Porsche GT3, Turbo S und 918 Spyder
Die wollen nur schnell sein

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Alle drei interpretieren Geschwindigkeit völlig unterschiedlich, aber alle drei sind tatsächlich eines: schnell. Furchtbar schnell. Also treffen sich der hochdrehende 911 GT3, der büffelige 911 Turbo S sowie der dreimotorige 918 Spyder auf der Rennstrecke in Le Castellet. Welche Technologie fasziniert dort am meisten?

Porsche 911 GT3, Porsche 918 Spyder, Porsche 911 GT3, Le Castellet
Foto: Achim Hartmann

Kämpfen für den König von Frankreich? Nein, keinerlei Ambitionen erkennbar. Ebenso wenig wollen sie Verbrecher hinter Gitter bringen, sei es als Fragezeichen, im Auftrag von Charlie und erst recht nicht mit nur vier Fäusten. Und als Vorreiter einer eher dadaistischen Musikgattung gedenken sie ebenfalls nicht, Geschichte zu schreiben. Nein, Porsche 911 GT3, 911 Turbo S und 918 Spyder schlossen sich eher per Zufall zu einem Trio zusammen, treffen sich nun als die drei stärksten Straßensportwagen der Marke in Le Castellet. Noch im vergangenen Jahr wäre es lediglich ein Duo gewesen, doch kürzlich materialisierte sich der 918 aus wilden Ingenieursträumen – 887 PS stark, generiert aus einem V8-Triebwerk und zwei Elektroaggregaten, weshalb er mit 3,0 Litern auf 100 km auskommen soll – ja ja, soll.

Porsche 918 Spyder leistet 608 PS

Der Istzustand gestaltet sich völlig anders, denn vor der Nase des 1,94 Meter breiten Porsche 918 Spyder rollt sich gerade die Mistral-Gerade des Circuit Paul Ricard aus, 1,6 Kilometer lang, heute mit einer Schikane als Spielverderber, als eine von 167 möglichen Konfigurationen der Strecke. Die verzwickte Antriebstechnologie arbeitet gerade im Hotlap-Modus, nicht etwa, um einen plötzlichen Anfall von Selbstüberschätzung auszuleben – zu wissen, dass die Kollegen von sport auto den Hybrid-Sportler in 7.13 Minuten über die Nordschleife peitschen können, reicht völlig.

Vielmehr ermöglicht dieser Modus im Porsche, den zusätzlichen Schub der Elektromotoren zu erleben, einfach per Kickdown. Während sonst alle Triebwerke zusammen wüten, tobt nun der 608-PS-Sauger alleine hinter den Sitzen, schreit seinen Hunger nach Drehzahlen durch die beiden nach oben aus dem Motorraum ragenden Endrohre hinaus. Hell, fast ein bisschen dünn trompetet der trockensumpfgeschmierte Motor mit 180-Grad-Kurbelwelle beim Herausbeschleunigen aus der Virage de la Sainte Baume, fühlt sich unterhalb von 4.000/min nicht so richtig wohl, über 7.000 Umdrehungen umso mehr, weshalb eifrig an den Schaltpaddeln gezupft werden darf. 9.150/min, zupf, vierter Gang.

Jetzt das Gaspedal über den Widerstand hinausdrücken, so die E-Motoren an Vorder- und Hinterachse aktivieren, und während dir eben noch ein wütender Büffel seinen massigen Schädel ins Kreuz drückte und aus vollem Lauf anschob, unterstützt ihn nun seine Herde – was für ein Kraftzuwachs, aufbauend auf einem Niveau, bei dem die meisten Motoren längst ihre Kolben durch den Zylinderkopf schießen. Dabei macht es der Porsche 918 Spyder dem Antrieb nicht leicht, trotz aller kohlefaserigen Ambitionen, denn mindestens 1.675 Kilogramm wiegt das gesamte Feuerwerk, dann allerdings mit dem sogenannten Weissach-Paket.

Keramik? Stahl? Egal

Das Paket fehlte beim Testwagen, doch die Bedeutung von Keramik- statt Stahlkugeln in den Radlagern und einem Carbon-Stängelchen statt Gasdruckdämpfern als Haubenaufsteller erschließt sich in diesem Moment nicht so wirklich – vielleicht, weil wenigstens die Magnesium-Felgen montiert waren, die mit 15 kg die nennenswerteste Gewichtsreduktion erzielen. Kein Gedanke daran, als der Spyder durch die Links-rechts-Schikane brät, allradgelenkt die Courbe de Signes mit irrer Geschwindigkeit tranchiert.

