Tesla Model S gegen Mercedes CLS 63 AMG S
700 Elektro-PS fordern 585 V8-PS

Sirren oder bollern, das ist hier die Frage. Kann Teslas Elektroauto-Superstar Model S P85D mit dem Beschleunigungsdruck eines Mercedes CLS 63 AMG S mithalten? Ein Allradvergleich mit viel Power bei perfekt schlechtem Wetter.

Tesla Model S P85D, Mercedes CLS 63 AMG S 4Matic, Frontansicht
Foto: Hans-Dieter Seufert

Ich seh’ nur Tropfen oder Schnee auf der Linse.„ Der sonst bestgelaunte aller Fotografen trauert mit dem Wetter um die Wette. Und der Redakteur ballert dazu sein komplettes Empathiepotenzial in den eisekalten Wind: “Schön, so wenig Grip für so viel Leistung. Genau das braucht ein Allradvergleich.„ Manchmal muss man die Schönheit des Bildes dem Zweck opfern.

Der Tesla Model S, Ikone der Antriebsrevolution, hat einen Allradantrieb spendiert bekommen. Eine Tatsache, die in der alten Verbrennerwelt nur Gähnen hervorruft – beim Model S hingegen eine Internet- und Youtube-Euphorie, wie sie kaum ein Auto zuvor erreicht hat. Über 26.000 Videos mit diversen Dragster-Rennen und vor Freude glucksenden Passagieren finden sich dort inzwischen unter der Modellbezeichnung des Tesla P85D. D steht dabei für Dual Drive und zwei Elektromotoren: ein bekannter an der Hinterachse mit 476 PS und ein neuer an der Vorderachse mit 224. Mechanisch autark und – in schönstem Ingenieurdeutsch ausgedrückt – über die Straße verkoppelt. In Summe ergeben sich 700 PS (515 kW).

Teslas Model S P85D erkauft Leistung nicht auf Kosten von Effizienz

Während deutsche Elektromobilitätstechniker noch angestrengt darüber grübeln, wie viel fahrstatistisch genutzte Leistung und Reichweite Otto Normalfahrer für sein E-Mobil braucht, schießen die Tesla-Jungs locker aus der ganz großen Elektronenkanone. Wohl wissend, dass sich ein Auto mit nichts besser verkauft als mit Emotionen, auch und besonders bei E-Autos. Und mit der Gewissheit, dass bei Elektromotoren ein Mehr an Leistung eben nicht zwingend weniger Effizienz bedeutet.

Die kalifornischen Elektro-Freaks rund um ihren Superstar Elon Musk spielen mit Emotionen wie Surfer in Malibu mit den Wellen: Der Dual Drive aktiviert seine komplette Leistung erst nach dem Druck auf einen Insane-, also Verrückt-Knopf. Stellen Sie sich vor, ein Mercedes- oder VW-Ingenieur würde einen solchen Vorschlag unterbreiten. Genau: völlig bekloppt. Da bei einem E-Auto nicht der Motor, sondern eher die Batterie – hier aus über 7.000 handelsüblichen „18.650“-Stabzellen – die Leistung bestimmt, kann diese nun endlich ihr wahres Strompotenzial entwickeln. Macht, über etwas Elektromagnetismus übersetzt, 930 Nm.

585 PS im Mercedes CLS 63 AMG S

Schnitt: Neben dem Tesla Model S kauert ein Mercedes CLS 63 AMG S in seinen Federn, dessen Strompotenzial sich nur aus einem 12,8-Volt-Bleiakku nährt. Unter seiner Fronthaube schlägt der zart blubbernde Ruhepuls eines 5,5-Liter-Biturbos mit 585 PS (430 kW). Normalerweise schreiben wir kW nicht in Klammern dahinter, aber beim Vergleich mit einem E-Auto nur von Pferdestärken zu sprechen, passt wirklich nicht.

Die Werksdaten der beiden Allradler für die Beschleunigung auf 100 km/h liegen eng beieinander: 3,6 Sekunden für den leichteren AMG und 3,4 für den stärkeren Tesla. Möge die bessere Traktion gewinnen. Alte gegen neue Welt. Strom gegen Flammen. Tonlos rutscht der Insane-Schalter im Tesla Model S auf seine On-Position. Der Fahrerfuß nagelt das Strompedal auf den Boden und das kalifornische D-Ding knallt wie ein sirrender Peitschenhieb nach vorne. Kein spürbarer Verzug, der Druck ist ansatzlos, schlupffrei und drischt den Kopf nach hinten wie ein übel gelaunter Wrestling-Profi. Der Fahrer ringt nach Luft: Was zur Stromhölle ist das denn? Das Heck zuckt nicht mal, als das kalifornische Volt-Katapult die alte Feuerwelt mit Gigadruck angreift.

