehen und dann „Attacke“, das wär’s doch mal gewesen!

Das ist der Lamborghini für Driftfans

Doch die Driftwinkel bei 21 Grad Celsius auf der Wüstenrennstrecke „Losail International Circuit“ fallen nicht minder exzessiv aus, als sie in der verschneiten Heimat von Santa Claus hätten sein können. 20 Kilometer vor den Toren von Qatars Hauptstadt Doha präsentiert Lamborghini ein verfrühtes Weihnachtsgeschenk für alle Driftfans – die hinterradangetriebene Version seines Mittelmotorsportlers Huracán.

25 Cent für den Liter Sprit, Huracán-Tür öffnen und nix wie rein ins hochoktanige Paradies. Dann das rote Kläppchen auf der Mittelkonsole anheben und den Startknopf drücken. Die Startprozedur des Neulings gleicht, genauso wie das Interieur, seinem allradangetriebenen Modellbruder. Wer den Huracán-Hecktriebler von außen erkennen will, muss schon ganz genau hinschauen.

Das keilförmige Karosseriekleid versahen die Designer sowohl an den vorderen Lufteinlässen als auch an der Heckschürze mit kleinen Modifikationen, welche die Huracán-Gesichtszüge noch markanter wirken lassen. An der Akustik des V10 gab es keinen Änderungsbedarf. Ähnlich emotional raunend flutet hier der Zehnzylinder-Beat den Gehörgang, und das, obwohl beim Wechsel des Antriebskonzepts aus 610 nun 580 PS geworden sind.

Lamborghini Huracán LP 580-2 leistet 30 PS weniger

Ja, warum eigentlich nicht LP 610-2, sondern LP 580-2? LP steht natürlich wie immer Lambo-typisch für „longitudinale posteriore“, also übersetzt „hinten längs“, für die Einbaulage des Mittelmotor-V10. Wie in seinem Allradbruder schöpft der Hochdrehzahl-Saugmotor seine Bärenkraft aus 5,2 Litern Hubraum. „610 PS hätten zu viel Schlupf bedeutet, und wir wollten das ganze Konzept ja auch fahrbar auslegen“, erklärt Maurizio Reggiani, Entwicklungschef von Lamborghini, und fügt hinzu: „Der 4WD ist ganz klar unser Performance-Auto und dem Heckantrieb überlegen, Punkt! Der 2WD ist unser Fun-Gerät.“ Es sollen also erst gar keine Zweifel aufkommen, wer der stärkste Stier im Huracán-Stall ist.

Weniger Leistung, dafür aber leichter: Mit Hinterradantrieb soll der Huracán 33 Kilo weniger wiegen als die Allradversion und auf ein Gewicht von 1.389 Kilo kommen. Damit wiegt der neue Huracán immerhin nur neun Kilo mehr als sein hinterradangetriebener Vorgänger Gallardo LP 550-2, der zunächst als Sondermodell „Valentino Balboni“ 2009 auf den Markt kam und noch ein manuelles Sechsganggetriebe trug. Heute muss man sich ja leider schon freuen, wenn ein Auto nicht plötzlich 50 oder 100 Kilo schwerer wird.

Man darf außerdem nicht vergessen, dass der Huracán LP 580-2 ausschließlich mit dem gegenüber einem manuellen Getriebe traditionell etwas schwereren Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe an den Start geht. Das manuelle Getriebe hatten die Italiener schon beim Modellwechsel von Gallardo zu Huracán in Rente geschickt. Grund: eine zu geringe Nachfrage, leider.

Vorläufiger Purismus-König

Doch auch ohne den Tanz auf der Kupplung und das metallische Klacken der legendären offenen Schaltkulisse krönt sich der 580-2 zum vorläufigen Purismus-König der Huracán-Baureihe, mal abgesehen von seinen Rennsport-Brüdern Super Trofeo oder dem GT3-Modell, bei denen die Antriebskraft ebenfalls nur an die Hinterachse geleitet wird.

Vorläufiger Purismus-König deshalb, weil sie bei Lambo ja derzeit schon zyklustypisch wieder an der Extremversion Superleggera arbeiten, die aber wieder mit Allradantrieb über die Ideallinie peitschen wird.