Selbst in der tückischen Doppel-Rechts du Beausset machen Stabilität und die daraus resultierende Querbeschleunigung benommen, und doch reicht die Faszination nicht zum Kollaps. Der Porsche 918 Spyder will seinem Fahrer immer noch etwas Luft lassen, um der zweifelsohne beeindruckenden Ingenieursleistung angemessen zu huldigen. Selbst bei 1,6 g Querbeschleunigung flippen noch die über 37.600 Parameter der Motorelektronik durchs Hirn, die abgestimmt werden mussten, damit alle Komponenten so kumpelig zusammenarbeiten, wie sie es eben tun.

Porsche GT3 mit 3,8-Liter-Boxer

Obwohl der Porsche 918 Spyder immer der Schnellste dieses Trios bleiben wird, obwohl die Nordschleifen-Zeit noch über Jahre für Gesprächsstoff an der Cockpit-Bar sorgen wird, fehlt seinem Fahrverhalten jene ungestüme Entschlossenheit, die Optik und Leistungswerte versprechen. Klingt irgendwie abgebrüht und verdorben? Ja, Einspruch stattgegeben. Blöd nur, dass es stimmt. Vor allem dann, wenn kurz zuvor der Porsche 911 GT3 alles, was noch an Verstand beim Piloten übrig war, in Jahresurlaub geschickt hat.

Natürlich halten wir Porsche weiterhin die Zwangsverheiratung des 3,8-Liter-Boxers mit dem Doppelkupplungsgetriebe vor und zweifeln nach wie vor die Notwendigkeit der Allradlenkung an, beides allerdings ändert nichts daran, dass der Porsche GT3 als der wohl porschigste aller Porsches gelten darf. Vielleicht, weil die Marke vom Motorsport ge- und deshalb in manchen Dingen durchtrieben ist? Also puristisch, effizient, emotional? Und teuer – aber lassen wir das. Da sitzt du also in der Alcantara-Höhle, schwarz, rücksitzfrei, in wunderbaren Leichtbauschalen, erfasst mit einem Blick alles Wesentliche: Drehzahlmesser, Schaltwippen, Tasten für Stabilitätskontrolle und Auspuffklappen. Sein Sechszylinder-Boxer verdichtet mit 12,9:1 höher als der V8 des Porsche 918 Spyder, lässt seine Kurbelwelle sogar noch eine Nuance ehrgeiziger rotieren.

Geradezu kriegerisch schreit der 475 PS starke Vierventiler des Porsche aus den beiden mittig angeordneten Endrohren, von Tausender zu Tausender immer intensiver, wilder, voller – ein Biest, ein bekanntermaßen hitzköpfiges, aber dennoch mitreißendes, ein Motivator. Vollgas, 9.000/min, ein Ruck, Gangwechsel, weiter geht das Festival der Mechanik.

Porsche GT3 wiegt 1,43 Tonnen

Der Porsche GT3 fühlt sich herrlich befreit an, nicht nur sein ungestümer Motor, nein, sein Handling ebenfalls. Was Wunder, müssen doch gerade einmal 1,43 Tonnen gehandelt werden, unterstützt von einem gekonnt zugespitzten Fahrwerk, dessen härtere der beiden Dämpferkennlinien sich laut der Motorsporttruppe aus Weissach – ihr unterstehen traditionell die GT-Projekte, aber auch der Porsche 918 Spyder – vor allem für penibel asphaltierte Rundstrecken eignet. Na bitte! Eben feuert der leichte Elfer über die leicht ansteigende Links-rechts-Kombination nach Start-Ziel, seine Karosserie bewegt sich nur minimal, wirkt schwäbisch-steif wie es steifer nicht sein könnte.

Die Cup-Reifen kleistern optimal temperiert, die Strecke gerade mal trocken, die Reibung erreicht jetzt vermutlich abenteuerliche µ-Werte, die Lenkung plappert munter darüber, wie die Vorderräder ihren Winkel verändern, und sei es nur minimal. Es fällt leicht, immer die optimale Dosis Leistung abzurufen, eben gerade so viel, dass der Porsche GT3 nur leicht, nicht jedoch leichtsinnig übersteuert. Ja, Übersteuern, das mag er, das kann er, aber nur, wenn es der Typ hinterm Steuer zu bunt treibt, wenn er die Neutralität des Eigenlenkverhaltens ausreizt, sich verzockt. Wenn sich aber sein Können und das des Elfers auf einem Level bewegen, ja dann darf er gerne ESP und Traktionskontrolle deaktivieren. Hier existieren nur Schwarz oder Weiß, hopp oder top, Barfuß oder Lackschuh. Unterschiedliche Kennlinien für die Regelelektronik? Nicht im GT3.

