Nissan GT-R im Fahrbericht
Nissans Godzilla

Seinen martialischen Spitznamen hatte der Nissan GT-R schon immer, als Nismo-Version wird er ihm jetzt mit 600 PS und umfassender Dynamisierung noch mehr gerecht. Darüber hinaus wurde der Standard-GT-R komfortabler und leiser.

Nissan GT-R, Frontansicht
Foto: Wolfgang Groeger-Maier

Japan-Kenner wissen: Irgendwo verstecken die Ingenieure stets die „higher rigidity“, also die gesteigerte Steifigkeit eines neuen Modells. Wobei schon der bisherige GT-R niemandem auch nur ansatzweise verwindungsfreudig vorgekommen wäre. Aber um den Werkstuning-Eindruck des Nissan GT-R Nismo zu bekräftigen, wird seine Karosserie an neuralgischen Stellen statt mit Punktschweißungen durch spezielle Klebungen versteift. Man vergrößerte sogar die Fahrwerksschrauben von M12 auf M14, um eine noch präzisere Radführung zu gewährleisten. Logisch, wer 7:08.679 Minuten auf der Nordschleife hinlegt, muss auf Details ebenso achten wie aufs große Ganze.

Größere Lader sorgen für 600 PS

Das bestätigt uns Rekordfahrer Michael Krumm: „Die höhere Leistung hatten wir zuerst, konnten sie aber erst nach Anpassung von Reifen, Fahrwerk und Aerodynamik wirklich ausnutzen.“ Krumm profitierte darüber hinaus vom Time-Attack-Paket des Nissan GT-R Nismo, das einen größeren, verstellbaren Heckspoiler und weitere Aerodynamik-Hilfsmittel sowie eine spezielle Rad-Reifen-Kombi mit eigens spezifizierten Dunlops enthält.

Und dann sind da ja noch Godzillas Anlagen, die ihm sein Schöpfer Mizuno quasi in die Karosserie stempelte. Ein Rezept, so unergründlich wie das von Coca-Cola. Er ist nicht offensichtlich windschlüpfig, wirkt auf Unbedarfte sogar plump, eher Sumo denn Sprinter. Und doch versteht es der Nissan GT-R Nismo, selbst Verwöhnte sofort zu begeistern – beim Fahren.

Da hat der neue Nissan GT-R noch mal zugelegt. Bereits beim 485 PS starken Urmodell hielten sich die Klagen über schüttere Leistungsentwicklung des biturbogeladenen 3,8-Liter-V6 in Grenzen, der Neue tritt mit 600 PS an, die einen Tick später als bisher anliegen. Das Biest marschiert schon untenrum mächtig, seine vergrößerten IHI-Lader (aus dem GT3-Rennwagen) samt freigeräumten Ansaugwegen und kräftigeren Benzinpumpen blasen zur Attacke, mehr als 650 Newtonmeter Drehmoment fallen über das Doppelkupplungsgetriebe und alle vier Räder her. IHI, das klingt wie hihi und fühlt sich auch so an. Atemberaubend im Wortsinn, beim Beschleunigen und beim Einlenken.

Nissan GT-R Nismo ist ein Bewegungstalent

Auch wenn er pummelig aussieht – unterschätze nie das Bewegungstalent des 1,7 Tonnen schweren Nissan GT-R. Es ähnelt dem des Helmut Kohl. Damals, als er einen Eierwerfer in Erfurt mit der ganzen Macht seines Leibes verfolgte und nur von den Bodyguards gebremst werden konnte. Seinen Bodyguards, die in diesem Moment aber eher dem Überleben des Eierwerfers dienten.

Nun, der Nissan GT-R dürfte zwar nicht das Leben seiner Konkurrenten gefährden, es ihnen aber zumindest schwerer machen. So wuchtig, wie der große Biturbo-V6 antritt, sein Allradantrieb Traktion bietet, sein Fahrwerk mechanischen Grip aufbaut. Einfach hart anbremsen, einlenken und herausbeschleunigen – innerhalb dieser paar Sekunden ist alles geklärt. Fragen? Erst, wenn wir in den haftfreudigen Recaro-Sportschalen hinterm griffigen Alcantara-Lenkrad den Atem wiedergefunden haben.

Auch wenn wir nur auf dem Sodegaura Forest Raceway bei Tokio unterwegs sind und nicht auf der Nordschleife, der Eifel-Geist ist an Bord. Der Nissan GT-R Nismo lässt sich präzise führen, reagiert sensibel auf Lenkbefehle, wirkt, als ob er Zentner Gewicht abgeworfen hätte. Auch die Federelemente arbeiten erstaunlich sanft und effizient.

Ob die optimierte Aerodynamik mit frei stehendem Heckflügel, neuem Frontspoiler, Schweller und Heckdiffusor – allesamt aus Carbon – den Abtrieb bei 300 km/h wirklich um 100 Kilo steigert, lässt sich hier natürlich nicht klären. Das Vertrauen in schnellen Kurven und das Handling in engen Ecken ist jedenfalls hoch. Damit hat Nissan nicht nur das Ziel der schnellsten Nordschleifen-Rundenzeit für Großserienautos erreicht, sondern den ab Sommer 2014 erhältlichen GT-R als Nismo-Version fühlbar sportiver ausgelegt.

Mehr Komfort für den Standard-GT-R

Im Gegensatz zum Standard-GT-R, dessen 2014-Version im Frühjahr nach Deutschland kommt. Komfortabler und leiser soll er sein, so etwas wie der GT unter den Nissan GT-R. Dazu reduzierte man das Geräuschniveau, womit sich der GT-R bislang deutlich vom Lieblingskonkurrenten, dem glatt geschliffenen Porsche 911 Turbo, unterschied. Schaben, Knarzen, Knacken, all das verschaffte ihm eine spezielle Form von Sportwagen-Männlichkeit, präsente Ecken und Kanten.

Nun, so ganz konnten sie ihm den Charakter nicht aberziehen, zumal sich auch das Sechsgang-Doppelkupplungsgetriebe immer noch nicht vollkommener Harmonie verschreibt, im Stop-and-go-Verkehr manchmal hör- und fühlbar ruckelt. Und Abrollgeräusche werden anderswo sorgfältiger weggedimmt. Doch wen stört das, wenn er über 550 PS bei ebenfalls agilem Handling gebieten kann? Denn: Feinere Detailverarbeitung, helle LED-Scheinwerfer sowie schickere Instrumente sind zukünftig bei allen Nissan GT-R-Modellen dabei. Womit der 2014er-Jahrgang der beste aller Zeiten wird. Wir freuen uns jedenfalls auf ihn.

Fazit

Nissan hat den GT-R präzisiert. Den Nismo als Supersportler mit Trackday-Kompetenz, den Standard-GT-R als bewährten Alltagsboliden mit zart gesteigertem Komfort. Massig Charakter haben beide.

Technische Daten
Nissan GT-R Nismo Nismo
Grundpreis149.990 €
Außenmaße4680 x 1895 x 1370 mm
Kofferraumvolumen315 l
Hubraum / Motor3799 cm³ / 6-Zylinder
Leistung441 kW / 600 PS bei 6800 U/min
Höchstgeschwindigkeit315 km/h
Verbrauch11,8 l/100 km
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AUTO MOTOR UND SPORT 11 / 2024
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Erscheinungsdatum 08.05.2024

148 Seiten