Leichtbau bei Sportwagen
Caterham Seven 165 trifft Nissan 370Z

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Wie viel weniger ist tatsächlich mehr? Kann sich ein Sportwagen wirklich über ein möglichst geringes Gewicht allein definieren? Und spielt der Antrieb dann nur eine untergeordnete Rolle? Eine rein emotional geführte Grundsatzdebatte rund um den nur 490 Kilogramm leichten, gerade einmal 80 PS starken Caterham Seven 165 und den Nissan 370Z mit 328 PS.

Caterham Seven 165, Nissan 370Z, Jens Dralle
Foto: Achim Hartmann

Auf einmal ist alles anders. Die Kupplung rückt ein, ein bisschen zu hastig vielleicht, selbstbewusst trompetet der Motor durch den seitlichen Auspuff, die Nadel des Drehzahlmessers schnellt nach oben, der Kopf des Piloten nach hinten. 7.000 Umdrehungen, zack, der nächste Gang, ein bisschen kratzig lässt er sich einlegen, doch der Schaltweg ist beinahe schon nicht mehr in Millimetern zu messen – die nächstkleinere Einheit wäre angebracht.

Caterham Seven 165 mit 80 PS bei 490 Kilo

Das Beschleunigungserlebnis zählt zu den wildesten seiner Art, denn das Auto, in dem du regelrecht feststeckst, bietet nur minimalen Schutz, setzt dich so nahezu unmittelbar der Umwelt aus, lässt sie dich fühlen, hören, riechen, während du hart arbeitest. Die Lenkung: ultradirekt. Der Federungskomfort: steckt in allen anderen Fahrzeugen. Die Pedale: stehen eng beieinander, als wären sie eines, und bewegen sich eher unnachgiebig.

Und es geht vorwärts, jederzeit, immer wieder, immer schnell. Wie auch immer der Roadster gedenkt, sich zu verhalten, er lässt es dich spüren, denn du sitzt ziemlich genau zwischen den Antriebsrädern. Sie sind nicht breit, nicht mit Semi-Slicks bestückt, noch nicht einmal mit besonders talentierten 14 Zoll großen Sportreifen, doch es reicht. Denn der Motor hat nur 658 cm3. Nur 80 PS. Nur 107 Newtonmeter – und dennoch ist alles gut.

Denn das Auto, in dem er ackert, wiegt nur 490 Kilogramm. Na gut, der Testwagen bringt vermutlich ein paar Pfunde mehr auf die Waage, denn er verfügt über eine Windschutzscheibe und über ein paar Lappen, die der Hersteller großspurig als Türen anpreist.

Der Hersteller heißt Caterham, sein Einstiegsmodell Seven 165. Und nicht wenige unter Ihnen, liebe Leser, werden den kleinen Einbaum als den Himmel auf Sportfahrer-Erden lobpreisen, im gleichen Atemzug all die vermeintlich fettleibigen M-BMW, RS-Audi, AMG-Mercedes, vielleicht sogar Porsche, Ferrari und Lamborghini, ja vielleicht sogar den Toyota GT86, Peugeot RCZ und Nissan 370Z als verweichlichte, bevormundende, feuchte Ingenieursträume verunglimpfen. Ja, dazu könnte man sich durchaus hinreißen lassen.

Auto und Fahrer werden eins

Ein Tag mit dem Caterham Seven 165 polt dich um, pustet Gewohnheiten weg, wirkt wie eine Gehirnwäsche. Zwischen Hosenboden und Asphalt passt bestenfalls eine Bahncard, Mitteltunnel und Seitenwand sorgen für Seitenhalt, nicht etwa der Sitz, obwohl er es könnte. Es gäbe sogar eine richtige Heizung, doch die Abwärme von Motor und Getriebe reicht völlig. Jedenfalls verzahnt sich der Caterham Seven 165 Seven unmittelbar mit dir, lässt nichts zwischen Auto und Fahrer kommen, setzt das Erlebnis Auto in einen neuen Kontext: fahren um des Fahrens willen.

Ja, der Caterham Seven 165 wirkt dabei ein bisschen gestrig. Die frei stehenden Räder, die melonengroßen Scheinwerfer, das Armaturen-, nun ja, -brett, die analogen Instrumente, die unbedingte Servolosigkeit – und alles um einen herum erscheint auf einmal riesig. Selbst der Nissan 370Z, der eher nicht zu den fettleibigen seiner Zunft zählt. Okay, elfenartig nehmen sich seine knapp 1,5 Tonnen nicht gerade aus. Der Japaner wiegt also rund dreimal so viel wie der kleine Brite, sein V6-Saugmotor entwickelt allerdings mit 328 PS auch die vierfache Leistung des Dreizylinder-Turbos im Caterham Seven 165.

Sicher, das kann kein Argument sein. Doch selbst wenn der Nissan 370Z nicht unbedingt zu den Sieg-Abonnenten in Vergleichstests von sport auto zählt, dann aber doch klar zu den Sportwagen-Favoriten der Redaktion. Warum? Seines Leistungsgewichts wegen. Und der Tatsache, dass darin ein richtiges Triebwerk ackert. Und dass der Antrieb an der richtigen Achse endet. Und überhaupt: Er kostet nur knapp über 30.000 Euro.