Damit lässt sich prima sein Wesen charakterisieren, zählt er doch zu jenen Sportwagen, die von ihrem Piloten eine gewisse Adaptivität verlangen. Beim Porsche 911 Turbo S verhält es sich gegensätzlich, seine Adaptivität gegenüber dem Fahrer kennt kaum Grenzen – Fahrwerk, Aerodynamik, Getriebe, selbst die Schaufeln der beiden Turbolader arbeiten variabel. Fantastische 750 Newtonmeter maximales Drehmoment entwickelt der Sechszylinder. Ja, aber, der 918? Klar, Porsche referiert gerne über jene 1.280 Newtonmeter „kurbelwellenäquivalentes“ Drehmoment im siebten Gang, mitentscheidend dafür, dass der Porsche 918 Spyder in 2,6 Sekunden von 0 auf 100 km/h schießt. Doch der Turbo-Schmalz ist das, was er ist, benötigt keine technokratischen Euphemismen, steht einfach zur Verfügung, bereits bei 2.200 Umdrehungen.

Hilfreicher Allradantrieb

Und damit der Pilot des Porsche ihn immer nutzen kann, gibt’s Allradantrieb. Regennasse Fahrbahn? Jetzt kann man sich im bequemen Sportsitz Tapferkeitsmedaillen erkämpfen, während die anderen beiden mit ihren Beinahe-Slicks sich geradezu verzweifelt an jedes trockene Asphaltkörnchen klammern.

Dann, wenn sie erst an der Vorder-, kurz darauf an der Hinterachse Haftung und Hoffnung fahren lassen, dreht der Porsche Turbo S bollernd auf. Nein, er zieht nicht etwa spektakulär, weil wild schwänzelnd blank, untersteuert lieber mal ein bisschen. Wie bitte? Kein Übersteuern? Doch, schon, wenn sich der Fahrer roher Gewalt bedient, kommt auch der Turbo quer, sehr quer, sogar so quer, dass es ausweglos erscheint. Ebenso gewalttätiges Gasgeben hilft allerdings, dass er kurz darauf die nächste Gerade heruntertobt, als hätte es nie zuvor eine Kurve gegeben. Diesen Spagat müssen die Hirnwindungen jedoch erst einmal hinbekommen, denn ähnlicher Leistungseinsatz führt beim Porsche GT3 zu Pirouetten, bei denen selbst russischen Weltstar-Ballerinas das Tutu verrutscht. Und auch der 918, bei dem immerhin ein E-Motor mit 210 Nm auf die Vorderräder wirkt, verhält sich eher wie ein Mittelmotor-Sportler mit Heckantrieb – mit allen bekannten Konsequenzen.

Das wirklich Wilde allerdings, das überlässt der Porsche Turbo S lieber den beiden anderen. Er beeindruckt zwar ebenfalls mit hoher Stabilität auf dem schnellen Kurs, wenngleich er im Geschlängel zwischen Virage de l’Hotel und du Camp konservativer einlenkt, ein wenig bedächtiger agiert, bevor ab Sainte Baume dann wieder der Leistungshammer geschwungen wird, der Boxer knapp über 7.000 Umdrehungen feiert. Ungerührter schütteln nur wenige Sportwagen Dynamik in alle Richtungen aus dem Blech, im 918 Spyder dagegen kaum aufwendiger und im GT3 kaum emotionaler. Höchst unterschiedliche Charaktere also, die drei stärksten Sportwagen von Porsche – womit nun doch die wesentliche Eigenschaft erfüllt wäre, die alle bedeutenden Trios der Literatur-, Film-, Fernseh- und Musikgeschichte eint.

Fazit

Eins, zwei oder drei

Und ob ihr wirklich richtig steht, seht ihr, wenn das Licht angeht – hieß es einst in einer Kinder-Quizsendung. Welcher Porsche beeindruckt also am meisten? Tja. Jeder beeindruckt, sehr sogar. Mit Technik, Charakter, Speed. Aber der Ehrlichste unter ihnen, das ist weiterhin der 911 GT3, weil wunderbar reduziert, wenig kompromissbereit – ein Sportwagen eben.

Technische Daten
Porsche 911 GT3 GT3Porsche 911 Turbo S Turbo S
Grundpreis137.303 €197.041 €
Außenmaße4545 x 1852 x 1269 mm4506 x 1880 x 1296 mm
Kofferraumvolumen125 l115 l
Hubraum / Motor3799 cm³ / 6-Zylinder3800 cm³ / 6-Zylinder
Leistung350 kW / 475 PS bei 8250 U/min412 kW / 560 PS bei 6500 U/min
Höchstgeschwindigkeit315 km/h318 km/h
Verbrauch12,4 l/100 km9,7 l/100 km
Die aktuelle Ausgabe
Sport Auto 03 / 2022
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Erscheinungsdatum 04.02.2022

132 Seiten