Einführungsrunde absolviert, runterschalten, jetzt wird es ernst. Der V10-Sauger hängt auch hier ähnlich aufgeweckt am Gaspedal und dreht herzerfrischend hoch. Nur Spaßverderber wollen einen Unterschied erkennen und mosern über die Höchstdrehzahl des Zehnzylinders, der nun nicht mehr bis 8.250/min dreht, sondern „nur“ noch bis 8.000 Touren jubiliert. „Strada ist unser Ultra-Save-
Modus und leicht untersteuernd abgestimmt“, hatte Reggiani vor den ersten heißen Runden gesagt. Stimmt! Wechsel des Fahrmodus von „Strada“ nach „Sport“.

Der Huracán LP 580-2 hat einen „Spaßmodus“

Anbremsen, Einlenken und ab dem Scheitelpunkt leicht übersteuernd herausbeschleunigen. Traditionell ist der Sportmodus auch hier der Spaßmodus, ohne dabei die elektronischen Zügel namens ESC komplett zu de-aktivieren. Die Regeleingriffe erfolgen jedoch aus Sportfahrersicht erst angenehm spät.

„Im Corsa-Modus verhält sich der Wagen dann wieder neutraler“, beschreibt Reggiani den letzten der drei Fahrmodi, die über den Schalter am Lenkrad gewechselt werden. Und wie fällt der Vergleich zwischen Hinterrad- und Allradantrieb aus? Auch wer kein ausgewiesener Feingeist unter den Sportfahrern ist, wird sofort merken, dass der 580-2 hecklastiger ausgelegt ist als der 610-4. Genauer: Die Gewichtsverteilung von vormals 43:57 Prozent liegt nun bei rund 40:60 Prozent.

Tendenziell ist der Allrad-Huracán immer leicht untersteuernd ausgelegt. Das Einlenkverhalten wirkt im Hecktriebler nun noch etwas unverblümter und spontaner. Auf Lastwechsel spricht der LP 580-2 deutlich feinfühliger an und kann über das Spiel am Gaspedal perfekt für den Kurvenverlauf ausgerichtet werden.

Und unter Last und ohne ESP? „Power-Oversteering ist manchmal ein schwer beherrschbares Phänomen“, sagt der Entwicklungschef lächelnd. Anders bei der Lamborghini-Neuentwicklung – das Heck des „Fünf-Achtzig-Zwo“ drückt unter Last stets erfrischend mit. Mit qualmendem Schlupf gen Drehzahlbegrenzer jagen und dann lässig mit einem Zupfer an der rechten Schaltwippe das Drifterlebnis in die nächsthöhere Dimension befördern – kein Problem, der 580-2 lässt sich verhältnismäßig einfach driften.

„Wir haben die Elastokinematik angepasst. Der Stabi und die Federn an der Vorderachse sind jetzt weicher ausgelegt und hinten dementsprechend härter. Außerdem nutzen wir steifere Buchsen“, beschreibt Entwicklungschef Reggiani die Fahrwerksmodifikationen, die für den Hinterradantrieb nötig waren. Für die zahlreichen tiefschwarzen Striche auf der Wüstenrennstrecke ist nun außerdem ein neue Reifengeneration des Pirelli P Zero verantwortlich.

Wird der Huracán zum Mittelmotor-Biest?

Auch wenn der neueste Huracán mit seinem Antriebskonzept unweigerlich an die Autoquartett-Helden der Lamborghini-Geschichte namens Miura, Countach oder Diablo erinnert, ist der aktuelle Hecktriebler kein Mittelmotor-Biest mit zickigem bis boshaftem Fahrverhalten geworden. Etwas verantwortungsvoller sollte man nun mit dem Gaspedal jedoch umgehen, vor allem wenn der Stier ohne ESP mit den Hufen scharrt. Aber ein wildes Tier, das man an den Hörnern packen, mit dem man schweißtreibend kämpfen muss, ist der Huracán 580-2 definitiv nicht geworden.

Klingt doch nach dem perfekten Weihnachtsgeschenk, oder? Aber sicher, wenn auch kein ganz billiges: 178.500 Euro kostet der
LP 580-2 – immerhin 23.205 Euro weniger als sein Allradbruder 610-4.