Nissan 370Z in 5,3 Sekunden auf 100 Sachen

Ja, dann allerdings steigst du aus dem Caterham Seven 165 um und glaubst, dass du gerade einen Mercedes Atego 815 oder einen vergleichbaren 7,5-Tonner-Lkw geentert hast. Alles wirkt riesig, ausufernd, sperrig. Als du das letzte Mal den Nissan 370Z gefahren bist, hast du dich von seiner Direktheit anstecken lassen, die Knurrigkeit seines 3,7-Liter-Motors gelobt, hach, diese Ecken und Kanten, der mächtige, metallische Klang, das agile Handling, die steife Karosserie, die eigentlich recht kompakten Abmessungen.

Bist leicht schwänzelnd über noch nicht ganz abgetrocknete Landstraßen gefegt, die Lenkung immer bereit, entgegen dem Kurvenradius einzuschlagen. Hast den Sechszylinder ausgemostet, gedreht, immer wieder, obwohl das gar nicht so sein Ding ist.

Und warst glücklich – bis jetzt, als du nach einem Tag im Seven in den 370Z umsteigst, nur um festzustellen, dass das alles nicht mehr stimmt. Oder? Doch, doch. Es stimmt schon noch. Nur: In 6,9 Sekunden will Caterham den Kleinen von null auf 100 km/h geprügelt haben, Nissan verspricht 5,3 Sekunden. Es fühlt sich aber exakt umgekehrt an.

Ein ultra-leichtes Spielzeug

Natürlich verleitet die Seven-Mischung zur Euphorie, nicht nur aufgrund des sensationell geringen Gewichts, sondern auch aufgrund des herrlich prustenden Dreizylinders und des passend darauf abgestimmten Getriebes. Damit wirft der Caterham immer mit ausreichend Durchzugskraft um sich, sogar drehen kann er, unterstützt aber auch eventuelle Attacken akuter Schaltfaulheit. Trödeln im Fünften? Aber sicher doch, kein Problem.

Das beispielsweise hat er der Basis-Elise voraus, sie wissen schon, jene mit der öden 1,6-Liter-Toyota-Tröte hinter den herrlichen Schalensitzen. Jene Elise Club Racer, die mich vor meinem Bankberater ohne jegliche Selbstachtung um einen Kredit betteln ließ – und mich bei der ersten ausgiebigen Probefahrt maßlos enttäuschte. Die zu der These führte, dass Leichtbau Unfug ist (siehe Heft 5/2014).

Ja, im Seven unterstützt ein ordentlicher Antrieb das ultraleichte Chassis, erhebt ihn so zu einer der besten vierrädrigen Infotainment-Einheiten, die eigentlich einer Vergnügungssteuer bedürften – aber eben auch nicht mehr. Er ist ein Spielzeug, wenngleich ein fabelhaftes, ein günstiges obendrein (ab 23.795 Euro). Wer sich allerdings für einen Nissan 370Z entscheidet, bekommt einen Sportwagen für jeden Tag und muss sich keine Gedanken über einen Zweitwagen machen – es sei denn, dass ein oder mehrere Kinder morgens am Frühstückstisch sitzen.

Lieber Caterham oder Nissan?

Selbst ein Alfa Romeo 4C, den wir ja mittlerweile ausgiebig testen konnten, ist weit mehr Auto als der Caterham und zugleich ein großartiger Sportwagen – mit einem etwas ungestümen und daher nicht ganz leicht zu dosierenden Turbomotor, doch das tut jetzt nichts zur Sache. Leichtbau allein hilft also kaum etwas, das rücksichtslose Weglassen von Dingen ebenso wenig. Das sehen Sie anders? Wirklich?

Dann fahren Sie bestimmt jeden Tag einen Caterham, Donkervoort, Irmscher Seven, Lotus Eleven oder wenigstens einen KTM XBow, ohne Scheibe natürlich? Nein? Aha!

Nicht falsch verstehen: Ein BMW M5 muss trotz aller Anforderungen hinsichtlich Sicherheitsnormen und Komfortansprüchen der Kunden wirklich nicht über 1,9 Tonnen wiegen. Und auch ein Opel Astra OPC, knapp 1,6 Tonnen schwer, dürfte durchaus gerne ein bisschen abspecken. Allerdings muss ein Sportwagen nicht leicht sein um jeden Preis, seinen Käufer nicht mit Entbehrungen peinigen, nur für ein paar schöne Stunden zu zweit. Oder allein, wie auch immer.

Jetzt stehen die beiden vor dir, es zieht dich zwangsläufig zum Caterham Seven 165 hin. Aber kaufen? Als einziges Auto? Hm, dann lieber den Nissan 370Z. Weil es eben doch mal regnet. Weil man eben doch mal nur von A nach B kommen möchte und 400 Kilometer dazwischenliegen. Weil man eben doch mal in den Urlaub fahren möchte. Dennoch freuen wir uns, wenn mal wieder ein Caterham vorbeischaut, sehr sogar. Denn dann ist wieder alles anders.

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Sport Auto 03 / 2022
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Erscheinungsdatum 04.02.2022

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