Rolls-Royce Ghost
570 PS bringen Emily auf Speed

Schluss mit „ausreichend Leistung“: Der neue, kleinere Rolls-Royce Ghost genehmigt sich exakt 570 PS und mit Hilfe seines Verwandten BMW 7er den konsequenten Einstieg in die moderne Welt der Autoelektronik.

Rollls-Royce Ghost
Foto: Rollls-Royce

Wollten Sie schon immer einmal ein fettes kalifornisches Schaf treten? Dann willkommen im Rolls-Royce Ghost. Hier liegt das Fell so dicht wie Guinness-Schaum auf dem Boden und harrt der Sohlen maßgeschneiderter Pferdeleder-Schuhe. Damen sollen dafür bekannt sein, dass sie schon im Phantom ihre teuren Manolo-Blahnik-Pumps unter die Vordersitze feuern, um sich mit den Zehen gierig in die ultrafeine Wolle zu krallen. Was will uns das Kuschelfell also über einen Rolls sagen? Es ist völliger Luxus, etwas unpraktischer vielleicht, aber einer, der sich verdammt gut anfühlt.

Rolls-Royce Ghost: Entspannen, wohlfühlen und genießen

Dieses Spiel auf der Klaviatur der Sinne und Emotionen beherrscht Rolls-Royce wie kein zweiter Autohersteller. Entspannen, wohlfühlen und genießen - schon beim Einstieg, wenn sich die gegenläufigen Coach-Türen öffen, und erst recht auf der Fahrt. Nur mit der klassischen Pilotenfreude, dem aus Handling und Dynamik generierten Fahrspaß, hatten es die mächtigen Kreuzer aus Goodwood bisher nicht so. Eher schlägt der Big Ben „We will rock you“, als dass selbst ein Rolls-Royce Phantom Coupé durch Fahrdynamik brilliert. Doch Ihre automobile Majestät hat jetzt einen kleinen Bruder, einen Prinzen, den Rolls-Royce Ghost. Der wiederum ist ein Cousin des BMW 7er.

Der erste Rolls-Royce Ghost hatte nur 48 PS

Nein, wirklich kein Bruder, das ginge zu weit und würde außerdem den Rolls-Royce-Oberen schon marketingtechnisch auf den Magen schlagen. Manche nannten ihn gar Baby-Rolls, was angesichts von 5,40 Meter Außenlänge und 2.360 Kilogramm Gewicht aber aus einem Elefanten eine Mücke machen würde. Wie bei den großen Dickhäutern steckt unerwartetes Spurtpotenzial im Rolls-Royce Ghost. Dreist vorbei an der Modell-Hierarchie schiebt sein 6,6-Liter-Twinturbo-V12 mit 570 PS mehr Leistung an die Hinterachse als ein Rolls-Royce Phantom. Der Rapper lässt die Goldkette swingen, aber ob da beim Scheich nicht das Tuch vom Kopf flattert? Wobei der in Krisenzeiten vielleicht gerade froh ist, dass es jetzt auch einen Rolls zum – äh – günstigeren Preis gibt. Wenn Emily also in Zukunft in den Rückspiegel fliegt, darf selbst mancher Porsche-Fahrer die linke Spur räumen. Endlich kommt die kleine Dame da vorne mal richtig auf Speed und in Ecstasy. Remember: Der erste Rolls-Royce Ghost von 1906 hatte nur 48 PS. Im letzten Jahrhundert war die Bezeichnung „ausreichend“ für die Leistung eines Rolls das pure Understatement.

Mit 780 Newtonmeter packt der Rolls-Royce Ghost den Fahrer am Kragen

Heute ist seine Kraftreserve wie ein gut gefüllter Weinkeller zu verstehen. Den Vorrat trinkt man auch nicht auf einmal aus, sondern nippt zu besondereren Anlässen daran. Wobei nippen ein sehr niedlicher Ausdruck für den Moment ist, in dem 780 Newtonmeter einen am Kragen packen wie das Fahrgestell eines startenden Jumbojets. Für einen kurzen Moment scheint Emily wirklich abzuheben. Trotzdem geschieht das alles mit der Unaufgeregtheit einer Tea-Party im Bridgeclub. In die fast meditative Stille des Pracht-Interieurs weht im Moment der Beschleunigung, wenn die Power-Reserve-Anzeige ganz kurz auf der Nulllinie aufditscht, nur ein feiner, ferner, knurriger Motorsound. Als würde im Nachbarort ein 760i gefordert. Während eine Klappe im Auspuff sonst dazu dient, sich hauchzart an den Lärmgesetzen entlangzuhangeln, um sie dann doch brüllend zu ignorieren, will Rolls-Royce sie als Leisemacher verstanden haben.

Der Rolls-Royce Ghost feuert aus allen Rohren

Gerade laut genug muss er sein, damit er bei der kiesknirschenden Klischee-Anfahrt vor dem Landsitz die Bediensteten von der Ankunft des Chefs informiert. Doch der Chef kommt nicht nur zu Hause, sondern auch in der automobilen Gegenwart an. Leistet sich der Rolls-Royce Phantom noch den Luxus technischer Askese, feuert der neue Geist aus allen Rohren, die ihm der BMW 7er zur Verfügung stellt. Manche scheinen äußerst banal (selbsttragende Karosserie), andere in dieser Klasse selbstverständlich: Luftfederung, aktive Rollstabilisierung und die butterzart schaltende Achtgang-Automatik von ZF. Soll sich keiner der Reichen beschweren, dass sein Rolls-Royce weniger Elektronik-Gimmicks als BMWs Flaggschiff besitzt: Head-up-Display, Abstandsregeltempomat, Fernlichtassistent, Spurverlassenswarnung und Night Vision. Letzteres eignet sich mit seiner Wärmebild-Funktion übrigens hervorragend, um nachts Wild zu beobachten. Nur so als Tipp, für die Jäger unter den zukünftigen Ghost-Piloten.

Für den Ghost rechnet Rolls-Royce mit 2.000 Käufern jährlich

Bei allem High Tech bleibt er aber ein echter Rolls-Royce, wenn er elegant und geschmeidig durch die Landschaft fließt, über Frostaufbrüchen atmet und raues Pflaster flüstert. Zum ersten Mal in der Geschichte der britischen Edel-Manufaktur legt die Lenkung sogar fast ganz die eitle Ignoranz ab, die die Steuerung einst so schiffig machte. Ein agiler BMW 7er wird er dadurch mitnichten – will er auch überhaupt nicht. Selbst wenn das wunderschöne Black-Panel-Digital-Display unter den Schwarz-Weiß-Instrumenten, der i-Drive-Controller und die Sitzsteuerung immer wieder an den Cousin erinnern.Der Rolls-Royce Ghost bleibt ein Liebhaberstück, an dem 60 Spezialisten 20 Tage lang Hand anlegen, edelste amerikanische Hölzer verlegen, Alpen-Kuhhaut maßschneidern, sechs Lackschichten auflegen und mit weißen Handschuhen jedes Detail kontrollieren. Genau dieses Wissen kaufen die 2.000 geplanten Kunden pro Jahr mit – wahrer Luxus eben.

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Technische Daten
Rolls-Royce Ghost
Grundpreis265.251 €
Außenmaße5399 x 1948 x 1550 mm
Kofferraumvolumen490 l
Hubraum / Motor6592 cm³ / 12-Zylinder
Leistung420 kW / 571 PS bei 5250 U/min
Höchstgeschwindigkeit250 km/h
Verbrauch13,6 l/100 km