Der V8 geht brüllend auf Stromer-Jagd

Währenddessen im CLS AMG: Der Fahrmodus-Schalter klickt in den RS, also Race-Start-Modus. Den linken Fuß fest auf die Bremse, ein Zug an den Schaltpaddles bestätigt den Modus, die Drehzahl pendelt sich bei knapp 4.000 ein, runter von der Bremse und voll aufs Gas. Was folgt, ist ein kurzer Moment der Sammlung – einer, in dem sich Ventile, Zylinder, Gänge und Kupplung mit den Traktionsbedingungen absprechen. Das dauert nur einen Wimpernschlag, aber in dieser Zeit ist der Tesla Model S längst aus den Startlöchern. Wütend brüllend jagt der AMG hinterher. Auf schnellstem mechanischem Weg kämpfen seine zum Teil elektronisch sperrenden Differenziale um Traktion, und der nächste Gang ist in nur einer Zehntelsekunde automatisch reingeknüppelt.

Doch es reicht nicht. Der Tesla muss keine Übersetzungs-Kupplungs-und-Gedöns-Schlachten schlagen. Er passt 100 Mal in der Sekunde den feinst dosierbaren Strom an den Grip an. Die Vortriebsruhe ist überwältigend. Egal was der AMG auf der nassen Strecke anstellt, der Tesla Model S ist cooler und schneller. Egal wie viel fürchterlich rasche Zwischenspurts du machst. So kennt er kaum einen Gegner. Schon gar keinen, der auch noch bis zu sieben Sitze bietet. Etwas Euphorie ist da durchaus angebracht – nicht nur auf Youtube.

Tesla Model S – Vollleistung ist ein kurzes Vergnügen

Aber eben nicht auf Dauer. So ein Elektromotor lässt bei ständiger Volllast erheblich schneller nach als ein Verbrenner und saugt die knappe Energie schneller leer. Wobei die neun Minuten, die der 85 kWh brutto und 75,9 kWh netto messende Akku bei Vollleistung Strom liefern würde, rein theoretisch sind. Fürs Halten der Abregelgeschwindigkeit von 250 km/h werden lange keine 515 kW benötigt. Bei entspanntem Stromfuß cruist der P85D-Besitzer locker über 300 km weit. Dabei ist der Reichweiteverlust zum leichteren Model-S-Hecktriebler minimal. Zum einen, weil bei einem E-Auto von über zwei Tonnen hundert Kilo hin oder her auch wegen der Rekuperation nicht entscheidend sind. Und weil der neue, ebenfalls asynchrone Frontmotor effizienter als der alte ist. Gut, der war auch nicht der Effizienz letzter Schluss, zumindest nicht nach sehr elitären E-Motor-Maßstäben.

An der Tankstelle steht der AMG nur fünf Minuten, beim Tesla Model S muss eine Dreiviertelstunde eingeplant werden. Etwas Planung verlangt auch noch das im Aufbau begriffene Netz der dafür notwendigen Supercharger – mit kostenlosem Laden übrigens. Wer in der neuen Autowelt vorne sein will, muss noch ein paar Kompromisse eingehen. Aber das Tempo, in dem Tesla sich weiterentwickelt, ist gewaltig. Fehlten gerade dem Model S bisher noch Assistenzsysteme wie Abstandsregeltempomat oder Spurhaltung, so gibt es sie jetzt für alle Varianten. Ein ausstehendes Update soll sogar automatisches Überholen bringen. Auch beim Fahrwerk war noch Handlungsbedarf. Für den ersten Aufschlag nicht schlecht, ließen Präzision und Agilität noch Raum für Verbesserungen. Beim Model S mit D stromert man dank angepasster Lenkung, Aufhängung und anderen Stabis jetzt deutlich souveräner und handlicher durch Kurven.

Der CLS AMG driftet da, wo der Tesla abregelt

Doch gegen den knackigeren und viel leichteren CLS AMG muss der Tesla Model S sich beim Handling geschlagen geben. Vor allem schleudert der AMG locker breite Drifts auf den nassen Asphalt, während der Tesla allzeit vom ESP gezügelt bleibt. Nur etwas Schlupf zum Anfahren auf losem Untergrund oder Schnee lässt der D per Knopfdruck zu. In Amerika ist Allrad vor allem ein Sicherheits- und kein Tempofeature. Da verstehen die Happy People von der Westküste keinen Spaß mehr. Tesla-Chef Elon Musk twitterte: „Das Hauptziel unseres Dual-Motors war verrückte Traktion auf Schnee. Verrückt hohes Tempo war nur ein Nebeneffekt.“ Ganz ehrlich, es ist ihnen beides beeindruckend gelungen.

Technische Daten
Tesla Model S P85D PMercedes CLS 63 AMG S 4Matic Shooting Brake AMG S
Grundpreis105.500 €133.399 €
Außenmaße4970 x 1963 x 1445 mm4996 x 1881 x 1406 mm
Kofferraumvolumen1795 l550 bis 1550 l
Hubraum / Motor5461 cm³ / 8-Zylinder
Leistung430 kW / 585 PS bei 5500 U/min
Höchstgeschwindigkeit250 km/h250 km/h
Verbrauch0,0 kWh/100 km10,6 l/100 km